Aufbruchstimmung.
So könnte man die Lage beim HC Davos derzeit in einem Wort zusammenfassen. Die letzte Saison war katastrophal: Statt um den Meistertitel kämpfte der Traditionsklub gegen den Abstieg und Trainerlegende Arno Del Curto warf nach 22 Jahren den Bettel hin. Nun ist alles anders.
Die Bündner haben ihr Management komplett umgebaut. Neo-Sportchef Raeto Raffainer und der neue Trainer Christian Wohlwend versprühen Optimismus. Sie erzählen von guter Stimmung im Training und abgestelltem Wifi beim mehrtägigen Teamevent.
Auch Nando Eggenberger ist optimistisch. Der 19-jährige Stürmer hat die letztjährige Seuchensaison nicht vor Ort erlebt, sondern spielte in der kanadischen Juniorenliga bei den Oshawa Generals. Doch auch er hat schwierige Zeiten durchgemacht – beim NHL-Draft wurde er im zweiten Jahr in Folge übergangen. Statt sich einer NHL-Organisation anzuschliessen, ist er nun zurück bei seinem Stammverein.
Nando Eggenberger, wie haben Sie die schwierige letzte Saison des HCD in Übersee mitverfolgt?
Nando Eggenberger: Ich habe viele Spiele geschaut. Wenn wir am Nachmittag mal frei hatten, haben die Partien in der Schweiz gerade begonnen. Zudem stand ich auch mit einigen Spielern regelmässig in Kontakt. Es ist mein Heimklub, und es hat natürlich geschmerzt, das zu sehen.
War diese Saison noch ein Thema, als ihr euch diesen Sommer zum Trainingsstart getroffen habt?
Nein, sie haben alles schon nach dem Abschluss der letzten Saison aufgearbeitet. Das Team hat alles schon hinter sich gelassen, bevor ich wieder dazugestossen bin. Als ich zur Mannschaft stiess war alles normal, alle waren sehr motiviert. Es hat viele Veränderungen gegeben. Das ist gut. So kann man sich wieder auf Neues konzentrieren.
Hat es Sie überrascht, als Arno Del Curto zurückgetreten ist?
Es hat mich extrem überrascht. Ich bin aufgewacht am Morgen, habe das Handy eingeschaltet und habe all die Nachrichten gesehen. Ich wusste natürlich, dass es irgendwann kommen könnte, aber dass es gleich so plötzlich passiert, habe ich nicht erwartet. Es ist schon krass. Er war 22 Jahre dort und ich bin nicht einmal so alt. Seit ich denken kann, war Arno beim HCD. Es ist irgendwie fast unvorstellbar.
Er war auch einer Ihrer Förderer. Hatten Sie Kontakt zu ihm, nach seinem Rücktritt?
Arno hat mich in die erste Mannschaft geholt und mich extrem weitergebracht. Aber seit seinem Abgang hatte ich keinen Kontakt mehr. Ich denke, er braucht einfach seine Zeit.
Es gab Stimmen, wonach Del Curto seinen Touch mit den jungen Spielern verloren hat. Wie haben Sie das empfunden, bevor Sie nach Amerika gingen?
Er hat sehr vielen jungen Spielern die Chance gegeben, in die erste Mannschaft zu kommen und sich zu zeigen. Mich persönlich hat das weiter gebracht, dass ich so früh schon mit Erwachsenen spielen konnte. Ich glaube, das hat er immer sehr gut gemacht.
Aber Sie hatten nie das Gefühl, dass ihr aneinander vorbeiredet.
Nein, das glaube ich nicht. Von Hockey hat er immer viel verstanden und bei uns jungen Spielern hat er immer gesehen, was wir brauchen. Arno war immer sehr ehrlich. Wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen lief, sagte er das auch. Das passt vielleicht nicht jedem, aber ich hatte es immer sehr gut mit ihm.
