Kaum war der Entscheid zur Entlassung Raphael Wickys als FCB-Trainer bekannt, entleerte sich die Wut auf den Onlineportalen, den sozialen Netzwerken – und auf der Strasse. Diese richtete sich in den meisten Fällen nicht gegen den soeben Geschassten, sondern gegen die Klubleitung.
Harsch klang es, wenn man sich in der Steinenvorstadt umhörte. Vor dem Restaurant Wulggegratzer erreicht die Stimmung den Gefrierpunkt. Hier ist ein Teil der leicht angegrauten Hardcore-Fans des Vereins fast schon zu Hause. Es sind Stammgäste und nicht nur ihr Bierglas ist gross, sondern auch ihre Expertise.
Fünf gestandene Herren enervieren sich an den Rauchertischen zwischen Abluftventilatoren und Bier, und sie reden von «wir», wenn sie den FC Basel meinen. «Der wohl dümmstmögliche Zeitpunkt!», sagt einer. Namen und Gesicht wollen sie nicht in der Zeitung sehen, sehr wohl aber ihre Meinung. «Entweder macht man sowas am Ende einer Saison oder zur Winterpause, aber sicher nicht jetzt.»
Die Führungsriege um Präsident Bernhard Burgener kommt dabei ziemlich schlecht weg: Ihr schlägt Unverständnis über den Entscheid entgegen. «Solange Streller Sportchef ist, nützt diese Entlassung genau gar nichts», fügt sein Nebenmann an.
Etwas vorsichtiger drücken sich die prominenten FCB-Fans aus, wenngleich auch hier die Sympathien klar verteilt sind: pro Wicky, kontra Streller und Burgener. Eine Allianz schmiedeten am Donnerstag für einmal gar die Politiker von links bis rechts. SP-Nationalrätin Silvia Schenker weilt in Griechenland in den Ferien, bekam aber «sofort» die Entlassung Wickys mit.
«Das hinterlässt einen schalen Nachgeschmack, insbesondere weil Alex Frei jetzt interimistisch übernimmt», sagt sie, die fast jedes FCB-Spiel verfolgt. «Ich frage mich, ob der schlechte Saisonstart wirklich dem Trainer anzulasten, oder nicht ein Produkt ungenügender Kaderplanung ist.» Auf Twitter tritt sie nach: «Ich mag den Herrn Burgener nicht. Gar nicht.»
Der Baselbieter SP-Landrat und Saisonkartenbesitzer Jan Kirchmayr war im ersten Moment «verwirrt» über den Entscheid. «Man hat die ganze Vorbereitung mit Wicky gemacht und jetzt schmeisst man ihn wieder raus.» Jetzt bin ich dafür, dass man Vogel und Fink wieder zurückholt, am besten im Co», sagt Kirchmayr. «Ich finde, es ist ein überhasteter Entscheid», sagt auch LDP-Grossrat und Sportkommentator André Auderset. «Ich habe die beiden FCB-Spiele gesehen. Er hat fantasievoll gespielt, es fehlte lediglich ein Quäntchen Glück.»
Andere prominente FCB-Sympathisanten gehen mit dem FCB hart ins Gericht – und machen sich nach den Entwicklungen der vergangenen Monate Sorgen. Der Basler Stararchitekt Jacques Herzog gehörte vor eineinhalb Jahren noch jenem Gremium an, das den FCB-Machtwechsel begleitete. Jetzt sagt er zur bz: «Es ist unglaublich, was innerhalb eines Jahres mit dem FCB passiert ist. Da stimmt so vieles nicht mehr. Es ging extrem viel verloren, was über Jahre aufgebaut wurde. Da müssen sich viele im Club hinterfragen. Für die Fans ist das nur noch traurig.»
Positiv sei, dass nun Alex Frei interimistisch übernehme. «Er ist der richtige Mann im jetzigen Moment.» Herzog hofft, dass ein «Ruck» durchs Team gehe und das Kader gestärkt werde. «Und zwar mit Klassespielern und nicht nur eigenen Junioren.»
Regisseur und Oscar-Gewinner Arthur Cohn hat für den geschassten Mann an der Seitenlinie zwar Sympathien: «Für ihn tut mir diese Entscheidung leid», sagt er. Aber auch er habe «Vertrauen in die Intuition von Marco Streller und Alex Frei». Es sei gut möglich, dass dieser Schock einen Ruck in der Mannschaft bewirke. «Wicky hat ein grosses Talent bei der Entwicklung von jüngeren Spielern, aber bei der 1. Mannschaft des FC Basel war dies nicht genug», findet Cohn.
Wesentlich weiter geht FCB-Legende Scott Chipperfield auf dem Nachrichtendienst Twitter, in dem er der FCB-Führungsriege Vetterliwirtschaft vorwirft: «Jobs for the boys». Und er meint: «Es ist nicht der FCB, den ich kenne».
Jobs for the boys. Alex, Alex brother, stocker, f frei, signing only Degen players. It’s not the fcb I know.
— Scott Chipperfield (@chippers1975) 26. Juli 2018
Kein Pardon kennen die eingefleischtesten FCB-Fans. «Es haben alle drei nicht den besten Job gemacht: Streller nicht, Burgener nicht und Wicky nicht. Wicky war einfach das schwächste Glied in dieser Kette», sagt Guido Morselli. Er begleitet die Rotblauen als Präsident des Fanclubs St. Jakob seit Jahren. Den Zeitpunkt der Entlassung hingegen findet er richtig: «Jetzt kann man die Mannschaft wieder auf den richtigen Weg bringen.» Das solle Marcel Koller tun: Ginge es nach ihm, wäre der ehemalige Nationalcoach von Österreich der richtige Mann für den schwierigen Job. (bzbasel.ch)
Und was den Herrn Burgener anbelangt: Halt ichs mit Silvia Schenker.
Es tut mir leid um Wicky. Und es tut mir leid um den FCB.