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Interview

Timm Klose spricht im Interview über den FC Basel, Partys und Norwich

Chelsea's Willian, front, duels for the ball with Norwich City's Timm Klose during the English FA Cup third round replay between Chelsea and Norwich City at the Stamford Bridge, in London, W ...
Bald darf Timm Klose wieder gegen die Premier-League-Stars kämpfenBild: AP/AP
Interview

Timm Klose: «Ferien waren ein Grund zum Weggehen, zum Saufen und zum Fressen»

Timm Klose tauscht Party in den Ferien gegen Sommertraining, verlängert trotz Verletzung beim Aufsteiger Norwich und verteilt Bussen an die Mitspieler mit Witz. Damit ist der Wechsel zum FC Basel für mindestens ein weiteres Jahr vertagt.
12.06.2019, 07:4612.06.2019, 16:19
Jakob Weber / ch media
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Warum trainieren Sie alleine in Basel und waren nicht mit der Nati in Portugal?
Timm Klose:
Ich leide seit Dezember an einer kleinen Blessur am Knie mit einer Faszienvernarbung. Das wurde so schmerzhaft, dass es keinen Sinn ergeben hätte, mit der Schweizer Nati zur Nations League zu fahren. Stattdessen mache ich in Basel Reha.

Wie sind Sie mit Trainer Vladimir Petkovic verblieben?
Wir haben telefoniert. Ich habe ihm erklärt, dass ich wegen dem Knie wenig gespielt habe und wir haben zusammen entschieden, dass ich nicht mit nach Portugal fahre. Ich spüre aber das Vertrauen und mag die Gespräche mit Herrn Petkovic.

«Ich bin so verbissen, dass ich sogar noch die WM 2022 im Kopf habe.»

Sie siezen sich?
Ja. Den Boss musst du einfach siezen. Das handhabe ich so. In den Medien kommt das nicht immer so rüber, aber Gespräche mit ihm sind immer ehrlich. Er hat immer ein offenes Ohr für mich.

Vladimir Petkovic, Trainer der Schweizer Fussballnationalmannschaft, rechts, beobachtet den Spieler Timm Klose, links, waehrend dem Training der Schweizer Fussballnationalmannschaft in Freienbach am M ...
Haben ein gutes Verhältnis: Timm Klose und Nationaltrainer Vladimir Petkovic.Bild: KEYSTONE

Ist die EM 2020 Ihr grosses Ziel?
Ich werde zwar nicht jünger, aber ich bin so verbissen, dass ich sogar noch die WM 2022 im Kopf habe.

War das Knie auch der Grund, warum Sie 2019 nur ein Spiel über 90 Minuten gemacht haben?
Ja. Anfang der zweiten Halbzeit hat mein Knie immer so blockiert, dass ich nicht mehr wirklich rennen konnte. Und da es sinnlos ist, mich immer in der 55. Minute auszuwechseln, und wir auch ohne mich fast jedes Spiel gewonnen haben, war das für mich in Ordnung. Einen operativen Eingriff während der Saison wollte ich nicht, da mein Vertrag auslief.

Der späte WM-Traum
Timm Klose ist am 9. Mai 1988 in Frankfurt geboren und in Basel aufgewachsen. Seine Fussballerkarriere startete der Sohn der Modeunternehmerin Daniela Spillmann beim BSC Old Boys. Beim FCB spielte der 1.93 Meter grosse Innenverteidiger bis zur U21. In der Super League debütierte er 2009 für den FC Thun. Kloses Reise ging über Nürnberg und Wolfsburg 2016 in die englische Premier League. Für die Schweizer Nati bestritt er bislang 16 Länderspiele. Gerne würde Klose sein Land auch an der EM 2020 und der WM 2022 vertreten.

Warum wurden Sie in den Schlussminuten meistens noch eingewechselt?
Meine Aufgabe war es immer, den Eintore-Vorsprung über die Zeit retten. Der Trainer sagte, er hätte gerne immer einen wie mich, der Ruhe reinbringt, auf dem Feld. Wahrscheinlich hat er mich deshalb am Schluss oft noch gebracht. Das zeigt auch mein Standing in der Mannschaft. Meine Kollegen auf der Bank haben immer gesagt, jetzt muss er dich bringen. Das gab mir ein extrem gutes Gefühl.

