Es war das wohl unverdienteste Weiterkommen in der Geschichte der Champions League. Manchester United hatte gegen Paris St-Germain auch im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinal-Duells keinen Stich, setzte sich aber dank der Auswärtstorregel trotzdem durch.
PSG hatte das Spiel nach allen Regeln der Kunst beherrscht, machte sich das Leben aber selbst schwer. Beim 3:1-Sieg im Parc des Princes profitierte die United zunächst von zwei kapitalen PSG-Eigenfehlern. Vor dem 1:0 in der 2. Minute spielte Verteidiger Thilo Kehrer einen katastrophalen Rückpass, vor dem 2:0 leistete sich Torhüter Gigi Buffon einen seltenen Patzer. Beide Male sagte Romelu Lukaku «danke» und zeigte, dass er auch gegen grosse Gegner treffen kann.
Zu reden gaben aber nicht diese beiden Patzer, sondern der Penalty, der in der 94. Minute zum entscheidenden 3:1 führte. Einen Schuss von Diogo Dalot prallte PSG-Verteidiger Presnel Kimpembe an die Hand. Schiedsrichter Damir Skomina entschied zunächst auf Eckball, bekam vom VAR aber den Rat, sich die Szene noch einmal anzuschauen. Nach dem Video-Studium entschied er schliesslich auf Penalty, den Marcus Rashford souverän verwandelte.
Natürlich sorgte die Last-Minute-Entscheidung für hitzige Diskussionen. Im Pariser Lager haderte man mit dem späten Knockout. Während Neymar seiner Empörung über den Entscheid freien Lauf liess, gab sich Trainer Thomas Tuchel etwas zurückhaltender. Doch auch bei ihm war der Frust unüberhörbar.
Auf der Insel wurde der Penalty logischerweise deutlich weniger thematisiert, zu süss schmeckte das unverhoffte Weiterkommen des englischen Rekordmeisters. In seiner Kolumne in der Daily Mail sprach der ehemalige englische FIFA-Schiedsrichter Mark Clattenburg aber Klartext: «Für mich ist das niemals ein Penalty, da Kimpembe den Ball nicht absichtlich mit der Hand spielte. Der Spieler dreht sich weg und versucht, seinen Arm wegzuziehen. In der Premier League würde so was nie gepfiffen werden.»
Dennoch verteidigte der EM-Final-Schiedsrichter von 2016 seinen Kollegen Skomina: «Lassen Sie mich klarstellen. Damir hat nichts falsch gemacht, er hat nur die Regeln der UEFA angewandt.» Laut Clattenburg hat der europäische Fussballverband seinen Unparteiischen unlängst die Anweisung gegeben, Handspiele im Strafraum rigoroser zu ahnden. Die UEFA wolle, dass gepfiffen wird, wenn der Arm «in einer unnatürlichen Position» ist.
Grund für die Anweisung sei das Handspiel von ManCity-Verteidiger Nicolas Otamendi im Achtelfinal-Hinspiel in der Königsklasse vor zwei Wochen gegen Schalke gewesen. Damals hatte es für ein ähnliches Vergehen wie das von Kimpembe gestern ebenfalls Elfmeter gegeben.
Bei BT Sport wurde die Penalty-Szene ebenfalls genau unter die Lupe genommen. Der ehemalige Premier-League-Schiedsrichter Peter Walton erklärte zunächst, warum es gemäss FIFA-Regeln ein Penalty war: «Er dreht sich ab und übernimmt so keine Verantwortung, wohin der Ball prallt. Der Arm ist draussen und er macht seine Körperfläche damit grösser. Für mich ein klarer Penalty.»
Doch dann schaltet sich Experte Rio Ferdinand ein: «Versteht mich nicht falsch. Ich freue mich, dass es ein Handspiel war», so die ManUnited-Legende. «Aber ich verstehe es nicht. Die Arme eng am Körper zu halten, ist keine natürliche Haltung. Sie leicht draussen zu haben, das ist natürlich. Für mich war das kein Handspiel.» Auch für Michael Owen nicht: «Nicht in Millionen Jahren ist das ein Penalty.»
"They need to get football people on that panel!"
— Football on BT Sport (@btsportfootball) 6. März 2019
Referee Peter Walton explains why VAR made the correct decision to award a penalty...
Safe to say the panel of former players don't agree! 😂 pic.twitter.com/GXMCYxHVko
Walton entgegnete, dass die Regel nun halt einmal anders laute und das regelbestimmende International Football Association Board IFAB an einer Modifizierung der Regeln arbeite. Am letzten Wochenende wurde Folgendes entschieden:
Ab 1. Juni sollen die neuen Regeln in Kraft treten. Ferdinand und Owen dürften keine Freude daran haben. Und auch Owen Hargreaves, der dritte BT-Sport-Experte nicht. Er forderte, dass ehemalige Fussballer die Regeln im IFAB mitbestimmen sollten, denn: «Vielleicht sind die Regeln einfach falsch.» Momentan bestimmt ein achtköpfiges IFAB-Gremium, das aus vier Vertretern der vier britischen Verbände und vier FIFA-Mitgliedern besteht, die Regeln.