Alex Dutler: Die erste Hauptrunde hat das Problem des Schweizer Cups wieder einmal eindrücklich illustriert: Kein einziger richtiger Favoritensturz, es herrscht das grosse Gähnen! Nur Thun und YB mussten zittern, der Rest der Super League überfährt seine unterklassigen Gegner – und das geht schon seit Jahren so. Wer erinnert sich überhaupt noch an das letzte richtige Cupmärchen, bei dem ein krasser Underdog in den Halbfinal und weiter gestürmt ist?
Traurig aber wahr: In der Schweiz fehlt einfach die Leistungsdichte für dieses Format. Anders in Deutschland, wo bis in die 3. Liga Vollprofibetrieb herrscht. Dort straucheln Jahr für Jahr Bundesligisten schon in den ersten Runden und viele Partien haben Überraschungspotential. Im Vergleich dazu ist unser Cup ein schlechter Witz. Sportlich betrachtet, könnte man ihn problemlos abschaffen.
Ralf Meile: Das sehe ich anders. Sportlich ist der Cup absolut wertvoll – für den grossen Rest der Super League, der dem FC Basel hinterher hechelt. Die ersten zwei Runden sind geschenkt, danach braucht es ab dem Achtelfinal nur noch vier Siege, und man hat einen Titel gewonnen.
Natürlich darf man sich handkehrum keinen Ausrutscher leisten – aber den Cup gewinnt man viel eher als die Meisterschaft. Zudem gehört dieser Wettbewerb ganz einfach zu unserem Fussball dazu und er hat viel Tradition. Es wäre sehr schade, diese Geschichte zu ignorieren und den Cup abzuschaffen.
Alex Dutler: Wie viel Geschichte kann ein Wettbewerb denn überhaupt haben, wenn er alle paar Jahre einen neuen Namen trägt? Tradition hatte der Cup der Cupsieger übrigens auch – und trotzdem ist ihm passiert, was einem lahmen Gaul eben passiert: Er wurde eingeschläfert. Wer nur mit der Historie argumentiert, der hat sowieso schon verloren. Die Welt verändert sich, das muss man akzeptieren. Heute ist auch die zweite und dritte Garnitur der Profiklubs derart hochgezüchtet, dass die Amateure keinen Stich mehr haben.
Und weil die Spielrunden unbedingt am Wochenende sein müssen, damit die Dorfklubs die Organisation überhaupt stemmen können, gehen im Spielkalender der Super League wichtige Termine verloren. Das führt dann dazu, dass wieder im Februar bei minus 15 Grad Fussball gespielt werden muss.
Ralf Meile: Hier geht es in meinen Augen auch darum, als Grossklub etwas zurückzugeben. Wo spielen denn die meisten Fussballer zum ersten Mal in einem Klub? Kaum direkt bei Basel, sondern irgendwo bei einem Provinzklub. Die Grossen sollen sich den Kleinen, den Ausbildern, gegenüber, ruhig dankbar zeigen. Und wer den Sprung nach oben nie geschafft hat und ein Leben lang Hobbyfussballer bleibt, erhält so ein «Spiel des Lebens». Weniger talentierte Jugendliche sehen zudem, dass man mit Glück vielleicht doch einmal gegen Basel oder GC spielen kann.
Alex Dutler: Sorry, aber wenn ich nur ein mittelmässiger Gitarrist bin, dann werde ich auch nie bei den Rolling Stones mitspielen – so ist nun einmal das Leben. Ausserdem ist die Nachwuchsförderung der Grossklubs mittlerweile derart professionalisiert, dass sie die Talente extrem früh abgreifen und dann den grössten Teil der Ausbildung tatsächlich selbst übernehmen. Die romantische Geschichte vom Spieler, der bis 21 im Dorfklub kickt und dann die Super League erobert, ist zusammen mit Beni Huggel in Rente gegangen. Das ist doch alles nur noch Folklore, so wie der gesamte Cup.
Ralf Meile: Folklore ist ein sehr gutes Stichwort. Oft sind die Cup-Besuche der Grossen mit einem Dorffest verbunden. Der Turnverein hilft beim Aufbau der Tribünen, der Metzger freut sich über das Geschäft des Jahres, das Resultat wird nebensächlich. Am Ende freuen sich Dorf und Klub über einen Höhepunkt im Vereinsleben, der daneben auch noch ein paar tausend Franken in die Kassen spült.
Alex Dutler: Für ein gepflegtes Fest bin ich immer zu haben. Doch der finanzielle Zustupf für die Amateur-Klubs ist ja mittlerweile auch Geschichte. Frag mal Marco Longo, den Präsidenten von Basel-Gegner CS Italien aus der 2. Liga. Der hatte zehn Minuten nach der Auslosung einen Anruf von der Polizei und musste 17’000 Franken für das Sicherheitskonzept auftreiben. Da musst du eine Menge Bratwürste verkaufen, um das wieder einzuspielen. Ausserdem ist der Cup insgesamt ein Defizitgeschäft für den Verband, hast du das eigentlich gewusst? Kein Wunder, wenn mittlerweile nicht einmal mehr der Final ausverkauft ist.
Ralf Meile:
Das wäre kein Problem, wenn sich der FC St.Gallen im nächsten Frühling nach 17 Jahren endlich wieder einmal für den Cupfinal qualifiziert. Die Tickets wären restlos ausverkauft, versprochen!Alex Dutler: Ja, und ihr bringt eure Bratwürste dann auch gleich selber mit.