Am heutigen Mittwochabend (18.45 Uhr) startet für YB das vierte Champions League-Spiel dieser Saison. In Gelsenkirchen treffen sie allerdings nicht auf den eigentlich dort ansässigen FC Schalke 04, sondern auf den ukrainischen Vertreter Schachtar Donezk.
Aufgrund des anhaltenden Ukrainekrieges trägt der Klub seine Spiele der Champions League im deutschen Ruhrpott aus. Bereits in der letzten Saison wurden die Heimspiele in der Königsklasse von Schachtar in Deutschland ausgetragen. Damals im Volksparkstadion in Hamburg.
Die Heimspiele in der Liga trägt der 15-fache ukrainische Meister im Westen des Landes in Lwiw aus. Vor dem Kriegsbeginn im ganzen Land wurden die Spiele noch in Kiew ausgetragen. Mittlerweile ist es aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich.
Die UEFA verbietet seit dem Kriegsausbruch europäische Spiele in der Ukraine. Dadurch ist Schachtar Donezk gezwungen, andere Standorte zu suchen. Nun fiel also der Entscheid auf die Veltins-Arena in Gelsenkirchen. Matthias Thillmann, Vorstandsvorsitzender von Schalke, freut sich über die Partnerschaft:
Auch der Generaldirektor von Schachtar Donezk, Sergei Palkin, ist glücklich darüber, die Spiele wieder in Deutschland austragen zu dürfen:
Die Regionen Donezk und Gelsenkirchen verbindet eine lange gemeinsame Geschichte in der Bergbau-Industrie. Dies sprach auch Schachtar-Trainer Marino Pusic im Vorfeld des ersten Heimspiels gegen Atalanta Bergamo an: «Es ist ein grossartiges Stadion, ein Klub mit einer grossen Geschichte. Wir haben viele Gemeinsamkeiten wie die Bergbau-Historie. Wir sind dankbar, dass wir hier sind.»
Es werden dieses Jahr nicht ganz so viele Fans wie im letzten Jahr in Hamburg erwartet, aber besonders beim Spiel im Dezember gegen Bayern München erhoffen sich die Verantwortlichen beider Mannschaften ein gefülltes Haus. Für die Spieler des ukrainischen Vertreters ist es trotzdem eine schöne Geschichte, nicht in einem leeren Stadion die Heimspiele auszutragen, sondern wie gegen Atalanta vor über 21'000 Zuschauern.
Seit dem Ausbruch des Krieges im Jahr 2022 können Spieler aus Russland und der Ukraine ablösefrei in ein anderes Land wechseln. Sergei Palkin äusserte sich öffentlich durchaus verärgert über diese Regelung, auch weil sie bis in das Jahr 2025 verlängert wurde, obwohl der Fussballbetrieb in der ukrainischen Liga weiterläuft. Das grösste Problem für Palkin in dieser Situation ist das finanzielle:
Aus Sicht von Palkin werden die ukrainischen Teams in der Transfer-Debatte genau gleich behandelt wie die russischen Teams. Ein weiteres Problem war, dass noch Transferzahlungen an andere Teams ausstanden, als sich die FIFA bei Schachtar meldete. Daraufhin antwortete Palkin: «Leute, wie soll ich das bezahlen, wenn ihr unsere Spieler ablösefrei gehen lasst und wir kein Geld einnehmen können?»
Seit zehn Jahren spielt Schachtar nicht mehr im eigenen Stadion. Die Donbass Arena wurde 2009 eröffnet und an der Europameisterschaft 2012 wurden insgesamt fünf Spiele ausgetragen, unter anderem das Halbfinale zwischen Spanien und Portugal.
Im September 2014 wurde das Stadion nach zwei Bombenexplosionen in unmittelbarer Nähe stark beschädigt und konnte bisher nie vollständig renoviert werden. Seither hat Schachtar an über zehn verschiedenen Standorten ihre Heimspiele bestritten.
Über Jahre wurde die eigentliche Heimstätte von Donezk als Hilfsgüterausgabe genutzt. Im Stadion hätten über 50'000 Zuschauer Platz. Von der UEFA erhielt das damals hochmoderne Stadion eine Fünf-Sterne-Bewertung und gehört damit in die höchste Stadion-Kategorie und wäre somit für die Austragung von einem Champions League-Finale zugelassen.
Als die Russen im Februar 2022 den Angriff auf die gesamte Ukraine starteten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schachtar nach Donezk zurückkehren kann, stark gesunken und es ist kein Ende in Sicht für das heimatlose Team. Zu Beginn des Angriffskriegs kam es zum nächsten Schock für das Team. Ein Nachwuchstrainer wurde von einer russischen Granate getroffen und verstarb daraufhin.
Trotz des Krieges wurde der Ligabetrieb in der Ukraine im August 2022 wieder aufgenommen. Immer wieder müssen die Spiele aufgrund von Bombenalarmen unterbrochen werden und müssen die Spieler und Mitglieder des Staffs in einen Luftschutzbunker, bis die Gefahr vorbei ist. Jedes Stadion, welches aktuell zugelassen ist, muss in unmittelbarer Nähe über einen Bunker verfügen.
Seit fast dreissig Jahren ist der ukrainische Milliardär Rinat Achmetow Präsident bei Schachtar. Achmetow gilt als reichster Ukrainer. Als im Januar 2023 der ukrainische Superstar Mychajlo Mudryk für 70 Millionen von Donezk nach London zum FC Chelsea wechselte, teilte der Präsident mit, dass 25 Millionen davon an ukrainische Soldaten und ihre Familien fliessen würden. Auf der Website des Vereins teilte Achmetow damals mit:
In der Champions League konnte Schachtar Donezk bisher einen Punkt sammeln. Gegen den FC Bologna erkämpften sich die Ukrainer einen Punkt. In den darauffolgenden zwei Spielen gab es gegen Atalanta Bergamo und Arsenal eine Niederlage. Nun treffen sie heute auf die Berner Young Boys. Für beide Teams ist ein Sieg schon fast Pflicht, wenn man von der K.-o.-Phase weiterträumen möchte.
Der grösste Traum für Schachtar Donezk bleibt allerdings, irgendwann zurück in die Heimat zurückzukehren und nicht mehr von Stadion zu Stadion zu wandern.