Als Cristiano Ronaldo zwölf Jahre nach seinem Wechsel zu Real Madrid nach Manchester zurückkehrte, wurde er mit offenen Armen empfangen. Manchester United und seine Fans feierten die Heimkehr ihres grossen Helden, der sie in der Saison 2007/08 mit acht Toren zum Champions-League-Triumph geschossen hatte.
Doch nichts von dem, was sich Klub, Spieler und Fans nach dem Transfer von Juventus zurück zu den «Red Devils» erhofft haben, ist eingetroffen. Der Traum, mit dem Portugiesen an frühere Erfolge anzuknüpfen, ist zum Albtraum geworden. Nun rechnet der 37-Jährige mit seinem Klub und den Verantwortlichen in einem Interview mit Piers Morgan bei TalkTV ab und spricht über die «schwierigste Phase» in seinem Leben.
«Ich fühle mich vom Klub verraten», sagt Ronaldo. «Manche Leute wollen mich nicht hier haben.» Dabei handle es sich nicht nur um Trainer Erik ten Hag, sondern auch um «zwei, drei weitere Verantwortliche im Klub». Über den niederländischen Coach hat Ronaldo nicht viel Positives zu berichten: «Ich respektiere ihn nicht, weil er mich nicht respektiert. Wenn man mir nicht mit Respekt begegnet, werde ich der anderen Person ebenfalls keinen Respekt zeigen.»
Ronaldo, der in der letzten Saison noch grösstenteils in der Startformation stand und in 38 Spielen 24 Tore erzielte, sitzt in dieser Saison häufig auf der Bank. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass die Beziehung zwischen ihm und ten Hag nicht die Beste ist. Doch nicht nur ten Hag bekommt Ronaldos Unmut zu spüren.
Bereits in der letzten Saison habe der Stürmer das Gefühl gehabt, dass er unerwünscht sei. Ralf Rangnick, der nach der Entlassung von Ole Gunnar Solskjaer im Dezember 2021 als Interimstrainer übernahm, hätte den Job nie bekommen dürfen, sagt Ronaldo. «Wenn du nicht einmal ein Coach bist, wie willst du Manchester United trainieren?» Rangnick war zuvor zehn Jahre lang nicht als Trainer aktiv gewesen. Ronaldo fügte hinzu: «Ich hatte davor noch nie von ihm gehört.»
Im 90-minütigen Gespräch kritisiert Ronaldo jedoch den ganzen Klub. Dieser sei stehengeblieben, seit er Manchester im Jahr 2009 verlassen hatte. «Der Fortschritt war gleich null. Seit Sir Alex Ferguson gegangen ist, habe ich keine Weiterentwicklung im Klub gesehen. Nichts hat sich verändert.» Weder die Trainingseinrichtungen – sei es der Pool, das Gym, oder die Küche – noch in technologischer Hinsicht. «Der Klub ist nicht auf dem Weg, auf dem er sein sollte.» Trainerlegende Ferguson, der Manchester United von 1986 bis 2013 trainierte, wisse dies besser als alle anderen. «Die Leute, welche die Probleme nicht sehen, wollen sie nicht sehen. Sie sind blind.»
"I feel betrayed."
— Piers Morgan Uncensored (@PiersUncensored) November 13, 2022
EXCLUSIVE: Cristiano Ronaldo tells Piers Morgan he feels like he's being forced out of Manchester United in an explosive interview.
90 Minutes with Ronaldo. Wednesday and Thursday at 8pm on TalkTV.@cristiano | @piersmorgan | @TalkTV | #PMU pic.twitter.com/nqp4mcXHB0
Nach dem sechsten Rang in der letzten Saison steht United aktuell auf dem fünften Platz. Hinter Manchester City, Arsenal, Newcastle und Tottenham. Das dürfe nicht sein, meint Ronaldo. «Ein Klub von dieser Dimension sollte an der Spitze stehen. Doch leider tut er dies nicht.» Dies liege an bestimmten Dingen im Verein, welche verhindern, dass der Klub auf einem Level mit Manchester City, Liverpool oder aktuell Arsenal stehe. Dies sei frustrierend für den 193-fachen Nationalspieler. Denn: «Ich will das Beste für den Klub.» Deshalb ist er auch zurückgekehrt, als Ferguson sich bei ihm gemeldet hatte und ihm sagte, dass er nicht zu Stadtrivale City gehen könne. «Ich liebe Manchester United und ich liebe die Fans. Sie sind immer auf meiner Seite.» Doch der Klub müsse einiges ändern, um zurück auf die Erfolgsspur zu finden.
Weiterhin warf Ronaldo Manchester United vor, ihn nicht genügend unterstützt zu haben, als seine drei Monate alte Tochter im Sommer ins Spital musste. Ronaldo konnte nicht rechtzeitig zum Trainingsstart zurückkehren, weil er lieber bei seiner Familie bleiben wollte. Doch einige Verantwortliche hätten seine Beweggründe angezweifelt. Dies verletzte Ronaldo, der im Frühling mit seiner Partnerin Georgina Rodriguez den gemeinsamen Sohn bei der Geburt verloren hatte. So scheint das Tuch zwischen Ronaldo und der Führungsriege des Premier-League-Klubs endgültig zerschnitten.
Der Zeitpunkt für das Interview scheint mit Bedacht gewählt. In dieser Woche reist Ronaldo mit Portugal zur WM in Katar. Zwar stehen in England bis zur Transferperiode im Januar noch zwei Spiele auf dem Plan, doch könnte Ronaldo den Verein dann verlassen. Bereits im Sommer äusserte er einen deutlichen Wechselwunsch, doch habe United ihm diesen nicht erfüllt. Ein zufriedenstellendes Angebot blieb demnach aus. Durch die offene Kritik dürfte der Anreiz für den Klub, eine Lösung zu finden, aber deutlich grösser geworden sein.