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Ausser Mord und Totschlag ist beim Ashbourne-Derby fast alles erlaubt

Bild: Getty Images Europe
Nichts für Zartbesaitete

Ausser Mord und Totschlag ist beim Ashbourne-Derby fast alles erlaubt

Blut, Schweiss und Tränen. Wie jedes Jahr an den zwei Tagen um Aschermittwoch steigt im englischen Ashbourne das älteste Volksfussball-Derby der Welt. Die Lokalrivalen von beiden Seiten des Flusses Henmore kämpfen erbittert um jeden Meter. Die Regeln lassen sich fast an einer Hand abzählen.
05.03.2014, 16:1924.06.2014, 13:27
Alex Dutler
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Die aktuell gültigen Spielregeln der FIFA sind 143 Seiten lang. Darüber können die Teilnehmer beim «Ashbourne Royal Shrovetide» nur lachen. Bei diesem Wettkampf, der seit mindestens 850 Jahren im Herzen von England ausgetragen wird, versuchen zwei verfeindete Gruppen auf einem Spielfeld von fünf Kilometern Länge den Ball aus Kork ins gegnerische Tor zu transportieren. Dabei sind ganze sechs Regeln in Stein gemeisselt. Der Rest ist Mut, Chaos und pure Muskelkraft.

Die sechs Spielregeln beim «Ashbourne Royal Shrovetide»
• Das Begehen von Mord und Totschlag ist verboten. Unnötige Gewalt ist verpönt.
• Der Ball darf nicht auf Friedhöfen, Gräbern und Gedenkstätten gespielt werden
• Der Ball darf nicht mit einem motorisierten Fahrzeug bewegt werden.
• Der Ball darf nicht in einer Tasche, einem Mantel oder einem Rucksack versteckt werden.
• Ein Tor wird nur dann als gültig betrachtet, wenn der Ball drei Mal hintereinander eines der Tore (eine der Steinpyramiden) berührt.
• Das Spiel endet um 22 Uhr, danach wird der Ball zurückgebracht.

Die Spieler kämpfen mit fast allen Mitteln um das Objekt der Begierde. Bild: Keystone

Der Norden gegen den Süden

Gespielt wird zwischen den «Up’ards» und den «Down’ards» – den nördlich des Fluss geborenen Teilnehmern und denen von der Südseite. Die Anzahl der Spieler ist unbegrenzt, in den letzten Jahren waren es bis zu 3000 mutige Athleten. Wer dem Spektakel als Tourist beiwohnen will, kann fast sicher sein, dass die beiden Teams ihn als auswärtige Verstärkung anwerben möchten.

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Kicken, Werfen, Keilen

Im Gegensatz zum Fussball darf der Ball mit allen Körperteilen gespielt werden – also auch mit der Hand. Meistens balgen sich im Kern des Geschehens etwa 20 Spieler mit vollem Einsatz um das Spielgerät. Der Rest versucht den ganzen Pulk in die Richtung des Gegners zu schieben, oder spekuliert mit etwas Abstand auf einen langen Pass. 

In der Breite hat das Spielfeld keine Grenzen. Die Teilnehmer versuchen den Ball auf der Strasse, im Fluss oder den sumpfigen Hügeln vorwärts zu treiben. Bild: Getty Images Europe

Nichts für Zartbesaitete

Das tönt zivilisierter als es wirklich ist. Die Beobachtung eines französischen Besuchers, welchen das Spiel 1829 schockierte, gilt bis heute: «Wenn die Engländer diese Tätigkeit ein Spiel nennen, dann ist es unmöglich zu sagen, was für sie eine Schlägerei ist.»

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Dieser Teilnehmer hat einige Schrammen abbekommen.Bild: Getty Images Europe

Gfrörlis müssen zuhause bleiben

An beiden Tagen dauert das Spektakel von 14 bis 22 Uhr. Nicht selten verlagert sich das Spielgeschehen während dieser acht Stunden trotz frostiger Temperaturen in den Fluss. Die guten Schwimmer hoffen hier auf einfacheren Raumgewinn als an Land.

Am Ufer liegt Schnee und im eiskalten Wasser prügeln sich die Gegner um den Ball.Bild: Getty Images Europe

Der Ehrenkodex vor dem Tor

Die Tore werden von zwei Steinpyramiden auf beiden Seiten der Stadt markiert. Wer den Ball hier drei Mal anschlagen kann, hat einen Treffer für seine Mannschaft erzielt. Sogar wenn sie dazu Gelegenheit hätten, ist dies für Auswärtige aber nicht unbedingt empfehlenswert. Es gilt unter den Einheimischen als grosse Ehre, im «Ashbourne Royal Shrovetide» ein Tor zu erzielen. Deshalb werden hier in der entscheidenden Phase diejenigen Teilnehmer vorgelassen, welche sich im vergangenen Jahr um ihren Stadtteil verdient gemacht haben.

Wer in Ashbourne ein Tor erzielen möchte, muss auch an ihm vorbei. Viel Glück! Bild: Getty Images Europe

Eine gepflegte Prügelei unter Freunden

In früheren Jahren kam es auch schon vor, dass vor dem Tor eine Massenkeilerei unter den eigenen Mannschaftsmitgliedern ausbrach, weil man sich nicht auf einen Torschützen einigen konnte. Ebenfalls legendär ist die Geschichte einer ganzen Rugbymannschaft aus Nottingham, welche sich zum Ziel gesetzt haben soll, einen Treffer in Ashbourne zu erzielen. Kurzerhand haben sich die Einheimischen beider Seiten verbrüdert und die Eindringlinge aus dem Dorf geprügelt.

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So wild geht es beim «Royal Shrovetide Derby» zu.Video: Youtube/bigtimefilms
Die Hymne des «Royal Shrovetide Derbys»
Two towns, that long that war had raged

Being at football now engaged

For honour, as both sides pretend,

Left the brave trial to be ended

Till the next thaw for they were frozen

On either part at least a dozen,

With a good handsome space between 'em

Like Rollerich stones, if you've seen 'em

And could no more run, kick, or trip ye

Than I can quaff off Aganippe.

'Tis a glorious game, deny it who can

That tries the pluck of an Englishman.

For loyal the Game shall ever be

No matter when or where,

And treat that Game as ought but the free,

Is more than the boldest dare.

Though the up's and down's of its chequered life

May the ball still ever roll,

Until by fair and gallant strife

We've reached the treasur'd goal.
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