Ist er das nun, der «Final»? Der Ausdruck fällt diese Woche im Mannschaftstraining des FC Aarau. Stephan Keller wählt ihn bewusst, als er die Ansprache an die Spieler richtet. Er ist als Motivation gedacht, wohl um das letzte kleine bisschen Spannung herbeizuführen. Um zu signalisieren, was auf dem Spiel steht: der erste Rang in der Challenge League. Der Platz, der zum direkten Aufstieg berechtigt.
📆 MATCHDAY, 20.15 Uhr
— FC Aarau (@FCAARAU) April 8, 2022
⚽️ FC Aarau - FC Winterthur
🏟 Stadion Brügglifeld, Aarau
📺 Live-Spiel: «blue Zoom»
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Ganz so endgültig stellt sich die Sachlage freilich nicht dar. Es ist nicht so, dass die Saison nach dem heutigen Abend nicht weitergehen würde. «Bei aller Aufregung: Es sind danach noch sieben weitere Partien zu absolvieren», sagte der ehemalige FCA-Spieler und heutige Winterthurer Assistenztrainer Davide Callà im Gespräch mit dieser Zeitung. Zwischen Übertreibung und Zurückhaltung liegt die Wahrheit – wie oft – in der Mitte.
Bei allem Understatement kann auch Callà nicht von sich weisen, dass das Direktduell von immenser Bedeutung ist für seinen FCW. Im Rennsport können Pole Position und zweiter Platz trotz weniger Hundertstel Unterschied über den Ausgang des Rennens entscheiden. Ähnlich verhält es sich vor diesem 29. Spieltag, weil Aarau (50) und Winterthur (49) nur ein einziger Punkt voneinander trennt. Wer im Saison-Endspurt die besten Vorzeichen auf seiner Seite hat, ist im Vorteil.
Im Spiel der Nuancen könnte die jüngste Form die Richtung weisen. Diese spricht nicht für den FC Aarau, daran ändert auch der 4:3-Sieg gegen Wil in der Vorwoche kaum etwas. Die grösste Schwachstelle ist die Verteidigung. Es ist nicht lange her, da verfügten die Aarauer über die beste Abwehr der Liga. 23 Gegentore nach 24 Runden stellten den Topwert dar. Gleich in elf Spielen blieb der FCA bis dahin ohne Gegentreffer.
Was folgte, war eine Abkehr, die keinem Trainer gefallen kann. Zwei Spieltage in Serie – gegen Schaffhausen und in Winterthur – schlug der Ball vierfach hinter Torhüter Simon Enzler ein. «So ist es grausam schwierig, wenn nicht unmöglich zu gewinnen», konstatierte Stephan Keller nach der Niederlage auf der Schützenwiese – und versprach defensive Berichtigungen. Doch besser wurde es nur bedingt: Zwei Gegentore gegen Yverdon und drei in Wil komplettierten das Total auf 13 Gegentreffer in vier Spielen.
Das derzeitige Problem des FCA ist, dass er zu viele gegnerische Möglichkeiten zulässt. Dies unterstreichen Statistiken des auf Fussballdaten spezialisierten Anbieters Instat. Demnach lagen die Torwahrscheinlichkeiten der Aarauer Gegner in drei der letzten vier Partien bei mindestens zweieinhalb Toren. Nur in Wil wurde der Wert auf unter zwei Tore zurückgeschraubt. In den sechs Spielen davor hielt der FCA die Wahrscheinlichkeit – bis auf zwei Ausnahmen – stets unter einem Tor.
Doch ist dieser FC Winterthur wirklich so viel besser drauf? Kaum. Am Samstag mühte sich die Mannschaft zu einem 2:1-Sieg gegen Stade Lausanne-Ouchy, zudem gibt sie in ungünstigen Momenten immer wieder Punkte ab. Dass der FCW auf dem zweiten Rang rangiert, ist kein Zufall.
Konstanz kann also keinem der beiden Teams zugeschrieben werden. Im letzten Vergleich vor gut einem Monat aber behielten die Winterthurer in einem spielerisch ansprechenden und emotional anspruchsvollen Spiel (mitsamt Becherwurf) die Contenance und siegten 4:2. Nun will Aarau aber Revanche.
Welche Besonderheiten sind heute Abend zu erwarten? Es wird zu einer Partie kommen, in der die beiden Cheftrainer abwesend sind. Alex Frei ist seit Dienstag krank. Er kann deshalb genauso wenig an der Seitenlinie stehen wie Stephan Keller, der gesperrt ist.
Überdies könnten äussere Bedingungen erneut zum Faktor werden. Vergangene Woche war es das Schneetreiben von Wil, nun kündigen sich kräftige Sturmböen und Regenschauer über dem Brügglifeld an. Dies wirkt sich auf das Zuschaueraufkommen aus: Das Spitzenspiel wird nach FCA-Angaben nicht ausverkauft sein. 1800 Tickets setzte der Verein bis gestern Mittag im Vorverkauf ab, hinzu kommen 2200 Saisonkarten.