«Gattuso hasst meine Augenbrauen. Als er zum ersten Mal bemerkte, dass ich sie gezupft hatte, wurde er wütend.» Diese Aussage machte Stephan El Shaarawy zu Milan-Zeiten gegenüber der «Sport Bild». Dem damals 20-Jährigen war sein Aussehen schon immer wichtig. Nicht nur mit seinen Augenbrauen, auch mit anderen Haaren eckt der Nationalspieler regelmässig an. Silvio Berlusconi, der Präsident der AC Milan, sagte einst: «Es wäre grossartig, wenn er endlich mal seine Frisur ändern würde.»
Nun denkt sich der Fussballfan wohl, dass Stephan El Shaarawy sein Beauty-Fimmel in Mailand zum Verhängnis wurde, er deshalb scheiterte und in Monaco seine Karriere neu lancieren möchte. Da irrt sich der gängige Supporter jedoch gewaltig.
Der «kleine Pharao», wie er in der italienischen Modemetropole genannt wurde, hatte zu besten Zeiten bei Milan eine höhere Torquote als Zlatan Ibrahimović und stieg zum Nationalspieler und Publikumsliebling auf. El Shaarawy dribbelte seinen Gegnern Knoten in die Beine, überzeugte mit einer perfekten Ballkontrolle und hervorragender Übersicht. Der junge Italo-Ägypter liess die Gesichter der Tifosi mehr strahlen als diejenigen der Zahnpasta-Models auf Mailänder Plakaten.
Zu El Shaarawys Leidwesen gehören Verletzungen aber seit jeher genauso zur Karriere des jungen Fussballers wie Pinzette und Haargel. Knieprobleme, Muskelfaserriss, Mittelfussbruch, Entzündung, Mittelfussbruch. Selbst die intensivste Session beim Lieblingscoiffeur dauerte nicht annähernd so lange, wie sich seine Verletzungsmisere hinzog.
Stephan El Shaarawy kommt gelegen, dass die AS Monaco ihre Transferpolitik grundlegend verändert hat, aus Löwenmähne wurde Glatze, um beim Schönheitsvokabular zu bleiben. Ansonsten wäre ein Transfer des verletzungsanfälligen Stürmers wohl nicht zustande gekommen.
Wurde noch vor zwei Jahren mit Transfers nur so geprotzt – die Monegassen investierten in Falcao, James Rodríguez, João Moutinho und Co. über 150 Millionen Euro –, liegt der Fokus nun auf der Jugend. Präsident Dmitri Rybolowlew, der steinreiche Russe hatte den Verein 2011 in der Krise übernommen, änderte seine Meinung und sein Vize Vadim Vasilyew verkündete unlängst: «Wir setzen vor allem auf Spieler aus der eigenen Akademie und junge Talente, die wir sorgfältig gescoutet haben.»
Ob der Paradigmenwechsel bei Monaco damit zu tun hat, dass Dmitri Rybolowlew seiner Ex-Frau nach der Scheidung 584 Millionen Euro überweisen muss (zunächst war von 4,5 Milliarden Euro die Rede) ist nicht bekannt.
Die generalüberholte AS Monaco ist nun also das neue Zuhause von Stephan El Shaarawy, der 22-Jährige ist für ein Jahr von der AC Milan ausgeliehen. Einfach wird es für den modisch nach wie vor höchst interessierten Jüngling allerdings nicht. Monaco gehört wieder zu den Grossen in Europa, in der vergangenen Champions-League-Saison scheiterten die Monegassen auch durch viel Schiedsrichter-Pech erst im Viertelfinale am späteren Finalisten Juventus Turin. Auch El Shaarawy ist klar, dass die Young Boys für seinen neuen Arbeitgeber auf dem Weg in die Champions League nur ein Zwischenhalt sein können. «Wir wollen unbedingt in die Champions League, das ist gar keine Frage.»
Bei den Bernern ist der Respekt vor Monaco gross, «sie spielen taktisch nahezu perfekt» sagt Steve von Bergen, der Captain der Young Boys. Und trotz der Tatsache, dass die Monegassen klarer Favorit sind, würde ein Scheitern den YB-Baum nach dem verpatzten Saisonstart in der Super League noch mehr zum Brennen bringen. Von Bergen fordert daher: «Zweimal 90 Minuten abwarten bringt nichts. Wir müssen mutig sein und unsere Chance packen.»
Stephan El Shaarawy steht heute Abend im Stade de Suisse wohl noch nicht in der Startformation, sollte er seine Mission bei Monaco jedoch erfüllen, wird sich keiner daran stören, wenn er auch im Fürstentum die kompetentesten Beautysalons aufsucht.