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Interview

Marco Odermatt spricht im Interview über seine Saison und seinen Schlaf

Marco Odermatt of Switzerland poses with the men's overall crystal globe trophy after the podium ceremony at the FIS Alpine Skiing World Cup finals in Soldeu, Andorra, Sunday, March 19, 2023. (KE ...
Marco Odermatt weiss vom letzten Weltcupfinal in Andorra, welches Gefühl es ist, die Kristallkugel für den Weltcup-Gesamtsieger in die Höhe zu stemmen.Bild: keystone
Interview

Marco Odermatt: «Für mich auch fragwürdig, wie es jedes Mal noch aufgeht»

Der Schweizer Ski-Überflieger steigt nach drei intensiven Vorbereitungstagen mit grosser Motivation und maximalem Fokus in den Weltcupfinal in Saalbach.
15.03.2024, 16:56
Rainer Sommerhalder / ch media
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Auf diesen Mann ist Verlass. Wie immer pünktlich auf die Sekunde erscheint Marco Odermatt im Foyer des Schweizer Teamhotels in Saalbach. Vor dem Kaminfeuer taucht er gedanklich in seine letzten drei Wettkampftage der Saison ein. Von einer anstehenden Triumphfahrt will der 26-Jährige nichts wissen. Er stellt sich auf harte Arbeit ein und möchte ein letztes Mal Perfektion abrufen.

Freuen Sie sich auf einen letzten Höhepunkt der Saison oder doch eher auf das nahende Saisonende?
Marco Odermatt: Es ist für mich ganz klar noch einmal ein Höhepunkt. Ich freue mich wirklich enorm auf die – hoffentlich – drei anstehenden Rennen. Die vergangenen Wochen fühlten sich mit den Absagen etwas seltsam an. Wir sind zuletzt gar nicht so viele Rennen gefahren. Entsprechend bin ich gut erholt und weniger in der Stimmung wie vielleicht in früheren Jahren, wo man irgendwo auch froh war, wenn es dann einmal vorbei ist.

«So wie im letzten Jahr, als ich nach zwei Riesenslaloms in Kranjska Gora gezwungen war, mit dem Privatjet nach Andorra zu fliegen, um das Abfahrtstraining nicht zu verpassen, war es definitiv nicht sinnvoll geplant.»

Draussen ist es grün, die Leute nehmen den Apéro kurzärmelig ein. Ist es mit einer Kulisse, die nach Frühling schmeckt, nicht schwieriger, sich zu motivieren?
Jein. Wir alle haben lieber ein solches Finale als vor zwei Jahren in der Lenzerheide im Schneesturm bei minus 10 Grad. Wärmere Temperaturen und Frühlingsschnee passen zur klassischen Finalstimmung. Logisch dürfte es noch ein wenig weisser sein, aber grundsätzlich passt es gut.

Zum ersten Mal ist der Weltcupfinal auf zwei Wochen verteilt. Finden Sie das gut?
Ja, gerade für mich bringt es mehr Erholung zwischen den Rennen. Klar, wenn ausgerechnet das Wochenende vor Saalbach ins Wasser fällt, wird es dann doch ein wenig eine lange Zeit ohne Rennen. Aber so wie im letzten Jahr, als ich nach zwei Riesenslaloms in Kranjska Gora gezwungen war, mit dem Privatjet nach Andorra zu fliegen, um das Abfahrtstraining nicht zu verpassen, war es definitiv nicht sinnvoll geplant. Und die Rennen am Wochenende durchzuführen, bringt mehr Aufmerksamkeit, als wenn die Abfahrtskugel am Mittwochmorgen um Viertel nach elf vergeben wird.

In den jüngsten Rennen sah man in fast jedem Lauf einen Fehler von Ihnen, wie man ihn eher selten sieht. Doch ein Zeichen von Müdigkeit?
Nein. Wenn etwas vielleicht nicht zu 100 Prozent zusammenpasst, muss man unterwegs mehr ans Limit gehen und dann passieren Fehler etwas schneller. Das ist vollkommen normal. Und manchmal wirken sich Fehler stärker aus. Wenn Loïc Meillard in Aspen oder Henrik Kristoffersen in Palisades dann ihrerseits sehr gute Fahrten gelingen, wird es halt auch einmal eng.

«Der Stenmark-Rekord ist bei mir nicht so sehr im Vordergrund.»

Aber am Schluss heisst der Sieger trotzdem Odermatt!
Das ist für mich manchmal auch etwas fragwürdig, wie es doch jedes Mal noch aufgehen kann.

Mit welchem Mindset starten Sie in den Weltcupfinal?
Der Fokus und die Spannung werden sicherlich da sein. Es geht für mich in allen drei Rennen noch um relativ viel. Im Riesenslalom muss ein Sieg her, wenn ich die perfekte Saison abliefern will. Im Super-G braucht es einfach ein souveränes Rennen und in der Abfahrt noch einmal ein perfektes.