Sie haben vor kurzem bis 2022 verlängert. Wie liefen die Verhandlungen?
Ich habe relativ schnell gemerkt, dass Norwich mich halten will und fühle mich in der Stadt wirklich daheim. Ich bin richtig happy dort. Es gibt mir extrem viel Kraft, dass ich Norwich neben Basel meine Heimat nennen kann. Natürlich gab es Angebote. Aber für mich war klar, dass ich gerne bleiben würde. Ein Aufstieg in die Premier League hat natürlich auch seine lukrativen Seiten. (lacht)

So gab Klose seine Vertragsverlängerung bekannt.

Sie haben sich aber sicher auch mit einer Rückkehr nach Basel beschäftigt.
Ich kenne Sportchef Marco Streller ja gut und habe immer wieder Kontakt. Meistens als Freunde, zuletzt auch öfter als Sportchef und Spieler. Das ist zwar komisch, aber wir können das trennen. Wir haben versucht, etwas aufzugleisen, damit es mit der Rückkehr klappt. Doch durch den Aufstieg von Norwich war mir eigentlich klar, dass ich noch einmal Premier League spielen will.

Wären Sie jetzt beim FCB, wenn Norwich nicht aufgestiegen wäre?
Ja, dann wäre eine Rückkehr relativ konkret geworden. Es reizt mich auch nach wie vor, irgendwann für den FCB zu spielen. Ich habe hier noch nichts gewonnen und will dem Verein etwas zurückgeben. Ich glaube nicht, dass diese Tür jetzt zu ist.

Wie haben Sie den kriselnden FCB in den letzten zwei Jahren verfolgt?
Für mich ist das nur eine Mini-Krise. Jeder Verein hat mal so eine Delle. Eine Neustrukturierung braucht Zeit und weil heutzutage nicht mehr so viel Geld im Schweizer Fussball ist, ist es besonders schwierig. Aber der FCB hat schon die richtigen Leute in der Verantwortung. Die sind mit Herz dabei. Streller und Burgener haben auch schlaflose Nächte, die überlegen sich schon, wie die Zukunft von dem Verein aussieht und wie sie die nächsten Jahre erfolgreich gestalten können. Ich weiss, dass das gut kommen wird.

Sie waren mit Norwich in dieser Saison sehr erfolgreich, sind in die Premier League durchmarschiert. Vor einem Jahr wurde die selbe Mannschaft nur 14., wie ist das möglich?
Sie sagen es bereits. Wir konnten die Mannschaft beisammen halten und haben uns zusammen verbessert. Wenn du einen guten Team-Spirit hast und jeder für den anderen geht, wirst du langfristig erfolgreich sein. Liverpool hat das ja auch gezeigt. Kontinuität bringt am meisten. Aber im Fussball ist es schwierig, diese zu bekommen. Da ist so viel Geld im Spiel und wenn dir irgendwo einer das Dreifache bietet, dann wechselst du halt den Klub.

«Ferien waren ein Grund zum Weggehen, zum Saufen und zum Fressen.»

Was macht Norwich so speziell?
Norwich ist der Verein im Osten Englands. Wir haben eine riesen Fanbase. Ausser uns gibt es noch Ipswich, aber die sind nicht so cool und haben keine Fans. (lacht) Das sage ich jetzt nur, weil es das Derby ist. Aber Norwich ist schon der grösste Klub im Osten. Wir haben zwar nicht so viel Geld wie die Londoner oder Manchester Klubs, aber wir sind familiär. Fast wie der FCB. Das brauchst du, wenn du keinen grossen Geldgeber im Hintergrund hast. Als kleiner Verein kannst du nicht irgendwelche Spieler verpflichten, die deine Saison retten sollen. Du musst als Team funktionieren.

