Nur sechs Journalisten wollten an einem Mittwochabend vor knapp zwei Jahren im baufälligen Stade de Tourbillon noch hören, was Vladimir Petkovic bei einer seiner letzten Pressekonferenzen auf Schweizer Boden zu sagen hatte. Der damalige Sion-Feuerwehrmann verabschiedete nach dem 1:3 im Kehrausspiel gegen Luzern jeden einzelnen von ihnen per Handschlag und liess sich Glück für die anstehende Barrage gegen den FC Aarau wünschen.
Was für ein Kontrast zu seinem ersten offiziellen Auftritt als designierter Nati-Trainer heute Mittag im Haus des Schweizer Fussballs. Sieben Fotografen und rund fünfzig Journalisten mit zwölf Filmkameras haben sich in Muri bei Bern in einen Raum gezwängt, um den 50-Jährigen schon drei Monate vor seinem Amtsantritt zu befragen.
So läuft das, wenn einer auszieht und zur Überraschung vieler Experten Italien im Sturm erobert. Als Lazio-Trainer hat sich Petkovic mit dem Triumph in der Coppa Italia in neue Sphären katapultiert. Das italienische Abenteuer nahm zwar ein unschönes Ende, aber es hat Petkovic erst zum valablen Kandidaten für den Posten als Schweizer Nati-Trainer gemacht. Obwohl er erst am 1. Juli das Zepter von Ottmar Hitzfeld übernimmt, will jetzt plötzlich jeder wissen, wie er seine Zeit verbringt.
Pünktlich um 13 Uhr bahnt sich der Schweizer mit bosnisch-kroatischen Wurzeln zusammen mit seinem Assistenten Antonio Manicone einen Weg durch die Menge. Er trägt einen grauen Anzug und blaue Schuhe passend zum Hemd. Alle Augen sind bei diesem stilvollen Auftritt auf ihn gerichtet. Wäre das Publikum ein wenig weiblicher und besser angezogen, könnte man sich glatt in einem Werbespot von Nespresso wähnen. Petkovics optische Ähnlichkeit mit George Clooney ist verblüffend.
Nach einer kurzen aber charmanten Begrüssung stellt Vladimir Petkovic klar, dass er nach diesem Mediengespräch absolut keine Ambitionen hat, sich vor dem 1. Juli in die Belange der Schweizer Nationalmannschaft einzumischen: «Ich beschäftige mich stark mit der Materie, denn ich will bei meinem Amtsantritt sofort bereit sein. Ich sehe derzeit viele Spiele in ganz Europa. Aber Ottmar Hitzfeld hat meine absolute Rückendeckung. Ich werde die WM zuhause vor dem Fernseher verfolgen und mich abseits halten. Jeder Input von meiner Seite könnte zur Polemik werden. Deshalb habe ich noch keinen Kontakt mit den Spielern.»
Das bedeutet nicht, dass Petkovic auf den Austausch mit seinem Vorgänger Ottmar Hitzfeld verzichtet hat: «Wir haben schon miteinander gesprochen. Es war eine ganz lockere und gemütliche Einführung. Ich kann von ihm lernen, denn die Arbeit mit einem Klub und der Nati sind verschieden. Er hat mich über die Abläufe informiert und mir gesagt, wo er am Anfang Probleme hatte. Es wird nicht einfach, sein Erbe anzutreten.»
Der designierte Nati-Trainer geht davon aus, dass er auch nach der WM auf alle aktuellen Kaderspieler zurückgreifen kann: «Ich erwarte keine Rücktritte. Fast alle sind unter 30 Jahre alt und haben den Willen und die Motivation weiterzumachen.» Petkovic betont aber, dass er seine eigenen Ideen und Überzeugungen hat. Diese will er der Mannschaft nach der Amtsübernahme behutsam näher bringen: «Es wird keinen grossen Umbruch geben, wir haben ja nicht viel Zeit für Veränderungen. Das kommt dann alles Schritt für Schritt.»
Danach gefragt, wie die Nati unter ihm auftreten wird, haut Petkovic schon ein erstes Bonmot raus: «Wir wollen immer besser als der Gegner sein. Dafür werden wir organisiert, offensiv und aggressiv auftreten. Egal ob gegen San Marino oder England, die Mannschaft hat genug Selbstvertrauen getankt, um jedes Spiel zu führen.»
Was von diesem ersten Auftritt bleibt, ist das Gefühl, dass Vladimir Petkovic voller Feuer für seine neue Aufgabe ist. Ein halbes Dutzend mal betont er, wie stolz er auf seine Berufung ist. Die Entscheidung fiel ihm leicht: «Ich musste kaum über das Angebot nachdenken. Nach zwei Gesprächen war schon alles klar.» Beste Voraussetzungen dafür, am 1. Juli erfolgreich in die grossen Fusstapfen von Ottmar Hitzfeld zu treten.