Jetzt sind Sie nach einem Jahr in Nordamerika wieder zurück beim HCD. Warum?
Nach dieser Saison hatte ich gehofft, gedraftet zu werden. Ich wollte nach der Ziehung schauen, wie es weitergeht. Als ich nicht gedraftet wurde, habe ich mich mit meiner Familie und den Agenten besprochen. Da kamen wir zum Schluss, dass der HCD die beste Variante ist.
Sie hatten noch einen laufenden Vertrag beim HCD. Haben sich trotzdem andere Teams gemeldet?
Ich hätte sicher auch im Ausland bleiben können. Auch aus der Schweiz haben mich Teams kontaktiert und gefragt, wie meine Zukunft aussieht. Für mich war aber klar: Wenn ich zurückkehre, ist der HCD die einzige Option.
Der NHL-Traum lebt aber weiter.
Sicher, der ist immer noch im Vordergrund. Ich will mich beim HCD wieder für die NHL-Teams empfehlen und werde alles für diesen Traum machen.
Wie hat Sie die Saison bei den Oshawa Generals weitergebracht?
Ich konnte sehr viel spielen und durfte im Powerplay und im Boxplay ran. Diese Spielpraxis war extrem nützlich. Dann habe ich das Leben in Nordamerika kennengelernt. Es hat mich menschlich und sportlich weitergebracht.
Was war das Wichtigste, das Sie gelernt haben?
Die Eigenständigkeit. Man muss in Nordamerika selbst viel Verantwortung übernehmen. Man muss selbst trainieren, niemand kaut dir dein Programm vor. Und wenn du nicht gut bist, spielst du einfach nicht mehr. Ich habe gelernt auf mich selbst zu schauen und an mir selbst zu arbeiten.
Sie mussten nicht nur einen, sondern gleich zwei Drafts miterleben, in denen Sie nicht gezogen wurden. Wie war das?
Wenn du nicht gedraftet wirst, ist im ersten Moment Enttäuschung da. Du bist demotiviert und beginnst etwas zu zweifeln. Doch bei mir ging das dann schnell in Motivation rüber. Ich wusste, dass es auch beim zweiten Mal möglich ist, dass ich nicht gedraftet werde. Dieses Jahr war ich sofort motiviert und wusste, dass ich mich weiter pushen muss.
Konnten Sie nachvollziehen, warum es nicht gereicht hat?
Letztes Jahr sicher. Ich spielte keine gute Saison und hatte auch bei der U20-WM Mühe. Dieses Jahr hatte ich schon die Hoffnung, dass ich gedraftet werde. Wenn es dann nicht passiert fragst du dich warum es nicht geklappt hat, und besprichst es mit Familie und Beratern.
Fühlt es sich anders an, zurück beim HCD zu sein? Die Strukturen und das Team haben sich ja stark verändert.
Ich finde schon. Es hat sich im Management sehr viel verändert, das spürst du. Früher gab es nicht so viel Kommunikation zwischen Management und Mannschaft. Heute kriegen wir viel mehr mit, was im und rund um den Verein läuft. Es fühlt sich sehr viel besser an als zuvor.
Wie waren die ersten Wochen unter Christian Wohlwend und seinem Team?
Sehr gut! Es ist eine super Truppe. Neben dem Eis kannst du es mit dem gesamten Trainerstaff sehr lustig haben, sie sind voll im Team drin. Und auf dem Eis ist der Respekt vor dem Coach dann trotzdem da. Das ist die perfekte Mischung. Bei den Trainings ist ein Plan dahinter, das fühlt sich sehr gut an.
Sie kannten Wohlwend schon von der U20-Nationalmannschaft. Tritt er als Klubtrainer gleich auf wie als Naticoach?
Grundsätzlich schon. Aber er hat natürlich seine Kommunikation etwas angepasst. In der U20 waren alles Junioren. Nun spricht er täglich mit Erwachsenen.
