Das Wichtigste zuerst: Wie geht es Ihnen?
Fabian Frei: Gut. Ich bin zufrieden mit den Fortschritten. Am Mittwoch war ich das erste Mal wieder mit der Mannschaft auf dem Platz, habe das Einlaufen und das Passspiel mitgemacht und bin schmerzfrei. Es fehlt noch an Kraft und Ausdauer. Alles kann ich noch nicht machen, aber schauen wir mal.
Zugezogen haben Sie sich die Verletzung im Auswärtsspiel gegen Luzern, als Sie den Elfmeter versenkten. In einer Phase, in der Sie so fit waren wie vielleicht nie zuvor. Können Sie sich das erklären?
Vielleicht genau deshalb! (Lacht.) Nein, im Ernst: Ich kann es mir nicht erklären. Ich hatte zwar im Trainingslager leichte Rückenschmerzen, aber nicht dort, wo es jetzt problematisch wurde. Wenn man meine Wirbelsäule in einem MRI betrachtet, dann sieht man, dass sie abgenutzt ist. Das ist aber normal, nach 30 Jahren Fussball.
Was waren Ihre ersten Gedanken nach der Diagnose?
Ich habe vor dem MRI die Ärzte gefragt, wie die Aussichten sind. Bandscheibenvorfall war der Worst Case. Wenn die Diagnose dann da ist, denkst du erst mal: Scheisse. Bandscheibenvorfall klingt schon schlimm. Mittlerweile weiss ich aber, dass das sehr oft vorkommt und in alle Richtungen gehen kann: von lebenslangen Schmerzen über die Chance, relativ zügig wieder schmerzfrei zu sein. Ich habe mir dann einfach klar gesagt, dass ich mir die nötige Zeit nehme. Das Ziel war immer, schmerzfrei zu werden. Auch für mein Leben nach dem Fussball. Ich wollte nie alles riskieren, um zwei Wochen später wieder auf dem Platz zu stehen.
Wann sehen wir Sie wieder in einem Pflichtspiel?
Ich habe für mich persönlich Ziele. Aber ich möchte weder mich noch meinen Physiotherapeuten unter Druck setzen. Ich habe aber immer gesagt, dass ich gerne in dieser Saison noch auf dem Platz stehen würde. Und wenn die Saison bis zum 7. Juni andauert, ist es natürlich einfacher. (lacht) Wenn es aber nicht reicht, dann ist es so. Dann bin ich von Anfang an dabei, wenn im Sommer ein neuer Trainer kommt. Damit kann ich auch leben.
Sie sprechen den 7. Juni und den Final in der Conference League an. Also müssen Ihre Kollegen die Final-Qualifikation auch für Sie einfach schaffen?
Ja, das sage ich den Jungs fast täglich. Ich spiele dann von Anfang an und lasse mich notfalls nach zwei Minuten wieder auswechseln. Aber das Foto beim Handshake vor dem Spiel ist ein must-have. (lacht)
In der wichtigsten Phase der Saison sind Sie zum Zuschauen verdammt. Wie erleben Sie die Spiele Ihrer Mannschaft?
Ziemlich unterschiedlich. Anfangs war ich recht entspannt, weil ich mich nicht so gut bewegen konnte. Da habe ich zu Hause oder im VIP-Bereich geschaut und war ruhig, konnte auch mal nebenbei meinem Sohn den Schoppen geben. Nach ein paar Wochen begann langsam etwas zu fehlen. Ab dann bin ich vor und nach dem Spiel wieder in die Kabine und sitze während den 90 Minuten gleich hinter der Bank. Da bin ich dann schon hyper nervös. Aber ich brauche das. Auch wenn ich beim Bratislava-Hinspiel tatsächlich zwanzig Minuten vor Schluss in den Katakomben verschwunden bin, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe.
Wieso sind Sie nicht mit nach Nizza gereist?
