In der 77. Minute erhebt sich das Publikum in Wals-Siezenheim, einem Salzburger Vorort, um das zweite Tor ihrer Nummer 77 zu feiern. Es ist die Vorentscheidung im Spiel zwischen dem FC Salzburg, wie der Verein in europäischen Bewerben heisst, und dem VfL Wolfsburg. Die Schweizer Nationalspieler Renato Steffen und Kevin Mbabu stehen konsterniert am eigenen Strafraum. Zehn Minuten später wird der Stürmer mit Applaus verabschiedet.
Beim Doppelpacker handelt es sich um den U21-Nationalspieler Noah Okafor. Nach dem Spiel darf er gar die «Man of the Match»-Trophäe entgegennehmen, gleichzeitig ist er von der UEFA für den Spieler des Spieltags nominiert. Beim Interview strotzt er vor Freude und muss um Worte ringen. Von Trainer Matthias Jaissle gibt's obendrauf noch ein Lob: «Er belohnt sich für seine harte Arbeit.»
Dank seiner Tore steht Salzburg vor Sevilla, Wolfsburg und Lille an der Tabellenspitze und hat beste Chancen für die Qualifikation der K.o.-Runde. Auch in der Nati läuft es für Okafor. Mauro Lustrinelli, sein Trainer in der Nachwuchsauswahl, hält grosse Stücke auf ihn. Jüngst schoss er gegen das talentierte U21-Team der Niederlande beide Tore zum 2:2 Endstand.
Nach Startschwierigkeiten in Salzburg hat sich der Knoten bei Okafor gelöst, der vor seinem Wechsel alle Jugendabteilungen des FC Basel durchlaufen hat. Für ihn waren es die ersten Treffer in der Champions League. In der Liga netzt der Stürmer von RB Salzburg hingegen alle 81 Minuten ein.
🗣️ Noah #Okafor: "Hervorragend, mir fehlen die Worte." #SALWOB #UCL pic.twitter.com/m6RWTjPw9O
— FC Red Bull Salzburg (@RedBullSalzburg) October 20, 2021
Tolle Werte für den 21-Jährigen in seiner zweiten Saison in Österreich. Im Sommer 2020 wechselte er für 12 Millionen Franken zum Serienmeister. Damit ist er der teuerste Neuzugang der Salzburger.
Dass Salzburg so viel Geld in einen Spieler investiert, ist unüblich. Im Vergleich dazu legte man für Erling Haaland nur acht Millionen Euro auf den Tisch. Salzburg fungiert seit Jahren als Ausbildungsstätte mit Platinstatus. Das Geschäftsmodell: Junge Spieler mit Potenzial holen und zu einem guten Preis verkaufen, ähnlich wie diese viele Super-League-Klubs auch anstreben.
Im Gegensatz zur heimischen Liga, die den Grossteil ihrer Spieler ins Mittelfeld der Bundesliga exportiert, geschäftet Salzburg auch im lukrativen englischen Transfermarkt. In den vergangenen Jahren konnten Sadio Mané, Takumi Minamino und Patson Daka in die Premier League verkauft werden. Nicht nur das. Zu Salzburgs Kunden gehörte auch schon der BVB, der sich letzten Winter Haaland sicherte.
Daneben ist der Bruderklub RB Leipzig immer wieder ein dankbarer Abnehmer von Talenten. Mit Naby Keita (Liverpool), Dayot Upamecano oder Marcel Sabitzer (beide Bayern) schafften es ebenfalls bekannte Namen über diesen Umweg in die Kader der Grossen.
Ein weiterer Anwärter auf einen solchen Werdegang ist neben Noah Okafor der Deutsche Karim Adeyemi, der mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht wird. Der 19-Jährige hat bereits einen stattlichen Marktwert von 20 Millionen Euro.
Das Geschäftsmodell des Red-Bull-Vereins erstaunt nicht nur wegen der Ablösesummen, die für ihre Spieler ausgegeben werden. In der diesjährigen Champions-League-Saison stellte Salzburg jedes Mal das jüngste Team. Am ersten Spieltag gegen Sevilla war das Durchschnittsalter 22,6 Jahre.
Die Champions League bietet für die Entwicklung der Spieler beste Voraussetzungen. Mit auffälligen Einsätzen kann man auf der grössten Bühne des Vereinsfussballs auf sich aufmerksam machen. So darf sich Okafor und die Schweiz der realistischen Hoffnung hingeben, dass der Basler in einigen Jahren zu Europas Elite zählen könnte. Ebenso könnte er eine gefährliche Waffe im Sturm der Nati sein. Bei diesen Leistungen ist die Nominierung durch Murat Yakin wohl nur eine Frage der Zeit.