Das 1:2 gegen Lausanne-Ouchy hat GC-Trainer Bruno Berner ziemlich zugesetzt:
Berners Brandrede datiert vom 2. September. Danach folgt die zweiwöchige Nati-Pause. Eine ideale Phase, um den Rückstand auf die Konkurrenz zu reduzieren, den man sich laut Sportchef Haas eingehandelt hat, weil man erst spät auf dem Transfermarkt reagiert hat.
Man könnte die Nati-Pause also nutzen, um an den Automatismen zu feilen, physische Defizite aufzuholen, Spielern mit wenig Einsatzzeit in einem oder zwei Tests etwas Praxis zu ermöglichen und vieles mehr. Doch was passiert? Berner gewährt sich und etlichen Staff-Mitgliedern viereinhalb Ferientage.
Das irritiert insofern, weil der Trainer kurz vor dem Abflug in den Kurzurlaub den Willen und die Arbeitseinstellung seiner Spieler infrage stellt. Das macht seine Glaubwürdigkeit brüchig wie vergilbtes Pergamentpapier. Jedenfalls hat schon manch ein Trainer nach einer ähnlichen Episode die Kabine verloren. Und in der Szene wird Berner nun auch der Ruf jenes Trainers anhaften, der Wasser predigt und Wein trinkt.
Clever war das nicht. Doch das sieht Berner anders. «Wir gingen nicht in die Ferien. Die Nati-Pause wollten wir individuell nutzen. Ausserdem hatten wir Personalmangel. Auch deshalb verzichteten wir auf ein Testspiel. Und als wir doch die Möglichkeit sahen, am Mittwoch der zweiten Woche ein Freundschaftsspiel zu bestreiten, war dies nicht möglich, weil Sion den auf Freitag angesetzten Cupmatch nicht verschieben wollte.»
Ob Berner nun viereinhalb Tage in Mallorca war oder nicht, lassen wir mal so stehen. Fakt ist: Er hat viereinhalb Tage lang nicht mit dem Team gearbeitet. Aber Personalmangel und Freitagsspiel im Wallis – das sind schwache Argumente. Einerseits hat GC 31 Spieler im Kader, davon standen nur fünf mit ihren Nationalteams im Einsatz. Andererseits war der Freitags-Termin im Wallis schon seit Wochen fix.
Zurück in die Gegenwart: Da gelingt es Berner auffallend gut, für Irritationen zu sorgen. Beispielsweise wenn er sagt: «Es gibt solche, die am Druck zerbrechen und andere, die wachsen. Ich wachse und lebe das tagtäglich vor. Auch zu Hause muss ich mir tagtäglich meinen Platz neben meiner Frau verdienen.» Tönt anstrengend. Oder: «Wir stehen täglich auf Platz und knütteln und arbeiten.» Ausgenommen die Nati-Pause.
Mit solchen Aussagen weckt Berner den Eindruck, als sei er im letzten Motivations-Seminar zwischendurch mal eingenickt. Und nun stellt sich die Frage: Hat GC auch noch ein Trainer-Problem? Das wäre mindestens ein Problem zu viel. Denn über zu wenige Baustellen kann man sich beim Rekordmeister nicht beklagen.
Da ist einerseits die finanzielle Situation. 14 Millionen hat der Klub im Geschäftsjahr 2022 als Minus ausgewiesen. Das ist in etwa so viel, wie die aktuelle Mannschaft an Wert hat. GC ist seit Jahren ein Fass ohne Boden. Kein Wunder, wollen die Besitzer aus China lieber gestern als heute den Klub verkaufen. Doch einer sieht das etwas anders: der neue Präsident Matt Jackson. «Seit ich hier bin, wurden wir schon achtmal verkauft», sagt der Engländer und schiebt hinterher, dass er seine Bosse bewundere und deren volles Commitment für GC spüre.
Präsident Matt Jackson über die Verpflichtung zur GC-Foundation 🗣
— Grasshopper Club Zürich (@GCZurich_EN) September 22, 2023
Die komplette Pressekonferenz gibt es hier: https://t.co/xnmN5lx2Fb#gc #zürich #traditionsclub pic.twitter.com/ToKlGSmgv6
Präsident Jackson scheint die Aufgabe bei GC zu mögen. Vielleich auch, weil er – wie uns ein Gewährsmann verrät – grossen Einfluss auf die Zusammensetzung des Team nehmen soll. So soll er neun Zuzüge (jene aus dem Ausland) initiiert haben. Während Sportchef Bernt Haas seine Wunschkandidaten (Fabio Daprela und Michael Lang) nicht ins Ziel brachte. Und so hat GC wieder einmal eine äusserst heterogene Mannschaft, die punktgleich mit dem Tabellenletzten Lausanne-Ouchy auf Platz 10 liegt.
Der Wunsch von Sportchef Haas nach einer Zeitmaschine scheint weit verbreitet bei diesem Verein. Zurück in die Vergangenheit, als GC gross war. Doch bei aller Liebe zur Nostalgie wird es problematisch, wenn man die Gegenwart verkennt. Genau das passiert aber, wenn Berner behauptet, GC sei eine grosse Marke. Eine grosse Marke ohne Fans und Sponsoren? Oder man davon redet, zu den Tugenden der 1990er-Jahre zurückzukehren.
Alles schon x-fach gehört. Alles schon x-fach versucht. Und in einem Jahr werden wohl wieder neue Gesichter das Gleiche erzählen.
Massalia
Thomas Meister
Ferienpraktiker21