Wenn man schon Rückenschmerzen hat und nicht zu viel sitzen sollte, wäre das nicht clever gewesen. Da konnte ich in Basel besser arbeiten. Nach Florenz fliege ich aber mit.
Sie waren bei diesem Spiel Experte im Fernsehstudio. Haben Sie da erste Luft für die Zeit nach der Karriere geschnuppert?
Es sagen mir viele Leute, dass ich Dinge vor der Kamera gut erklären kann, und das ist schön, zu hören. Also wieso nicht? Aber es ist nicht so, dass ich während dieser Verletzung einen Plan ausgearbeitet hätte und an einer Fernseh-Karriere arbeite. Es ist sicher etwas, was ich mir vorstellen könnte, wenn ich dereinst zurückgetreten sein werde. Zuallererst werde ich aber Abstand wollen, Zeit mit der Familie. Meine Frau stresst mich auch schon die ganze Zeit, ich müsse mir dahin gehend endlich Gedanken machen. Aber ich bin noch zu gerne Fussballer, als dass ich an die Zeit danach schon allzu sehr denken mag. Klar ist nur: So will ich nicht aufhören.
Wie erklären Sie, der seit zwei Monaten zuschaut, dass es europäisch top läuft, in der Liga aber nur semi gut?
Ich verstehe es nicht so ganz. Dass wir europäisch gut sind, das schon. Aber nicht, dass wir es national nicht sind. Man sieht, dass die Mannschaft Qualität und Potenzial hat, dass sie gegen gute Teams und in schwierigen Spielen zu absoluten Top-Leistungen fähig ist. Klar spielen die Teams im Europacup anders. Aber dennoch: Ich kann mir nicht erklären, wieso uns der Ligabetrieb schon in der ganzen Saison immer wieder Probleme bereitet. Es fehlen auch immer unterschiedliche Dinge, nicht immer dasselbe. Aber jetzt haben wir ja einen Lauf. (lacht)
Zwei Siege in Serie sind bereits ein Lauf?
Der Anfang eines Laufs, hoffentlich. Nein im Ernst: Ich weiss auch, dass gewisse Experten sagen, dass sie es nicht mehr hören können, dass wir müde sind. Aber in gewissen Spielen war das nun mal wirklich ausschlaggebend. Aber natürlich wissen wir auch, dass wir nicht auf Rang 5 stehen, nur weil wir müde sind.
Es bleiben in der Liga noch fünf Spiele, um mit einer Serie in der Tabelle noch etwas weiter nach oben zu klettern. Will der FCB lieber Zweiter werden und die schwierige, aber lukrative und attraktive Champions-League-Qualifikation spielen? Oder Dritter werden und bei einem Cupsieg YBs über Lugano direkt im Playoff um die Europa League stehen?
Am liebsten die Conference League gewinnen, dann bist du schon fix in der Europa League. Wenn wir dann Dritter werden, verzeiht das auch jeder. Wenn wir aber Zweiter werden und die Conference League nicht holen, bräuchten wir wiederum nur eine Quali-Runde zu überstehen und wären fix in Europa dabei. Das wäre auch nicht schlecht. Aber das sind alles Rechenspiele. Wir haben Rang 2 gar nicht mehr in den eigenen Händen. Mit einem guten Schlussspurt können wir die Saison jedoch noch retten – wenn nicht sogar vergolden.
Mit einem internationalen Titel? Die Spiele gegen Florenz stehen vor der Tür. Wie gross ist die Vorfreude?
Ein Halbfinale ist immer cool, und wir haben es uns auch verdient, mal ein solches Los zu kriegen.
Wie schnell haben Sie Arthur Cabral geschrieben, als das Duell feststand?
Wir haben uns schon früher geschrieben. Aber klar, danach auch gleich. Es ist schön, auf ihn zu treffen. Aber ich hätte auch gerne gegen einen Stürmer gespielt, der nicht so gut ist wie er. Vielleicht macht er sich aber zu viel Druck, will es zu gut machen.
