Wie viel die Schweizer Fussballer rennen, es war eine Frage, die uns während den letzten EM-Tagen intensiv beschäftigte. Denn auch wenn die zurückgelegte Distanz am Ende nicht über Sieg oder Niederlage entscheidet, sie trägt ihren Teil dazu bei.
Bei der Vorführung gegen Italien liefen die Azzurri beispielsweise 112,4 Kilometer, alle Schweizer zusammen nur 106 Kilometer. Die 6,4 Kilometer Unterschied bedeuten pro Spieler rund 500 Meter weniger Distanz.
Im sensationellen Achtelfinal gegen Frankreich waren es dagegen die Schweizer, welche pro Spieler rund 500 Meter mehr zurücklegten (134 km vs. 139,4 km).
Doch wie sieht es eigentlich im Vergleich mit anderen Sportarten aus? Wie viele Meter legen die Cracks dort zurück? Wir haben acht weitere Teamsportarten und – aus aktuellem Anlass (Stichwort: Wimbledon) – Tennis untersucht.
Da die zurückgelegten Distanzen nicht überall mit der gleichen Genauigkeit wie bei der EM 2020 erfasst werden, sind die Resultate als Annäherung zu verstehen. Aufgrund der zurückgelegten Distanzen auf Anstrengung zu schliessen, wäre falsch. Da zählen noch diverse weitere Faktoren dazu (siehe auch Info-Box).
Für die folgende Balkengrafik wurde jeweils der höchste bekannte Durchschnitt in Metern verwendet. Bei genauem Tracking ist dies bei einem einzelnen Spieler der Fall, ansonsten pro Position oder allen Spielern. Direkte Vergleiche sind mit Vorsicht zu geniessen. Ausführungen zu den untersuchten Sportarten folgen unten.
Heute stehen die ersten beiden Viertelfinals an der EM 2020 an. Auch wieder mit dabei sein wird Remo Freuler, der mit bisher 46,3 zurückgelegten Kilometern an dieser Endrunde der zweitlauffreudigste Fussballer ist, der immer noch im Turnier dabei ist.
Bei der Schweiz schwingt Remo Freuler mit Total 46,3 Kilometern oben aus. Heruntergerechnet auf seine vier absolvierten Partien sind dies 11,6 Kilometer pro Partie – ein starker Wert.
Mehr als Freuler legten bis nach den Achtelfinals nur die schon ausgeschiedenen Marcel Sabitzer (48,7 km), Albin Ekdal (47,2 km) und Spaniens Jungstar Pedri (46,9 km) zurück.
Übrigens: Während der letzten Champions-League-Saison war Phil Foden von Finalist Manchester City der Spieler mit den meisten zurückgelegten Metern. Er rannte pro Spiel im Schnitt 10,3 Kilometer.
Im Tennis werden die Distanzen der Spieler selten genau getrackt oder veröffentlicht. Eine Ausnahme bildet unter anderem das Rekordspiel in Wimbledon 2010 zwischen John Isner und Nicholas Mahut. Während ihrem 11:05-Stunden-Marathon hatten am Ende beide Spieler je rund 9600 Meter zurückgelegt.
Allerdings können die Distanzen je nach Spielart und Spieldauer massiv variieren. So wurden 2007 beim US-Open-5-Satz-Duell zwischen Novak Djokovic und Radek Stepanek grosse Differenzen aufgezeichnet. Während der Serbe «nur» 5600 Meter zurücklegte, spulte Stepanek deren 8000 ab. Gewonnen hat aber Djokovic.
Während diese einzelnen (epischen) Partien herausstechen, wurden in den Jahren 2015 und 2016 auch über eine längere Zeit Daten erfasst. Konkret: bei allen Grand Slams ab den Achtelfinals. Dabei legten die Männer im Schnitt pro Partie rund 2500 Meter zurück (Best-of-5), die Frauen rund 1500 Meter (Best-of-3). Auf einen Satz heruntergerechnet waren es bei Frauen 580 (2015) und 684 Meter (2016), bei den Männern mit 646 (2015) und 708 Metern (2016) etwas mehr.
Die längste in dieser Zeitspanne gemessene, zurückgelegte Distanz wurde bei den Männern am US Open 2016 mit 2795 Metern pro Partie aufgezeichnet.
In der NBA ist Fred VanVleet von den Toronto Raptors für die höchste durchschnittlich zurückgelegte Distanz pro Partie verantwortlich. Der Guard spult im Schnitt 4440 Meter ab, bei einer durchschnittlichen Spielzeit von 36,5 Minuten.
Unser Schweizer Center Clint Capela machte in der Regular Season pro Partie 3500 Meter. Das reicht gerade nicht für die Top 100 der NBA-Spieler mit den meisten zurückgelegten Metern pro Partie. Capela steht auf Platz 101.