Wie würden Sie Wohlwend jemandem beschreiben, der ihn nicht kennt?
Er ist motiviert, voller Lebensfreude und sehr ehrlich. Er weiss immer, was er will und er weiss definitiv auch, von was er spricht.
Man hat Sie diesen Sommer auch zum Assistenzcaptain des HCD ernannt. Waren Sie überrascht?
Klar. Als ich zurück kam bin ich mit Wohlwend und Raeto Raffainer (Sportchef, die Red.) zusammengesessen und wir haben dieses Thema dann besprochen. In diesem Moment war ich sicher überrascht, weil ich noch so jung bin.
Warum haben die Coaches sich für Sie entschieden?
Der Plan dahinter ist es, aus jeder «Teamgruppe» einen Spieler in der Führungsgruppe zu haben. Mit Andres Ambühl als Captain ist da ein erfahrener Spieler dabei, mit Magnus Nygren ein Ausländer und mit mir nun auch ein junger Spieler. So haben wir Junge auch eine Stimme und alles harmoniert. Deshalb habe ich diese Ehre auch gerne angenommen.
Der HCD-Trainerstaff geht neue Wege. Der Bericht zum Captains- und Leadershipteam 19/20 jetzt auf https://t.co/Zl5mjS1n1r#HCD pic.twitter.com/R2UMeitjJM
— Hockey Club Davos (@HCDavos_off) August 13, 2019
Hat es eine Rolle gespielt, dass Sie Wohlwend schon kannten?
Ich denke schon. Ich habe schon drei Jahre unter ihm in der U20 gespielt, zwei Jahre auch als Captain. Er wusste sicher schon, wie ich so bin und was er von mir erwarten kann.
Sie sind dennoch erst 19 Jahre alt. Müssen Sie sich den Respekt im Team noch verdienen?
Schwer zu sagen, vermutlich schon. Das Team ist allerdings sehr offen diesbezüglich. Wir sind keine Mannschaft, in der die Spieler neidisch sind. Ich hatte zu Beginn einige Bedenken, aber es ist sehr gut angekommen.
Also sind Sie ein geborener Leader.
Es hat sich irgendwie immer so ergeben. Schon früher in der Schule habe ich gerne die Führung bei Projekten übernommen. Ich sage gerne etwas und übernehme Verantwortung. Vielleicht bin ich tatsächlich für das gemacht.
Wie können Sie das Team weiterbringen?
Ich will immer Vollgas geben. Es ist schwierig zu sagen, dass ich immer Tore schiessen werde. Das wichtigste ist, überall vollen Einsatz zu geben. So kannst du der Mannschaft so viel zurückgeben. Das motiviert, dann gibt jeder Spieler alles für den Kollegen neben ihm. So soll es sein.
Was für einen Spielstil pflegt ihr unter Wohlwend?
Wir wollen ein Puck-Possession-Team sein. Wir wollen den Puck halten und damit etwas kreieren. Nicht einfach die Scheibe tief in die gegnerische Zone spielen und blind hinterher rennen. Natürlich werden wir immer noch versuchen, schnell von Defensive auf Offensive umzuschalten. Aber es ist nicht mehr das Ziel, nur für einen Schuss nach vorne zu rennen und dann gleich wieder umzukehren.
Warum wird die neue Saison besser als die letzte?
Eine Saison wie die letzte hat auch positive Seiten. Du kannst neu beginnen. Wir haben ein neues Management, neue Coaches und eine «Jetzt-erst-recht-Mentalität». Wenn du einmal in so einer Situation warst, willst du nie mehr dorthin. Unser Ziel sind die Playoffs. Und eigentlich ist es ganz einfach: Schlechter kann es nur schwer werden.
Auch viel Freude werden wir an unserem neuen Goalie Aeschlimann haben. In Zug scheint man den Erfolg erzwingen zu wollen, statt mit einem wie ihm etwas aufzubauen. Soll uns recht sein. Merci gäll 😉