Bedauern Sie, Ingemar Stenmarks Rekord von 14 Riesenslalom-Siegen in Serie nicht mehr in dieser Saison erreichen zu können?
Der Stenmark-Rekord ist bei mir nicht so sehr im Vordergrund wie die Möglichkeit, alle Riesenslaloms einer Saison zu gewinnen. Das wäre wirklich cool.

Praktisch mit jedem Sieg holen Sie eine Koryphäe des Skisports ein. Haben Sie noch den Überblick?
Nein, überhaupt nicht. Es sind meistens Dinge, die ich im Ziel von einem Journalisten höre. Ich weiss, dass ich noch einige Siege hinter Pirmin Zurbriggen bin. Der erfolgreichste Schweizer Skifahrer zu werden, ist sicher etwas, das in der nächsten Saison zum bewussten Ziel wird.

Sind Sie vor einem zweiten Lauf, wenn Sie als Letzter starten, immer noch nervös?
Oft bin ich vor dem ersten Lauf noch etwas nervöser, weil man sich positionieren muss und nicht genau weiss, wie alles funktionieren wird. Aber doch, ich bin noch immer nervös. In den beiden Super-G von Garmisch nach all den Highlights in Adelboden, Wengen und Kitzbühel war die Anspannung etwas kleiner und prompt waren es meine qualitativ schlechtesten Rennen der Saison.

«Mittlerweile weiss ich, dass ich ein Rennen auch mit nur zwei oder drei Stunden Schlaf gewinnen kann.»

Was machen Sie zwischen den beiden Läufen eines Riesenslaloms?
Nicht besonders viel. Oft ist die Zeit bis zur Besichtigung sehr kurz. Man ist einige Zeit im Zielraum, steigt aus den ganzen Rennkleidern. Dann esse ich etwas Kleines – oft eine Banane und einen Shake. Wenn es ein Velo hat, fahre ich einige Minuten auf dem Bike oder lagere die Beine etwas hoch.

Schlafen Sie eigentlich vor den Rennen gut?
Es ist unterschiedlich. Meistens zu Beginn der Saison eher schlechter. In den letzten Jahren war der Schlaf eher weniger gut, in dieser Saison schlafe ich im Durchschnitt etwas besser. Vielleicht ist der Auslöser auch weniger die Nervosität, sondern das Bett oder der Ort. Aber ich schlafe an einem freien Sonntag zuhause definitiv besser.

Nach den Absagen von vergangener Woche verbrachte Odermatt einige Tage zuhause.

Haben Sie Strategien gegen den schlechten Schlaf entwickelt?
Bis vor einem Jahr hat es mich aufgeregt, wenn ich nicht einschlafen konnte. Und dann schläft man als Konsequenz noch schlechter. Mittlerweile weiss ich, dass ich ein Rennen auch mit nur zwei oder drei Stunden Schlaf gewinnen kann.

«Ich bin ein Fahrer, der alles genau weiss. Nicht nur jedes Tor – jeden Meter eines Laufs, jeder kleine Schlag.»

Wann stehen Sie vor einem Riesenslalom auf?
Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Hier in Saalbach ist der Start bereits um 9.00 Uhr. Dann findet die Besichtigung um 7.00 Uhr statt. Also werde ich wohl den Wecker auf 5.30 Uhr stellen.

Wenn man Sie im Startgelände den Lauf visualisieren sieht: Haben Sie da wirklich jedes Tor vor Augen?
Ich bin ein Fahrer, der alles genau weiss. Nicht nur jedes Tor – jeden Meter eines Laufs, jeder kleine Schlag und auch wie der Schnee an den verschiedenen Orten beschaffen ist.

Wie lange benötigen Sie, bis Sie sich das alles gemerkt haben?
Im ersten Lauf hat man 45 Minuten Zeit für die Besichtigung, im zweiten Lauf 30 Minuten. Ich benötige definitiv immer die gesamte Zeit dafür.

Analysieren Sie alle Ihre Rennen oder sagen Sie sich beim letzten Riesenslalom, es kommt ja nichts mehr?
Ja, ich analysiere alle meine Rennen. Nicht immer in der Form, dass ich mit dem Trainer vor den Computer sitze. Aber ich schaue mir meistens die besten Fahrten eines Laufes nochmals vor dem TV an. (aargauerzeitung.ch)

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9 Kommentare
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MixMasterMike
15.03.2024 17:47registriert Mai 2015
Grandiose Saison von Odi.
Immer wieder beeindruckend, diese Konstanz auf Top-Level - die anderen Athleten zeigen auch super Leistungen und er schaffts trotzdem immer wieder schneller zu sein.
Alles Gute für das Saisonfinale!

Und btw: Loic Meillard hat gute Chancen, den Gesamtweltcup als 2. zu beenden 🍀
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