Warum geht der Mensch zum Fussball?
Der klassische Fan sagt:
Um meine Mannschaft siegen zu sehen.
Der Ultra sagt:
Um meine Mannschaft zu supporten.
Der Cüpli-Fan sagt:
Um unterhalten zu werden.
Die philosophische Frage, weshalb wir ins Stadion pilgern, lässt sich nicht einfach beantworten. Zuschauer haben unterschiedliche Ansprüche an etwas, das ihnen viel Geld wert ist. Wohl unbestritten ist, dass jeder im Stadion eine «gute Stimmung» schätzt. Wie auch immer die definiert wird.
Bei Klubspielen ist es so, dass organisierte Fans die Stimmungsmache übernehmen. Sie haben Pauken, manche Trompeten, sie stimmen Gesänge an, feiern eigene Spieler und pfeifen gegnerische aus. Je besser, je intensiver, je spannender ein Match, umso besser ist auch die Stimmung. Fans und Spieler treiben sich im Idealfall gegenseitig an.
Und bei der Nati? Da gibt es die organisierten Fans nicht in diesem Ausmass. Schliesslich sind die Spiele mal in Basel, dann in Luzern oder Zürich. Man sitzt oft dort, wo man gerade ein Ticket ergattert hat und nicht stets im selben Block. Zuschauer werden von Sponsoren eingeladen, sind vielleicht nur ganz selten beim Fussball.
Darunter leidet die Stimmung. Oft und seit Jahren kritisieren Schweizer Fussballfans, dass die Ambiance an Länderspielen selten richtig gut ist und nicht an Klubspiele herankommt. Ausnahmen wie bei einer erfolgreichen Turnier-Qualifikation bestätigen die Regel.
Was also tun? Der Schweizerische Fussballverband lädt seit Jahren Guggenmusiken an Heimspiele ein, die für Stimmung sorgen sollen. Der Verband ist mit dem Ergebnis zufrieden – nicht so die Fans. Auf Twitter ist diese Art der Unterstützung beim 3:0-Testsieg gegen Liechtenstein der grosse Aufreger.
Sigi Michel, der «Trompeten-Sigi», ist der wohl bekannteste Supporter der Schweizer Nati. Er hat seit 1986 keine WM verpasst und ist bei jedem grossen Länderspiel der Schweiz anzutreffen. In Thun war der Ober-Fan gestern nicht, «ich muss nicht mehr an jedes Freundschaftsspiel», sagt er.
Im Gespräch mit watson kritisiert «Trompeten-Sigi» die Guggenmusiken: «Sie spielen zu lange. Die Pausen zwischen den Stücken müssten länger sein.» Er betont aber, dass es ihm grundsätzlich gefalle, wenn eine Guggenmusik im Stadion sei. «Ich weiss es ja von mir: Wenn man eine Melodie anstimmt, dann machen die Leute gleich mit. Es gibt schon eine gute Stimmung.»
Das Problem mit der Stimmung, die bei Länderspielen oft nicht so gut ist wie bei Partien der Super League, wurde erkannt. Dem Verband ist zugute zu halten, dass er versucht, an diesem Umstand etwas zu ändern. Aber ob die Einladung von Guggenmusiken die richtige Lösung ist?
Solange es keine wirklich gut organisierten Nati-Fans gibt, die sich der Stimmungsmache annehmen, solange wird wohl auch von Fasnachts-Fanatikern getrötet werden. Denn eine «gute Stimmung» ist das A und O, ein Spiel ist schliesslich längst kein Spiel mehr, sondern ein Event der Heiterkeit. Sponsoren wollen nicht mit einer Beerdigungs-Atmosphäre in Verbindung gebracht werden.
Die Fans haben es in der Hand, die von ihnen ungeliebte Guggenmusik aus dem Stadion zu jagen. Indem sie sich organisieren, indem sie versuchen, die positiven Seiten der Ultra-Kultur auch bei der Nati auszuleben. Bestimmt stünde der um eine gute Stimmung bemühte Verband zur Seite. Das böte zugleich die Chance, den seit Jahren offenbar einzigen und überaus kreativen Schlachtruf «Schwiizer Nati, Schwiizer Nati, Schwiizer Nati olé olé» durch andere Gesänge zu ersetzen …
Aber nein, sie spielen an jeder "Hundsverlochete" und der Verband bietet sie zu allem Überfluss auch noch auf. Vielleicht sollte man die älteren Herren Funktionäre darauf aufmerksam machen, dass Guggen nicht mehr so cool sind. Da waren mir die unsäglichen Steel-Bands noch fast lieber... und Vuvuzelas auch ;-)