Regentropfen prasseln auf das Festzelt im Genfer Parc des Eaux-Vives, als Novak Djokovic kurz nach 14.00 Uhr hier Platz nimmt. Es ist eine kleinere Bühne, als es der 24-fache Grand-Slam-Sieger gewohnt ist. Doch wie im vergangenen Jahr braucht der Serbe im Vorfeld der French Open (ab 25. Mai) Spielpraxis. Sowohl in Monte Carlo als auch in Madrid hatte er sein erstes Spiel verloren. Zwei Spiele, null Siege auf Sand, lautet seine Bilanz.
Obwohl viele Fragezeichen ihn umgeben, ist Djokovic blendend aufgelegt. Erst referiert er auf Serbisch. Er ist gesprächig, ausschweifend, charmant und pünktlich, «schliesslich bin ich in der Schweiz». Obwohl er erst zum zweiten Mal bei den Geneva Open spielt, wo er im vergangenen Jahr den Halbfinal erreicht hatte, fühle es sich hier für ihn «wie Zuhause» an.
Novak Djokovic, Sie haben Familie in Genf. Welche Rolle spielte das bei Ihrer Entscheidung, die Geneva Open zu spielen?
Es war einer der Hauptgründe, hierherzukommen. Meine Familie in der Schweiz lebt seit Jahrzehnten hier, mein Onkel arbeitet hier und meine Cousine wurde kürzlich Mutter. Ich freue mich darauf, das Kind zum ersten Mal zu sehen. Es ist ein Teil der Familie, mit dem ich aufgewachsen bin, den ich selten sehe und der mir sehr wichtig ist.
Und ihre Kinder sind ebenfalls in Genf?
Meine Eltern Srdjan und Dijana sind bereits hier. Meine Frau Jelena, mein Sohn Stefan und Tochter Tara reisen am Mittwoch nach. Es ist eine Familienangelegenheit. Wir verhandeln mit den Organisatoren, damit wir genügend Plätze im Stadion bekommen (lacht). Vieles in meinem Leben hat sich verändert. Und auch wenn ich nicht mehr so erfolgreich bin, kann ich sagen: Es hat sich zum Guten verändert.
Sportlich haben Sie hingegen schwierige anderthalb Jahre hinter sich mit Verletzungen und weniger guten Resultaten, als sie es gewohnt sind. Wie gehen Sie mit dieser für Sie völlig neuen Situation um?
Stimmt. Es ist ein neues Kapitel in meinem Leben. Ich bin es nicht gewohnt, zwei Mal in Folge in der ersten Runde zu verlieren. Ich glaube, das ist mir in zwanzig Jahren noch nie passiert. Zugleich war mir klar, dass dieser Augenblick kommen würde. Es fällt mir schwer, jetzt darüber nachzudenken, was ich alles erreicht habe, weil ich noch immer grosse Ziele habe und Grand-Slam-Turniere gewinnen will.
Sie haben in diesem Jahr auf Sand noch kein Spiel gewonnen...
Deswegen bin ich in Genf. Natürlich möchte ich auch hier gewinnen. Aber primär geht es darum, in Form zu kommen, damit ich in Paris die besten Spieler der Welt herausfordern kann. Meine Motivation ist ungebrochen gross. Aber ich muss lernen, meinen Körper besser zu verstehen und herausfinden, was ich brauche, um auch künftig bei den Grand-Slam-Turnieren mein bestes Tennis spielen zu können.
Sie haben sich kürzlich nach wenigen Wochen bereits wieder von Andy Murray als Trainer getrennt. Was sind die Hintergründe?
Für uns war klar, dass es keine langfristige Zusammenarbeit sein wird und dass wir von Turnier zu Turnier schauen. Wir haben leider nicht die Resultate erreicht, die wir uns erhofft hatten. Wir hatten beide das Gefühl, dass wir nicht mehr herausholen können. Deswegen haben wir entschieden, uns zu trennen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Aber mein Respekt für Andy ist noch grösser geworden. Er versteht ungemein viel vom Tennis. Leider haben wir es nicht geschafft, das in Resultate umzumünzen, wie wir sie uns vorgenommen hatten.
Wer begleitet sie als Trainer?
Hier in Genf und in Paris bin ich mit Dusan Vemic, dem serbischen Fed-Cup-Captain, und Boris Bosnjakovic unterwegs, der schon länger Teil meines Teams ist. Wie es danach weitergeht, werden wir sehen. Ich habe keine Eile, mich in dieser Frage festzulegen.
Sie spielen seit über zwei Jahrzehnten um grosse Titel und stehen im Rampenlicht. Wie gehen Sie als Sportler und Mensch damit um?
Billie Jean King (39-fache Grand-Slam-Siegerin, Anm. d. Red.) hat immer gesagt: Druck ist ein Privileg. Und ich stimme dem absolut zu. Denn es zeigt dir, dass du Etwas Bedeutendes tust, das dir wichtig ist. Es ist meine Wahl, Tennis zu spielen, in den letzten Jahren mehr denn je. Ich liebe es, mich auf dem Tennisplatz auszudrücken und diese Emotionen zu erleben, auch wenn es nicht mehr so einfach ist, wie es das zuvor gewesen sein mag. Aber ich weiss, was es heisst, ganz oben zu stehen und , was es braucht, Grand-Slam-Turniere zu gewinnen. Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch um diese Titel spielen kann.
Erst sieben Turniere hat Novak Djokovic in diesem Jahr gespielt, 12 Spiele gewonnen und 7 verloren. 4 Mal verlor er gleich sein erstes Spiel, zuletzt in Monte Carlo und Madrid. Zwar hat er im Sommer 2024 in Paris im Einzel Olympia-Gold gewonnen, auf der ATP-Tour wartet der Serbe hingegen seit November 2023 und den World Tour Finals in Turin auf einen Turniersieg.
Anfang Jahr hatte Djokovic den Halbfinal der Australian Open erreicht, wo er gegen Alexander Zverev mit einer muskulären Verletzung aufgeben musste. In Miami unterlag er im Final dem Tschechen Jakub Mensik.
In Genf heisst der erste Gegner Marton Fucsovics (33, ATP 134), gegen den Djokovic alle fünf Duellen gewonnen hat. Und doch ist Vorsicht geboten: 2018 gewann der Ungar in Genf den Titel. Am Donnerstag feiert Djokovic seinen 38. Geburtstag. Von Fucsovics darf er keine Geschenke erwarten. (riz/aargauerzeitung.ch)