Im Herbst eilte es. «Wir wollen keine Zeit verlieren», sagte Peter Gilliéron, Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV). Der Mann für das neue Amt des Nati-Direktors sollte möglichst schnell gefunden werden. Und spätestens installiert sein, wenn Gilliéron am 18. Mai zurücktritt. Doch der Posten ist noch immer unbesetzt.
Warum? Weil die ersten Wunschkandidaten – die Sportchefs von YB und Thun, Christoph Spycher und Andres Gerber – abgesagt haben. Aber hauptsächlich darum, weil man in die Aktionismus-Falle getappt ist.
Die Idee hat ihren Ursprung in Russland. Doppeladler-Jubel im Spiel gegen Serbien, verkorkstes Krisen-Management im Nachgang, ernüchternder Auftritt im Achtelfinal gegen Schweden, ein Interview mit abenteuerlichen Aussagen von Generalsekretär Alex Miescher («Ganz oben in der Politik müsste man sich vielleicht fragen: Wollen wir Doppelnationalitäten»).
Später der von Misstönen begleitete Rücktritt von Valon Behrami und das lange Warten auf die Erklärungen von Nationaltrainer Vladimir Petkovic. Nein, der Schweizer Auftritt an der Fussball-WM und die damit verbundene Entrüstung liess den Verantwortlichen keine andere Wahl, als die dunklen Ecken auszuleuchten, Staub aufzuwirbeln, Fragen zu stellen, neu zu denken. Damit beauftragt wurde die Beraterfirma der früheren FCB-Führungscrew Bernhard Heusler und Georg Heitz. Allein damit wurden die Wogen ein Stück weit geglättet.
Heusler/Heitz kamen unter anderem zum Schluss: Die Kommunikation soll verbessert und eine Art vollamtlicher Nati-Direktor installiert werden. Kopfnicken, Konsens. Weder wurde die Dringlichkeit hinterfragt noch die Absicht der SFV-Führung, ob die Operation mehr als nur eine Beruhigungspille fürs Volk sei.
Die Berater wurden beauftragt, eine Longlist von möglichen Kandidaten zu erstellen. Obwohl später Herbst, gerieten viele in Wallung. Der Boulevard hantierte mit allerlei Spekulationen. Kandidaten und andere brachten sich in Position. Und Gilliéron schien viel daran zu liegen, vor seinem Rücktritt als SFV-Präsident am 18. Mai den neuen Mann präsentieren zu können.
Der Verdacht, dass allein ein Spiel, diese ärgerliche Niederlage gegen Schweden, die Führung bewogen hatte, den eigenen Laden einer externen Prüfung auszusetzen, wird Ende Februar genährt. Gilliéron sagte an einem öffentlichen Anlass: «Ein Sieg gegen Schweden, und jede Diskussion hätte sich erübrigt.»
Also auch jene nach einem Nati-Direktor? Oder hat er schlicht eingesehen, dass es wenig Sinn macht, den Nati-Direktor zu ernennen, bevor der neue Präsident gewählt wurde? Schliesslich haben die beiden wesentliche Berührungspunkte. So sollen sie jenem Vierer-Gremium angehören, das dem Zentralvorstand die Wahl des Nationaltrainers vorschlägt.
Vielleicht sind es Signale wie jene von Gilliéron, die die Swiss Football League aufschreckt. Zur Erklärung: Bis dato war es die Liga, die den nebenamtlichen Nati-Delegierten (aktuell Claudio Sulser), also den Vorgänger des vollamtlichen Nati-Direktors, zur Wahl vorgeschlagen hat. Neu will die Liga den Handlungsspielraum des Nati-Direktors ausweiten. Dieser soll nicht nur für das A-Team und die U21 verantwortlich sein, sondern für alle Frauen- und Männer-Nationalteams.
Der Verband indes befürchtet, dass dadurch der Einfluss seines Technischen Direktors beschnitten würde. Kurz: Der Vorschlag der Profis wird von den Amateuren abgelehnt. Der Kompromiss, wie neu in den Statuten festgehalten wird: Der Zentralvorstand kann neben A-Team und U21 die Belange weiterer Nationalteams auf den Nati-Direktor übertragen.
Während Liga und Verband bezüglich Jobprofil auseinanderdrifteten, führten Heusler und Heitz ihren Auftrag weiter. Sie prüften die Kandidaten punkto Qualifikation, Verfügbarkeit und Interesse an einer neuen Aufgabe. Also Evaluation trotz Unklarheit über Pflichten und Aufgaben. Nachdem Spycher und Gerber abgesagt haben, blieben auf der Shortlist Knäbel, Bickel und Sutter übrig.
Gerüchten zufolge soll auf Intervention von Nationaltrainer Vladimir Petkovic auch sein früherer Kollege aus Bellinzona-Zeiten, Marco Degennaro, einen Platz auf der exklusiven Liste der Favoriten gefunden haben. Kürzlich aber hat der Italiener seinen Vertrag als Geschäftsführer beim FC Sion bis 2022 verlängert.
Blieben also Knäbel, Bickel und Sutter. Das war der Stand vor sechs Wochen, und ist auch der Stand heute. «Und das nur, weil sich zwischen Liga und Verband ein politischer Graben aufgetan hat», sagt ein Insider. «Weil es so schnell gehen musste, weil schon Kandidaten gesucht wurden, ehe man sich über Pflichten und Aufgaben einig war, hat sich der Verband selber eine Falle gestellt. Für die Kandidaten, die offenbar schon weit fortgeschrittene Gespräche mit Vertretern des Verbandes geführt haben, ist das eine unmögliche Situation.»
Nun wird erst abgewartet, wer aus dem Trio Alain Joseph Collet (Ex-Lausanne-Präsident, portiert von der Swiss Football League), Kurt Zuppinger (1. Liga) und Dominique Blanc (Amateure) zum neuen SFV-Präsidenten gewählt wird.
Und vielleicht beginnt dann auch die Suche nach einem Nati-Direktor wieder bei null. Gewiss, im Verband will man nach dem 18. Mai die Suche nach dem Nati-Direktor auf der Basis der Shortlist weiterführen. Aber was, wenn sich beim FC St.Gallen die Stimmen gegen Sutter – «bisher gab es kein Signal von Sutter, wonach ihn der Nati-Direktor nicht interessiert», so ein Insider – nicht zu einem Crescendo entwickeln und der frühere Nati-Experte des Schweizer Fernsehens noch diesen Monat sich unmissverständlich zu seinem Arbeitgeber bekennt?
Oder Bickel in der Zwischenzeit ein Angebot (GC? Deutschland?) annimmt? Oder der neue Verbandspräsident einen Einflüsterer hat, der Peter Knäbel, dem Technischen Berater des Verbandes von 2009 bis 2014, nicht gut gesinnt ist? Nun, es gibt auch eine siebt- oder achtbeste Lösung.