Es kann schnell gehen im Fussball. Verdammt schnell. Eben noch war der FC Barcelona einer der grössten, wichtigsten und erfolgreichsten Klubs der Welt.
Aber dann verliess im Sommer mit Lionel Messi der beste Spieler den Verein – worauf dieser zu implodieren scheint. In der spanischen Liga gab es in sechs Spielen nur drei Siege, in der Champions League droht das Aus in der Gruppenphase. Zwei Spiele, zwei 0:3-Niederlagen. Und noch schlimmer: In 180 Minuten nicht ein einziger Schuss auf das gegnerische Tor. Nicht. Ein. Einziger.
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— Palmero 🚩🇨🇺🇻🇪🇧🇷 (@Iran_Palma) September 29, 2021
«Bis zum 0:2 hat das Team ein gutes Spiel gemacht», fand Barcelonas Trainer Ronald Koeman. «Der grosse Unterschied ist, dass Benfica die Tore gemacht hat und wir nicht. Wir hatten vier sehr klare Chancen, die die Partie verändert hätten. Wenn du das aber nicht tust und der Gegner mit seinen wenigen Chancen dreimal trifft, dann ist das der entscheidende Unterschied.»
Tatsächlich tauchte Barcelona einige Male gefährlich vor Benficas Tor auf. Aber eben: Die Katalanen brachten es nicht zustande, den Ball am Ende auf den Kasten zu schiessen. Wenn sie abschlossen, dann nur neben das Tor oder drüber.
Er beschwere sich nicht über das Niveau seiner Mannschaft, erklärte Koeman weiter. «Aber es macht natürlich keinen Sinn, das jetzige Team mit dem vor ein paar Jahren zu vergleichen. Das ist so klar wie Wasser.»
Der 58-jährige Niederländer sagte, am Ende sei immer der Trainer der Schuldige. «Doch ich denke, über weite Strecken der Partie war der Matchplan sehr gut. Wir waren nämlich besser als Benfica. Wir waren nicht schlechter – ausser in puncto Effektivität.»
Everyone's favourite so-angry-he-goes-red football pundit Jorge D'Alessandro had a lot to say about Barcelona's loss to Benfica. Enjoy this. It's quite something. pic.twitter.com/V9NLiln13P
— El Chiringuito in English (@ElChiringuitoEN) September 29, 2021
Dass Koemans Job nach dem desaströsen Saisonstart in Gefahr ist, haben selbst die streunenden Katzen auf den Ramblas bemerkt. Der Coach selber sagte zu seiner möglichen Entlassung: «Ich fühle mich unterstützt, sehr unterstützt von meinen Spielern. Und vom Verein? Ich weiss es nicht. Ich weiss nicht, was Barcelona denkt und was sie über meine Zukunft entscheiden werden. Das liegt nicht in meiner Hand.» Angeblich tagt der Vorstand heute Nachmittag, um über die Zukunft des Trainers zu entscheiden.
5 - Barcelona's last five Champions League matches:
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0 wins
1 draw
4 defeats
2 goals
14 goals conceded
Trouble. pic.twitter.com/j0aGgqEJVv
Barças routinierter Kapitän Sergio Busquets hat in seiner langen Karriere schon einiges erlebt. Er wurde Weltmeister, Europameister, gewann zig Meistertitel und die Champions League. Was der 31-Jährige weniger gut kennt: Phasen wie jene, die der FC Barcelona gerade durchmacht. Einfach alles auf den Coach zu schieben, gehe nicht, betonte Busquets nach dem 0:3 in Lissabon: «Es ist einfach, den Trainer zu entlassen. Die Wahrheit ist, dass wir alle für diese Situation verantwortlich sind. Und es ist eine kritische Situation, um ehrlich zu sein», nahm er kein Blatt vor den Mund.
Busquets sprach indes auch davon, dass noch nichts verloren sei. Barça habe zwar nach zwei Spielen noch keinen Punkt, «es ist kompliziert. Wir haben jetzt zwei Spiele gegen Dynamo Kiew, die wir beide gewinnen müssen. Wir müssen positiv bleiben und uns steigern. Es sind noch viele Spieltage vor uns.»
Die spanische Presse ist da weit weniger zuversichtlich. Die Zeitung «AS» titelte auf der Frontseite zum Bild Koemans bloss: «Untergegangen». Die «Mundo Deportivo» sah das Bild eines taumelnden Boxers vor sich: «In den Seilen hängend». Und die «Marca» verglich den stolzen FCB mit einem kaputten Auto: «Totalschaden».
Kapitän Busquets fordert wieder mehr Konzentration im Spiel. «Spiele entscheiden sich in den Strafräumen», weiss er, und sagte, dass «wir dort nicht schlagkräftig genug waren, hinten und vorne nicht.»
Geplagt von einem immensen Schuldenberg hat es die Führung des FC Barcelona um Präsident Joan Laporta, womöglich von vergangenen Erfolgen geblendet, verpasst, für die Zeit nach Lionel Messi zu planen. Nun scheint der Klub zwar nach wie vor viele überragende Fussballer und haufenweise Talente im Kader zu haben, aber keinen Plan.
Der Moment des Messi-Abgangs, von dem jeder wusste, dass er eines Tages kommen wird, kam wohl früher als gedacht. Es droht eine Übergangssaison, in der als Trostpreis maximal der Cupsieg drinliegt.
Damit die Ziele doch höher gesetzt werden können, muss Barcelona rasch besser verteidigen und genauer zielen. Denn der nächste Gegner ist nicht irgendwer: Am Samstag geht es nach Madrid zu Atlético, dem Meister der vergangenen Saison.