Sie könnten ihm ja noch ein bisschen zusätzlichen Druck aufsetzen.
Ein bisschen Psychospiele machen und der Mannschaft so helfen, wenn ich schon nicht spiele, ja. Spass beiseite. Ich freue mich sehr, ihn zu sehen, am Ende aber spielen wir gegen ihn. Und ich freue mich nicht nur auf ihn, sondern auf alles rund um dieses Duell. Auch, wenn ich sehe, dass der Sektor G frei geräumt wird für ein gut gefülltes Stadion. Darauf hoffe ich sehr. Damit es eine würdige Kulisse gibt und das Joggeli einmal mehr zu einem Hexenkessel werden kann.
Verstehen Sie, dass das Viertelfinale gegen Nizza nur 21'277 Fans im Joggeli sehen wollten?
Wenn ich ehrlich bin nicht. Ich weiss, dass es Donnerstagsabends um 21 Uhr hundert Gründe gibt, nicht ins Stadion zu gehen. Und trotzdem vermissen doch alle die europäischen Nächte von früher und dann musst du an ein solches Spiel auch kommen. Sonst darfst du dich auch nicht beschweren. Sicher spielen wir aktuell nicht so konstant gut wie früher und sicher hatten wir auch schon attraktivere Gegner wie in diesem Jahr. Aber das sollte doch keine Rolle spielen. Europacup ist immer speziell und jetzt stehen wir im Halbfinale. Da unterstütze ich doch meine Mannschaft.
Was erwarten Sie sportlich von Florenz? Und wer ist Favorit?
Generell weiss ich bis zur Videoanalyse immer relativ wenig über den Gegner, vielleicht schaue ich kurz auf Transfermarkt.ch, wer da so spielt. Aber mehr nicht. Favorit sind immer die anderen. Das hat uns Glück gebracht.
Apropos Glück: Davon brauchte der FCB alles der Welt auf dieser europäischen Reise: gegen Sofia (2:0 nach 0:1 im Hinspiel), Bröndby (Elfmeterschiessen), Trabzonspor (drei VAR-Entscheidungen zugunsten des FCB und zahlreiche Chancen der Türken), Bratislava (Goalie-Fehler in der 90. Minute) und auch gegen Nizza mit dem Ausgleich kurz vor Schluss und der Verlängerung.
Es gab Abende, an denen vieles für uns gelaufen ist. Aber wenn es so weiter geht, müssen wir den Wettbewerb einfach gewinnen. International haben wir das Glück, das uns national oft fehlte. 21 Aluminium-Treffer in der Liga zeigen, dass wir dort mehr Pech haben als andere. Wie viele hat der Zweite?
Das schauen wir kurz nach: St. Gallen und Servette haben 14.
Das ist deutlich und das vergisst man gerne. Da wären einige Punkte mehr möglich gewesen, und die Bewertung der Saison wäre eine ganz andere.
Und dennoch rettet das europäische Glück diese Saison.
Ja, aber nicht, wenn wir in der Liga nur Sechster werden. Ein vierter Platz wird uns vielleicht verziehen, auch wenn wir lieber Zweiter oder Dritter werden wollen. Aber eine Saison ohne Europacupqualifikation wäre nicht gut für den Klub.
Sie sagten, ein Final oder sogar der Titel in der Conference League würde die Saison vergolden. Glänzt sie nicht ohnehin schon durch das Halbfinal hell genug?
Das ist sensationell, doch. Ich höre immer, die Conference League sei ein Coca-Cola-Cup. Da widerspreche ich vehement. Es ist Mai, und wir sind noch international vertreten. Das ist super, und daran gibt es nichts zu mäkeln. Wir sind das einzige Team, das aus einer Liga kommt, die nicht unter den Top 7 Europas ist. Das habe ich zumindest so gelesen. Seit ich verletzt bin, lese ich viel zu viel.
Wieso?
Keine Ahnung. Ich habe zuletzt sogar meinen Namen auf Google eingegeben, um zu sehen, was da so steht. Und einen Rubix-Cube habe ich mir angeschafft.
