Der Aufschrei in deutschsprachigen Medien war gestern gross: Ronaldinho ist verschollen! Einfach so, weg! Offenbar weiss momentan niemand, wo er steckt. Dabei müsste er seit dem 7. Dezember in der Rückrundenvorbereitung mit seinem Klub Queretaro schwitzen.
Der Klub-Präsident hat jetzt angekündigt: Erscheint Ronaldinho in der nächsten Woche nicht zum Training, wird dies Konsequenzen haben. In der Zeit vor Weihnachten, wo sportlich auf der ganzen Welt nicht viel los ist, ist dies natürlich ein gefundenes Fressen für eine gute Schlagzeile.
Mais um brasileiro VENCEDOR no esporte. Parabéns, @gabriel1medina, campeão mundial de surf. Uma história bonita coroada com a vitória!!
— Ronaldinho Gaúcho (@10Ronaldinho) 20. Dezember 2014
Wir wissen zwar auch nicht, wo der Brasilianer steckt. Aber gemessen an seinen Aktivitäten in den Sozialen Medien wurde der Zauberfussballer weder gekidnappt, noch fiel er in eine Gletscherspalte beim Wandern. Er macht vermutlich einfach noch bisschen länger Ferien. Eigenhändig den Urlaub zu verlängern, ist nämlich eine Unsitte, welche brasilianische Fussballer seit Jahren hervorragend zelebrieren können.
Fast jeder Bundesliga-Klub könnte ein Liedchen davon singen. 2003 zogen nach der Winterpause 17 von 23 Brasilianern in Deutschlands höchster Liga noch ein paar Tage die Sonne von Rio dem Waldlauf durch den Pflotsch mit ihren Teamkollegen vor.
«König der Verspäteten» war Julio Cesar, der bei Bremen und Dortmund in den 1990er-Jahren die Abwehr organisierte. Von 1995 bis 1997 gelang im der Hattrick mit diesen Ausreden: Der Opa war krank (obwohl er gar keinen mehr hatte), er musste an ein Benefizspiel, er hatte wichtige Arzttermine und einmal durfte er den 65. Geburtstag seiner Mutter nicht verpassen.
Ähnlich zuverlässig war Ailton bei Werder Bremen. Von 1998 bis 2003 schaffte er es nur einmal pünktlich zum Trainingsauftakt zu erscheinen. Einmal erklärte er, dass die geplatzte Hochzeit wegen fehlender Papiere mit seiner mexikanischen Partnerin der Grund war. Trainer Thomas Schaaf nahm's mit Ironie, als er gefragt wurde, ob Ailton denn pünktlich nach der Winterpause erscheinen werde: «Natürlich, ich glaube ja auch an den Weihnachtsmann.» Und was werde er machen, wenn der Topstürmer dann doch auftaucht? «Wir werden ihn ganz fest in die Arme nehmen, werden ihn knutschen, dreimal hoch schmeissen und uns freuen, dass er wieder da ist.»
Felix Magath kam nach seinen Erfahrungen mit verschollenen Brasilianern auf das einzige Mittel, das dagegen hilft: «Wir können alles mit Geld regeln.» Sein Kollege Thomas Schaaf sah dies ähnlich, übte sich aber in Galgenhumor: «Das könnte man als bezahlten Urlaub bezeichnen. Er macht Urlaub und bezahlt dafür.» Wir nehmen es wie Schaaf und raten Queretaro und den aufschreienden Medien zu etwas mehr Gelassenheit. Oder in den Worten von Giovane Elber, der nach Hitzfelds Busse wegen seinem zu spätem Erscheinen uneinsichtig erklärte: «Der Trainer weiss doch, dass es für einen Brasilianer normal ist, dass er zu spät kommt.»