Norwich hat seit zwei Jahren mit Daniel Farke einen deutschen Trainer. Zehn Spieler mit deutschem Pass gehören zur Aufstiegself. Welche Rolle spielen die Deutschen?
Trainingstechnisch eine sehr grosse. Am Anfang war mit Alex Neil ein Schotte Trainer. Das war super, aber völlig anders als in Deutschland. Ich war diese Strukturiertheit, dieses fast schon strenge aus Wolfsburg und Nürnberg gewohnt und dann war plötzlich alles easy. Nur am Morgen Training, keine Doppeleinheiten. Das ist mit Farke jetzt alles wieder anders. Der Fussball hat sich gewandelt. Du musst alles immer professioneller und vor allem mehr machen, um erfolgreich zu sein. Der Sport wird athletischer, schneller. Alle sind physisch parat.

Sie wären als junger Spieler wohl kaum in den Sommerferien in die Rennbahnklinik, um sich auf die kommende Saison vorzubereiten.
Sicher nicht. Ferien waren ein Grund zum Weggehen, zum Saufen und zum Fressen. Unser Motto war: Wenn ich eine Woche vor Trainingsstart damit aufhöre, komme ich wieder auf das Gewicht, bei dem ich keine Busse zahlen muss.

Wirklich?
Das ist doch logisch, dass man als junger Spieler in den Ferien Party machen will. Das war bei mir, als ich in Thun oder Nürnberg war, nicht anders. Aber du realisiert irgendwann: Um auf dem Level der Besten mithalten zu können, kannst du dir das nicht erlauben. Warum ist ein Cristiano Ronaldo da, wo er ist? Der hat sich das alles aufgebaut. Das ist das moderne Profil eines Fussballprofis.

«Vor zehn Jahren bin ich aufgewacht, ohne Frühstück ins Training. Ein bisschen Mittagessen. Nach Hause, pennen und dann Fernsehen oder Playstation.»

Wie machen Fussballprofis heute Ferien?
Wir gehen nach Griechenland, Dubai oder Los Angeles. Irgendwohin, wo man Ferien machen, aber auch am Morgen trainieren kann. Du hältst dich fit und willst im bestmöglichen Zustand zurück zum Verein kommen. Als Personaltrainer kannst du heute viel Geld machen, weil alle Fussballer dich buchen. Ich werde immer wieder von Fithaltezentren von überall auf der Welt angeschrieben. Die fragen, ob ich nicht zu ihnen Trainingsferien machen will.

Haben Sie angebissen?
Ja, ich gehe diese Woche nach Los Angeles. Am Morgen wird trainiert und ab 12 Uhr habe ich Ferien. Das mache ich jetzt zum ersten Mal. Ich bin gespannt, wie es sein wird.

«Heute wird den Jungen alles hinterhergeschoben. Vor allem in England.»

Wie war das, als Sie vor zehn Jahren angefangen haben?
Da bin ich aufgewacht, ohne Frühstück ins Training. Ein bisschen Mittagessen. Nach Hause, pennen und dann Fernsehen oder Playstation. Wenn ein Kollege am Abend raus wollte, sind wir auch am Mittwoch in den Ausgang. Heute ist das alles anders. Ich stehe um 8 Uhr auf, frühstücke, bereite mich aufs Training vor, trainiere, mache nach dem Training noch was. Der Tag wird länger und du wirst mehr zum Profi. Das Bewusstsein für deinen Körper ist viel grösser geworden.

Machen Sie das jetzt, weil sie 31 sind oder machen das die Jungen heute auch?
Natürlich lernst du dazu, aber die Jungen leben heute ein ganz anderes Leben wie wir damals. Als ich zum FCB kam und ich Beni Huggel im Kreis einen Beinschuss verpasst habe, ist der bei nächster Gelegenheit mit beiden Beinen geradeaus in mich reingesprungen. Als ich Marco Streller im Training den Ball weggenommen habe, hat er mir beim nächsten Mal mit einem Ellenbogenschlag gedroht. Dann dachte ich mir, dass mache ich lieber nicht mehr. Der Respekt vor den erfahrenen Spielern war viel grösser. Heute fangen die Jungen an mit dir zu diskutieren, ihnen wird alles hinterhergeschoben. Vor allem in England.