Können Sie ihn lösen?
Noch nicht, aber das steht auf meiner Bucketlist. Bis zur Reise nach Florenz kann ich das.
Was steht sonst noch auf dieser Liste?
Da es sie erst seit kurzem gibt, noch nicht mehr.
Was für Dinge machen Sie als verletzter Fussballer sonst noch?
Ich spiele viel mit den Kindern. Meine Frau sagt, ich nerve sie bereits wieder und solle häufiger weg sein. Jetzt, wo die Reisen zu den Spielen wegfallen, bin ich schon mehr zu Hause. Ich bin unser viertes Kind, aber das wusste sie ja schon vorher. (lacht) Im Ernst: Es wird Zeit, dass ich wieder auf dem Platz stehe.
Themenwechsel: Sie waren schon vor zehn Jahren dabei, als der FCB gegen Chelsea im Halbfinale der Europa League spielte. Welche Erinnerungen haben Sie noch?
Ganz wenige. Das Viertelfinale gegen Tottenham ist mir präsenter, vielleicht auch, weil wir da gewonnen haben. Vom Halbfinale weiss ich nur noch Bruchstücke: David Luiz hätte Rot sehen müssen. Yann Sommer hat den Freistoss ins Goalie-Eck nicht gehalten. Das wars, mehr weiss ich nicht. Auswärts habe ich null auf dem Schirm. Haben wir dort 0:0 gespielt?
Nein, 1:0 geführt zur Pause und dann durch drei Gegentore innert neun Minuten doch 1:3 verloren.
Stimmt. Mo Salah hat getroffen und wir dachten zur Pause in der Kabine, dass da noch mehr möglich ist. Aber sonst weiss ich nichts mehr.
So ein historisches Halbfinale muss doch besser in Erinnerung bleiben.
Krass, oder? Aber so ist es. Das Problem ist auch, dass wir kurz darauf in der Champions League schon wieder zweimal gegen Chelsea spielten. Das vermischt sich. Ich habe mein Trikot auch mit Frank Lampard getauscht, aber kann nicht sagen, nach welchem Spiel. Was mir auch noch einfällt: Ich habe kein Tor geschossen. Die Stamford Bridge ist das einzige englische Stadion, in dem ich gespielt, aber nicht getroffen habe.
Dafür trafen Sie die Latte.
Ja, aber erst kurz vor Schluss. Sehen Sie, das weiss ich dann wieder.
Was ist in Ihren Augen höher zu gewichten: Das Halbfinale 2013 mit einer guten Truppe, die sich gegen viele gute Gegner durchgesetzt hat oder das Halbfinale 2023 mit einer jungen Truppe, die mehrfach über sich hinausgewachsen ist?
Das möchte ich auf keinen Fall gewichten. 2023 ist vielleicht die grössere Überraschung. Aber 2013 war von der Leistung und den eliminierten Gegnern her schon auch sehr stark. Da ich das gar nicht vergleichen will, sage ich: Beides ist ein gleich grosser Erfolg für den Klub.
Sie waren damals schon dabei, wären es ohne Verletzung auch dieses Mal wieder. Das ist beachtlich. Und auch, dass fast alle Basler aus der damaligen Startelf eine grosse Karriere hingelegt haben.
Sie sehen, ich habe sie alle gross gemacht. (lacht)
Dürfen wir das so schreiben? Dann finden Sie sicher auch wieder Berichte, wenn Sie Ihren Namen googeln.
Bitte, dann steht da bei Google-News endlich nicht mehr: vor einem Monat. (lacht)
Was machen Sie eigentlich nach dem Karriereende, wenn keiner mehr über Sie schreibt?
Ich ziehe mich komplett zurück. Gehe auf eine Insel ohne Internet. Aber zunächst will ich noch Fussballspielen. Bei allem Nervigen drumherum finde ich das immer noch am coolsten. (aargauerzeitung.ch)