Morgen Donnerstag wird die Fussballwelt noch einmal innehalten. Der Todestag von Diego Armando Maradona jährt sich zum ersten Mal. In der Heimat ist die Hölle los: Dem argentinischen «Goldjungen» wird mit einer Comic-Biographie, einem Podcast über seine letzten Tage, unzähligen Wandmalereien, der TV-Serie «Maradona: Sueño bendito» und neuen Denkmälern gehuldigt.
An seinem früheren Wohnort in Buenos Aires, nahe der Kreuzung Segurola und Habana, wurde eine Gedenktafel enthüllt. Als «Sinnbild der Freude und des Glücks», sagte der Abgeordnete Daniel Del Sol, der die Initiative vorangetrieben hatte. «Wir wollen uns an ihn erinnern, an die Freude, die er uns bereitet hat.» Maradonas Geburtshaus im Armenviertel Villa Fiorito wurde gar zur nationalen Gedenkstätte erklärt.
Und auch sein ehemaliger Klub liess sich etwas ganz Besonderes einfallen: Im Serie-A-Spiel gegen Inter Mailand lief die SSC Napoli mit dem Konterfei ihres letzten Meistermachers auf dem Trikot auf. Am 14. Dezember tragen Maradonas ehemalige Vereine, der FC Barcelona und die Boca Juniors, in Saudi-Arabien zudem ein Gedenkspiel um die «Copa Maradona» aus.
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— Official SSC Napoli (@sscnapoli) November 21, 2021
Doch zwischen die zahlreichen Huldigungen und Ehrungen mischen sich – wie schon zu Maradonas Lebzeiten – auch jetzt neue Skandale, wilde Gerüchte und Anschuldigungen aller Art.
Diego Maradona ist offenbar ohne sein Herz beerdigt worden. Das behauptet zumindest sein ehemaliger Arzt Nelson Castro, dessen Buch «Diegos Gesundheit: Die wahre Geschichte» längst ein Kassenschlager geworden ist. In der argentinischen Talkshow «La Mesa de Juana Viale» erklärte er auch den Grund: «Es gab diese Ultras-Gruppe von Gimnasia La Plata (Maradonas letzter Trainerstation vor seinem Tod, Anm.d.Red.), die plante, auf den Friedhof einzubrechen und dem Leichnam das Herz zu entnehmen.»
Maradonas Hinterbliebene seien der Grabschändung jedoch zuvor gekommen. «Sein Herz wurde ohnehin entnommen, um bei der Obduktion die Gründe für seinen Tod herausfinden zu können», erklärte Castro und legte gleich nach: «Nach meiner Information ist er daraufhin ohne Herz bestattet worden.»
Castro sagte zudem, dass Maradonas Herz beim Zeitpunkt des Todes abnormal gross gewesen sei: «Sein Herz wog ein halbes Kilo, während ein gewöhnliches Herz 300 Gramm wiegt.» Der Mediziner erklärte das hohe Gewicht des Organs mit Maradonas wiederholten Herzstillständen. Auch deshalb käme er zum Schluss, dass der Weltmeister von 1986 länger gelebt habe, als man das bei seinem Gesundheitszustand habe erwarten können. «Sein Körper hatte eine bemerkenswerte Resistenz aufgebaut», so Castro.
Über Maradonas Grab haben nach wie vor seine Töchter aus erster Ehe das Sagen, seinen Nachlass müssen Dalma und Gianinna aber mit drei zusätzlichen, bereits anerkannten Kindern teilen. Allein dieses Jahr wollten zwei weitere Kandidaten Maradonas Vaterschaft per DNA erstreiten – vergeblich.
Es geht um viel Geld, gemäss Spekulationen um rund 100 Millionen US-Dollar. Die ersten Erbstücke werden am 19. Dezember per Streaming versteigert. Nichts mit sentimentalem Wert, nur Wohnungen, Autos, Trikots, eine Bibel, ein Wasserkocher oder ein Zigarren-Humidor. Aus den Einnahmen sollen erst einmal Schulden beglichen und Rücklagen für Kosten der Restsammlung gebildet werden.