Können Sie da gegensteuern?
Ich bin jetzt bei Norwich für die Bussen verantwortlich. Das mache ich mit Witz. Wenn ein Junger seinen Fehler einsieht, kommt er auch schon mal ohne Busse davon. Ich bin ja nicht immer der Seriöseste. Du musst zwischen Ernst und Spass abwechseln.

Wie geht das?
Wir Fussballer sind so privilegiert. Klar müssen wir uns in den wichtigen Momenten fokussieren, aber ich sage mir: Mache alles mit einem Lächeln, dann fällt vieles einfacher. Ein Video hat mich geprägt. Da sagt einer: Stell dir vor, deine Zeit wäre Geld und jedes Mal, wenn du dich nervst, verlierst du Geld. Zehn Sekunden, zehn Franken. Mit diesem Hintergedanken gehst du ganz anders in Konflikte. Schon mit einer gewissen Strenge, aber nicht so, dass dein Gegenüber dann denkt: Was ist denn das für ein arroganter Schnösel.

Was ist ansonsten Ihre Rolle im Team?
Der Trainer hat den Zeitungen gesagt: Leistungsträger und Führungsspieler. So sehe ich das auch. Ich hatte das Glück, dass ich in Wolfsburg viel lernen konnte. Vor allem von Naldo und Dante oder auch Marcel Schäfer und Diego Benaglio. Von denen habe ich mir vieles abgeschaut.

Was denn von Dante?
Er ist so eine fröhliche Natur, aber trotzdem in wichtigen Momenten fokussiert. In Nürnberg waren vor den Spielen, typisch deutsch, immer alle überfokussiert. In Wolfsburg wurde vor dem Spiel noch getanzt. Da dachte ich erst, die konzentrieren sich ja gar nicht. Aber mit Beginn des Einlaufens waren die trotzdem in ihrer Blase drin. Diesen ständigen Fokus-Spass-Wechsel musste ich auch erst lernen.

Sie haben auch einen Mentalcoach. Was bringt der Ihnen?
Als ich in Nürnberg nicht so viel gespielt habe, dachte ich, die ganze Welt ist gegen mich. Dass es mir gut ging, ich gut verdient habe und gesund war, habe ich nicht realisiert. Mein Mentaltrainer hat mir geholfen, wie ich aus diesen Situationen rauskomme. Das tönt jetzt vielleicht blöd, aber ich habe gelernt, dass es dir egal ist, was die Leute von dir halten. Stattdessen konzentriere ich mich nur auf das, was mir wichtig ist.

Spass ist Ihnen sehr wichtig. Wie haben Sie und Ihre Kollegen den Aufstieg gefeiert?
Das war sensationell. Wir waren auf einem Bus. Alles war gelb-grün. Ich war relativ gut dabei. Wenn du mit einer Mannschaft, in der es eh schon harmoniert, so Dinge erlebst, ist das besonders schön. Das wird mir keiner mehr nehmen.

So ging es bei der Aufstiegsparty zu und her.Video: YouTube/Norwich City Football Club

Sind Sie nach den Feierlichkeiten in Norwich sofort nach Basel?
Ich war erst noch ein paar Tage golfen, bevor ich nach Basel bin. Hier in der Rennbahnklinik kann ich mich genau auf das fokussieren, was wichtig ist. Das ist für Sportler in der Reha natürlich perfekt und ich bin daheim bei der Familie.

(aargauerzeitung.ch)

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10 Kommentare
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Jong & Hässig
12.06.2019 10:06registriert März 2019
Toller Typ. Als 4. Innenverteidiger hinter Schär, Akanji und Elvedi würde ich ihn an die kommenden Turniere mitnehmen, schon nur für die gute Stimmung.
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Capoduro
12.06.2019 10:06registriert Dezember 2014
Sehr sympathisches Interview.
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SoullessStone
12.06.2019 10:56registriert Januar 2014
Huggel und Streller hören sich sehr nett an... Solche Teamkollegen sind sicherlich eine Wohltst ;)
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