Nach dem mageren 1:0-Sieg der Juve und dem torlosen Madrid-Derby hatte mein Vertrauen in begeisterungsfähigen Fussball einen herben Dämpfer erlitten. Da am Mittwoch in einem Spiel keine Ibra- und im anderen eine Bayern-Show bevorstand, habe ich ernsthaft in Betracht gezogen, mir den Handball-Abstiegskracher BSV Bern-Muri gegen Suhr-Aarau zu geben.
Ich habe es nicht getan – und wurde von Porto dafür belohnt.
Nicht nur haben die Portugiesen dem Favoriten ein Schnippchen geschlagen und das Rennen spannend gehalten, ihr Auftritt war auch ein Genuss: Taktisch hervorragend und offensiv eiskalt.
Eine fulminante Startphase mit zwei Quaresma-Toren, die Reaktion der Bayern durch Thiago Alcantara, das Sahnehäubchen von Jackson Martinez: Die Partie bot alles, was das Fussballerherz begehrt. Porto macht's möglich.
In München begeistern seit Wochen und Monaten zwei Übermenschen: Zum einen Welttorhüter Manuel Neuer, der trotz Unterbeschäftigung praktisch jede Prüfung mit Bravour meistert und in einem überragenden Kader viele überragt. Zum anderen Mittelfeldstratege Xabi Alonso, die fleischlich gewordene Passmaschinerie und Strippenzieher im vorbildlichen Bayern-Aufbauspiel.
Porto hat aus den beiden ihre Menschlichkeit herausgekitzelt:
Der sonst so stilsichere Alonso vertändelt als letzter Mann den Ball und verschuldet indirekt ein Tor, ...
... wirkt allgemein fahrig, kann nur einen Bruchteil seiner genialen Pässe an den Mann bringen und schrammt im zweiten Umgang knapp am zweiten Patzer als letzter Mann vorbei.
Der sonst so souveräne Neuer muss geschlagene dreimal hinter sich greifen, verschuldet den ersten Penalty (mit), ...
... und sieht auch bei den zwei weiteren Toren nicht über alle Zweifel erhaben aus. Porto macht's möglich.
Vor dem Spiel ist für die Bayern trotz 200-Millionen-Euro-Lazarett klar: Die Verletzten sind kein Thema. Lamentiert werde nicht, ist der Grundtenor der Münchner Führungsriege.
Nach dem Spiel spuckt Karl-Heinz Rummenigge an der klubinternen Bankettrede ganz andere Töne: «13, 14 Spieler spielen seit Wochen dreimal die Woche, haben gegen Dortmund gefightet, haben gegen Leverkusen 120 Minuten gemacht. Irgendwann kommt der Tag, wo du müde bist und die Beine schwer sind.»
Aber hallo? «Iha sand doch iha», oder nicht? Da sollte man über ein paar Verletzte und ein strammes Programm doch hinwegsehen können.
Während Pep während Rummenigges Monolog jegliche Manieren in den Wind schlägt, trotz Ansprache vom Boss nur vor sich hin starrt und sogar schon mit dem Essen beginnt, soll Dante sich mit seinem Teller sogar aufs Zimmer verzogen haben.
Bankett in Porto: Stars des #fcbayern stärken sich nach Pleite. Enttäuschter Dante nimmt einen Teller mit aufs Zimmer pic.twitter.com/5jxxkJYmti
— Julien Wolff (@julienwolffwelt) 15. April 2015
Der Stolz der Bayern scheint zu bröckeln. Porto macht's möglich.
Kein Ibrahimovic, kein Messi, kein Ronaldo. Der einzige, halbwegs über die Grenzen des Fussballfanatiker-Zirkels hinaus bekannte Spieler, läuft ohne einen einzigen Trainingseinsatz in den Beinen auf.
Kein Wunder natürlich, wenn man seine Superstars haufenweise verhökert. Trotz dieser – gegenüber den Bayern – eindeutig fehlenden Qualität, treten die Portugiesen entschlossen auf, zwingen den deutschen Rekordmeister mit einer aggressiven Spielweise zu ungewohnt vielen Fehlern und nutzen diese eiskalt aus.
Ein ebenbürtiges Duell zwischen einem guten portugiesischen und dem besten deutschen Team: Porto macht's möglich.
Die berühmte Bibelgeschichte macht auch vor dem Fussball nicht Halt: Jeder neutrale Fan sympathisiert doch insgeheim immer mit dem Underdog. Wenn die Grossen die Kleinen schlagen, bleibt das eine Randnotiz, wenn die Kleinen die Grossen bezwingen, bricht kollektive Begeisterung aus.
Gestern ist David dieses Kunststück wieder einmal gelungen. Porto macht's möglich.