Im Handball werden die Distanzen in der deutschen Handball-Bundesliga für jeden einzelnen Spieler gemessen. In der Ende Juni abgeschlossenen Meisterschaft war Lukas Binder mit durchschnittlich 4320 zurückgelegten Metern pro Partie der Marathonmann. Der Linksaussen vom SC DHfK Leipzig ist positionsbedingt viel unterwegs. Den Topwert in einem Spiel lieferte letzte Saison aber Sebastian Damm. Der Flügel des Bergischer HC lief im Spiel gegen Lemgo 5810 Meter.
Andy Schmid, Rückraumspieler bei den Rhein-Neckar Löwen, kam in dieser Saison im Schnitt auf rund 3700 Meter bei rund 41 Minuten Spielzeit pro Partie.
Wir können es schon vorausschicken, weil es offensichtlich ist: Baseballer sind nicht die Sportler, welche für grosse Distanzen bekannt sind. Die Bases sind knapp 30 Meter (90 Feet) voneinander entfernt. Wer also einen Homerun läuft, legt gut 110 Meter zurück. Daten zu zurückgelegten Distanzen zu finden, ist darum auch nicht ganz einfach. Viele berufen sich auf eine Auswertung von Mike Trout 2015.
Mike Trout, der fünfmalige MLB-All-Star, ist einer der grossen Namen in den letzten Jahren des Sports. Der 30-Jährige Centerfielder der Los Angeles Angels of Anaheim erreichte als Batter seit 2012 meist knapp über 300 Bases (inkl. gestohlenen Bases). Pro Saison sind dies rund 9200 zurückgelegte Meter. Auf die Partie heruntergerechnet sind dies etwa 60 Meter. Immerhin ist der Grossteil davon im Sprint. Und Trout macht diese Distanzen als sehr guter Batter. Viele andere Spieler legen also weniger Meter zurück.
Klar, als Centerfielder absolviert Trout in der Defensive weitere Meter. Aber Langdistanzläufer wird kein Baseballer werden.
Auch Footballer legen keine grosse Distanzen zurück. Das liegt zum einen an der effektiven Spielzeit, die gemäss einer Berechnung des Wall Street Journals bei rund elf Minuten pro Partie liegt.
Die laufintensivsten Positionen belegen dabei die Wide Receiver und Cornerbacks. Diese kommen auf eine Distanz von rund 2000 Metern pro Partie. Natürlich nicht viel, aber wenn man bedenkt, dass gleichzeitig elf muskulöse Gegner versuchen, die Läufe um jeden Preis zu stoppen, dann ist es doch wieder nicht so schlecht.
Eine detaillierte Statistik zu den Laufwegen gibt es im Football nicht. Oder zumindest nicht so, dass sie alle zurückgelegten Meter (auch die nicht erfolgreichen) zusammenzählt.
Im Unihockey-Superfinal der Frauen 2019 zwischen Kloten-Dietlikon Jets und Piranha Chur (5:4 n.V.) wurden die Distanzen der Jets-Spielerinnen getrackt. Im Schnitt legten die Spielerinnen in der regulären Spielzeit dabei rund 3600 Meter zurück. Wobei die lauffreudigste Spielerin 5020 Meter absolvierte. Pro Minute Spielzeit sind dies rund 60 Meter.
«Entscheidend ist im Unihockey aber viel mehr die in Sprints zurückgelegte Distanz», sagt Jürg Kihm. Der damalige Cheftrainer der Schweizermeisterinnen war für das Tracking verantwortlich und stellte uns die Daten anonymisiert zur Verfügung. Von den rund 5000 Metern wurden bei dieser Spielerin knapp 900 in hohem Tempo absolviert – auch dies, der Bestwert des Teams.
Aktuell ist Kihm bei den Männern des UHC Uster ebenfalls in der höchsten Spielklasse tätig. Noch fehlen Daten aus Ernstkämpfen. «Aufgrund der Trainings-Daten vermute ich, dass bei den Herren rund 20 bis 30 Prozent mehr zurückgelegt werden.»
Der durchschnittliche Arbeitstag eines Rugbyspielers sieht während einer Partie so aus:
Über die 80 Minuten Spielzeit kommen Stürmer dabei im Schnitt auf eine Distanz zwischen 5000 und 7000 Metern. Verteidiger legen bis zu 7500 Meter zurück.
Auch im Rugby ist aber nicht die totale Distanz entscheidend, sondern vor allem diejenige, welche mit hohem Tempo zurückgelegt wird. Allerdings gibt es dazu keine genauen Statistiken, man rechnet mit den oben erwähnten Angaben.
Von den oben erwähnten Sportarten legten Fussballer die grösste Distanz pro Partie zurück. Aber es wird ja noch Aussie Rule Football gespielt.
So berichtete das australische Sports Entertainment Network vor einem Jahr, dass in der höchsten Liga (AFL) die Spieler pro Partie im Schnitt 12'800 Meter zurücklegten. Den höchsten Schnitt wies North Melbournes Ben Brown mit 15'600 Metern pro Partie aus. Den Saisonrekord stellte gemäss «Champion Data» Andrew Gaff auf. Der Flügelspieler der West Coast Eagles näherte sich mit 17'600 Metern einer Halbmarathon-Distanz.