Denn auf die lukrativ laufenden Geschäfte haben die fünf Kinder keinen Zugriff. Das hat nur sein früherer Anwalt Matias Morla, der im Namen von Maradonas Schwestern seit 2015 Labels wie «El 10» und «La Mano de Dios» unter dem Firmennamen «Sattvica» vermarktet, sich mit Maradonas Kindern aber längst zerstritten hat.
Kurz vor dem ersten Todestag gibt es zudem neue, schwerwiegende Vorwürfe gegen Maradona. Die heute 37-jährige Kubanerin Mavys Alvarez Rego berichtete in einem Interview mit dem Nachrichtenportal «Infobae» davon, dass sie vor 20 Jahren als 16-Jährige in Havanna von der argentinischen Fussballlegende vergewaltigt worden sei.
Die «Hand Gottes» habe sie zudem dazu gedrängt, Kokain auszuprobieren, so Alvarez. Sie berichtete auch von mehreren Fällen körperlicher Gewalt. «Ich war zunächst von ihm geblendet, er hat mich erobert. Aber nach zwei Monaten hat sich alles geändert», schilderte sie. Maradona habe unter anderem versucht, sie kokainabhängig zu machen. «Ich habe ihn geliebt und gehasst zugleich, habe sogar an Selbstmord gedacht.»
Die Mutter von zwei Kindern gab an, während einer Reise mit Maradona nach Buenos Aires im Jahr 2001 von Mitarbeitern des Fussballstars mehrere Wochen in einem Hotel festgehalten worden zu sein. Sie sei ausserdem zu einer Brustvergrösserung gezwungen worden.
Alvarez hat selbst nicht Anzeige gegen Maradona erstattet, sondern sagt diese Woche bei der Staatsanwaltschaft in Buenos Aires im Zusammenhang mit einer Anzeige der argentinischen Organisation «Fundacion Por La Paz» aus. Die Organisation hatte nach US-Medienberichten über die Vorwürfe gegen Maradona in Argentinien Anzeige erstattet. Sie wirft Maradona unter anderem Menschenhandel, Freiheitsentzug und Körperverletzung vor.
Daneben ist auch die juristische Verfolgung von Maradonas Arzt weiterhin in vollem Gang. Seine Töchter, einige Wegbegleiter sowie sein früherer Anwalt Matias Morla überhäufen sich gegenseitig mit Anschuldigungen, wer für seinen Tod verantwortlich war.
Die Staatsanwaltschaft wirft Leibarzt Leopoldo Luque, Psychiaterin Agustina Cosachov und mehreren Pflegekräften Totschlag vor. Sie hätten um den schlechten Gesundheitszustand ihres Patienten gewusst – und ihn eiskalt seinem Schicksal überlassen. Im Falle einer Verurteilung drohen bis zu 25 Jahre Haft. Offiziell gilt ein Herzinfarkt als Todesursache.
Maradona war von jahrelangem Drogenkonsum, Alkohol und extremem Übergewicht zwar stark gezeichnet, dennoch wäre er nach Einschätzung der Ermittler noch am Leben, wenn er richtig betreut worden wäre. Man verheimlichte den schlechten Gesundheitszustand jedoch mit allen Mitteln. Dabei ging es wohl auch um Geld: Von Maradona unterzeichnete Verträge hätten gemäss argentinischen Medien für ungültig erklärt werden können, wenn herausgekommen wäre, wie schlimm es um ihn steht.
Wie vielerorts geht es auch bei den Streitigkeiten um Maradonas Erbe vor allem ums Geld. Kein Wunder, sagt Tochter Dalma über den morgigen Todestag ihres Vaters: «Ich fühle, dass dieser Tag nichts für Ehrungen und nicht zum Feiern ist.» (pre)