Beim Freundschaftsspiel zwischen Kolumbien und Kanada stürmt Mitte Woche in der 82. Minute ein Flitzer das Feld. Die Platzordner sind sofort da, als der Störenfried zu Superstar James Rodriguez rennt.
Und was macht der Kolumbianer? Er winkt ab, hält den Flitzer am Arm, gibt ihm eine Unterschrift und knuddelt ihn sogar noch kurz. Das Publikum jubelt ihm zu, Millionen Fans vor dem Fernseher sind begeistert. James Rodriguez, der Mann mit dem grossen Herz!
Rodriguez ist mit seiner Aktion bei Weitem nicht alleine. Fast täglich tauchen Videos von Fussballern auf, die sich auf dem Feld verständnisvoll und total nahbar zeigen. Vor zwei Wochen war es Ronaldinho, welcher einem Flitzer mitten auf dem Spielfeld das T-Shirt signierte. Ronaldinho, der Mann mit dem grossen Herz!
Besonders herzlich im Umgang mit Flitzern ist Cristiano Ronaldo. Der Weltfussballer umarmte vor Jahresfrist einen Fan auf dem Spielfeld, liess ihn sogar erstaunlich lange etwas ins Ohr flüstern und erntete dafür von allen Seiten viel Respekt. Cristiano Ronaldo, der Mann mit dem grossen Herz!
Sind die Superstars also allesamt einfach nur nett und haben vollstes Verständnis für die Störenfriede? Selbstverständlich nicht. Ohne den Fussballern ihre Menschlichkeit abzusprechen, ihr Verhalten ist vor allem eines: gut fürs Geschäft.
Natürlich wissen Ronaldo und Co., dass in diesen Momenten hunderte von Kameras auf sie gerichtet sind. Eine bessere Plattform, um am eigenen Image zu schleifen, gibt es praktisch nicht. Superfussballer, Menschen mit grossen Herzen!
Auch wenn der herzliche Umgang der Profis mit den Flitzern noch so schön anzusehen ist und schon so manchem Fan der Lebenstraum erfüllt wurde: Dass das «Platz-stürmen-und-Unterschrift-holen» tatsächlich klappt, fördert den Anreiz für weitere Fans, die internationalen Fussballplätze zu stürmen. Wo soll das enden?
Die Vorstellung, Fussballstars seien tatsächlich derart freundlich, ist zwar romantisch, aber auch sehr naiv. Versuchen Sie mal, abseits von Kameras eine Umarmung eines Superstars zu erhalten – es dürfte sehr schwierig werden. Sie müssen also schon aufs Ganze gehen und ein Spielfeld stürmen.
Die Idee, selbst über einen Platz zu flitzen, sollten sie trotzdem schnell wieder vergessen. Da drohen Ihnen nicht nur hohe Geldbussen, sie können auch mit den Fussballern Pech haben: Radoslav Kovac von Spartak Moskau stoppt einen Flitzer mit einer blitzsauberen Grätsche – und bekommt dafür die Gelbe Karte gezeigt.
Sogar Rot sah der Alkmaar-Keeper Esteban Alvarad, als er sich gegen einen Angreifer tatkräftig wehrte. Die Partie gegen Ajax wurde anschliessend abgebrochen, da Alkmaar-Trainer Gertjan Verbeek den Platzverweis nicht akzeptierte.
Um die wohl beste Reaktion auf einen Flitzer zu sehen, müssen wir allerdings die Sportart wechseln. Der Rugby-Spieler Olly Barkley zeigt ein blitzsauberes Tackling. Ich bin sicher: Dieser Mann hat ein ganz grosses Herz!