Erst war er in Santa Margherita di Pula, dann in Rom, zuletzt in Francavilla al Mare, demnächst reist er nach Vicenza. Nicht etwa für dolce vita, dolce far niente, das süsse Nichtstun, dem Herr und Frau Schweizer in Italien am liebsten frönen, nein. Der Tennisspieler Dominic Stricker kämpft bei den Challenger-Turnieren um den Anschluss und um seine sportliche Zukunft.
Vor anderthalb Jahren, im Alter von 20 Jahren, stand er bei den US Open in den Achtelfinals und gehörte den hundert Besten der Welt an. Hartnäckige Rückenprobleme setzten ihn im vergangenen Jahr für sechs Monate ausser Gefecht. Und als er zurückkam, blieb der Erfolg aus. Vier Siege gelangen ihm in der gesamten letzten Saison auf der ATP-Tour, der letzte datiert vom Oktober 2024.
Dazu kamen persönliche Probleme, die Abnabelung vom Elternhaus um Mutter Sabine und Vater Stephan, der als sein Agent auftrat. Mit seiner fordernden Art ecke er überall an und habe wiederholt den Verband Swiss Tennis angegriffen, weil dieser seinen Sohn seiner Meinung nach zu wenig unterstütze, berichtete die NZZ. Gerüchte, spätestens Ende Jahr wolle er seine Karriere beenden, dementierte Stricker gegenüber CH Media.
Nun ist nichts mehr, wie es Anfang Jahr noch gewesen war. Zwar spielten sie zum Abschluss ihrer zweijährigen Zusammenarbeit noch Doppel und betonen, die Trennung erfolge im Guten, dennoch gehen sein deutscher Trainer Dieter Kindlmann und Stricker künftig getrennte Wege.
Zwar ist die Änderung im Handelsregister noch immer nicht erfolgt, was steuerliche Gründe haben soll, aber offenbar hat Stricker die Kontrolle über die «Dominic Stricker GmbH» übernommen. Das bestätigt eine mit dem Fall vertraute Person. Bisher waren die Eltern Zeichnungsberechtigte und Teilhaber und kontrollierten damit Einkommen und Vermögen des 22-Jährigen, der künftig auch beruflich auf eigenen Beinen stehen will.
Sportlich ist der Neuanfang geglückt, jüngst erreichte Stricker bei einem Challenger-Turnier den Halbfinal und verbesserte sich in der Weltrangliste auf den 230. Rang. Anfang Jahr war er noch aus den Top 300 gefallen. Zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Denn Geld lässt sich in dieser Zwischenwelt nicht verdienen. Auf 905 Dollar belief sich das Preisgeld für den Halbfinal in Santa Margherita di Pula. Heisst: Stricker zahlt drauf.
Damit sitzt er finanziell und sportlich zwischen Stuhl und Bank: Weder kann er Trainerkandidaten ein adäquates Fixum bezahlen, noch kann er diese mit einer hohen Erfolgsbeteiligung überzeugen. Zudem ist der Markt an qualifiziertem Personal ausgetrocknet. Die besten Trainer heuern bei Spitzenspielern an, die ihnen eine gewisse finanzielle Sicherheit bieten.
Retter in der Not ist der Verband Swiss Tennis. Einerseits stellt er Stricker im nationalen Leistungszentrum in Biel die Infrastruktur zur Verfügung und ermöglicht ihm, dort unter Beni Linder an seiner Physis zu arbeiten. Vorübergehend unterstützen ihn Michael Lammer, 2014 Davis-Cup-Sieger und heute Nachwuchschef, sowie der Nationaltrainer Kai Stentenbach.
Andererseits unterstützt ihn Alessandro Greco, Leiter Spitzensport, bei der Neuausrichtung, zu der auch die Suche eines neuen Managements gehört. Inzwischen hat Stricker eine eigene Wohnung in der Stadt Bern bezogen, er übernehme Verantwortung und trainiere hart, bestätigen Beobachter.
Doch der Weg zurück bleibt beschwerlich. Weil er in der Weltrangliste weit abgerutscht ist, kann Stricker in der kommenden Woche nicht einmal die Qualifikation zu den French Open bestreiten. 2020 hatte der Berner in Paris das Turnier der Junioren gewonnen. Drei Jahre später kam er dort auch zu seinem Debüt im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers.
Vielleicht entpuppt sich das Fehlen in der Qualifikation noch als Glücksfall. Denn dadurch könnte er beim zeitgleich stattfindenden ATP-Turnier in Genf antreten, wo er 2021 den Viertelfinal erreicht hatte. Die Chancen stehen gut, dass Dominic Stricker wie damals eine Wildcard erhält.