Schwingen ist in der Schweiz längst keine Randsportart mehr, sondern wird immer beliebter. Zu Tausenden pilgern die Fans Jahr für Jahr an die regionalen und kantonalen Schwingfeste oder auf den Brünig, die Schwägalp, den Stoos oder zum Schwarzsee an die Bergfeste.
So richtig im Rampenlicht steht der Schwingsport aber dennoch nur alle drei Jahre – wenn das Eidgenössische ansteht und der Schwingerkönig gekrönt wird. Längst ist das ESAF ausverkauft. Neun Stunden pro Tag überträgt das SRF am Wochenende live aus Zug und in so manchem kleineren oder grösseren Dorf werden dafür Public Viewings organisiert.
Damit auch du weisst, worum es genau geht und wie das zweitägige Volksfest abläuft, nehmen wir dich hier mit auf einen kleinen Crashkurs. Also los!
Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest findet nur alle drei Jahre statt, diesmal am Wochenende vom 24./25. August 2019 in Zug. Organisiert wird das Eidgenössische jeweils von einem der fünf Teilverbände:
In diesem Jahr ist der Innerschweizer Schwingerverband an der Reihe. In der Zuger Herti wurde ein Stadion (Zug Arena) für 56'500 Zuschauer aus dem Boden gestampft. Es ist die grösste temporäre Arena der Welt. Für all diejenigen, die kein Ticket ergattern konnten, werden die Kämpfe auf Grossleinwände übertragen. Die Organisatoren rechnen damit, dass rund 350'000 Personen an das Schwingfest kommen werden.
Die Schwingarena erstreckt sich über eine Fläche von fünf Hektaren und hat einen Umfang von 850 Metern. Die Stahlrohr-Tribünen sind 18 Meter hoch.
Entlang der Allmendstrasse, vorbei an der Bossard Arena bis zur Schwinger-Arena lädt eine Festmeile zum Flanieren, Konsumieren, Staunen und Geniessen ein. Das Organisationskomitee um den Zuger Regierungsrat Heinz Tännler verspricht den Besuchern ein «Stadtfest», in dem sowohl das Moderne und Internationale als auch das Traditionelle und Urchige erlebbar seien.
Auf den sieben Sägemehlringen mit je einem Durchmesser von 14 Metern werden sich 276 Schwinger messen. Die grösste Delegation stellen die Innerschweizer mit 85 «Bösen». Auch acht Schwinger aus dem Ausland werden erwartet.
Nominiert werden die Schwinger von ihrem Verband. Meist werden ausschliesslich Kranzgewinner der aktuellen Saison fürs Eidgenössische aufgeboten. Für Athleten, die von einer langen Verletzung zurückkommen, oder für junge, aufstrebende Schwinger wird aber gerne eine Ausnahme gemacht.
Ein Kampf beim Schwingen wird «Gang» genannt und dauert beim Eidgenössischen normalerweise 5 Minuten. Gekämpft wird auf einer kreisförmigen, 7 bis 14 Meter durchmessenden, mit 23 Kubikmetern Sägemehl gepolsterten Fläche. Die zwei Gegner tragen über ihren Kleidern eine kurze, aus Zwilch gearbeitete Hose.
Die beiden Kontrahenten geben sich zuerst die Hand und greifen sich dann an die sogenannte Schwingerhose («Grifffassen») und versuchen, den Gegner durch das Anbringen von «Schwüngen» auf den Rücken zu zwingen. Der Sieg ist gültig, falls der überlegene Schwinger den Unterlegenen mit mindestens einer Hand an der Schwinghose festhält und der Unterlegene den Boden mit beiden Schulterblättern oder mindestens zwei Dritteln des Rückens berührt. Gibt's bis zum Ablauf der Gangdauer keinen Sieger, wird der Gang als «gestellt» und somit als Unentschieden bewertet.
Gewichtsklassen gibt es keine. Nicht erlaubt sind Halsgriffe, Kopfstösse oder der Druckaufbau durch Hebelwirkung gegen Gelenke. Bei Unterbrüchen wird die Zeit angehalten.
Nach der Entscheidung wischt der Sieger dem Verlierer als Ausdruck der Fairness das Sägemehl vom Rücken. Das Duell wird mit einem abschliessenden Händedruck abgeschlossen.
Der Gang wird von einem Platzkampfrichter im Sägemehl und zwei Kampfrichtern am Tisch geleitet und anschliessend bewertet. Pro Gang werden dem Sieger und dem Verlierer Noten verteilt. Dabei wird die Notenskala 8,25 bis 10,00 verwendet. Der Schwinger mit der höchsten Gesamtpunktzahl nach acht Gängen wird am Ende Schwingerkönig (siehe Wettkampfverlauf).
Für diverse Vergehen wie Passivität, absichtliche Verzögerungen oder gefährliche Griffe kann der Kampfrichter dem Schwinger eine Viertelnote abziehen. Erst wird allerdings eine Ermahnung ausgesprochen, dann eine Verwarnung, erst danach kommt es zum Notenabzug.
Vor einem Schwingfest ist kein Spielplan erhältlich, wie dies beispielsweise bei einem Tennisturnier der Fall ist. Es gibt also keine Auslosung, stattdessen bestimmt das Kampfgericht die Einteilung der insgesamt acht Gänge.
Vor dem Wettkampf wird allerdings nur der erste Gang eingeteilt. Die Einteilung erfolgt nach der Qualifikation der Athleten, oft lässt man dabei die aktuell stärksten Schwinger gegeneinander antreten. Danach erfolgt die Einteilung der Gänge anhand der bereits erhaltenen Punktzahl.
Schwinger aus den gleichen Teilverbänden sowie Schwinger aus den gleichen Klubs werden zunächst nicht gegeneinander eingeteilt. Gegen Ende des Schwingfests kann es dann aber durchaus dazu kommen.
Nach dem ersten Tag und den ersten vier Gängen scheiden die schlechtesten 10 bis 15 Prozent der Schwinger aus, nach sechs Gängen weitere 15 Prozent. In den Gängen 7 und 8 geht es um den Kranzausstich. Die besten 15 bis 16 Prozent aller Schwinger erhalten als Preis einen Eidgenössischen Kranz. Fortan dürfen sie sich «Eidgenossen» nennen.
Um den Königstitel kämpfen im Schlussgang die beiden Schwinger mit der höchsten Punktzahl nach sieben Gängen. Da aber auch die restlichen Schwinger den achten Gang absolvieren, kann es vorkommen, dass am Schluss keiner der beiden Schlussgang-Schwinger, sondern ein dritter Schwinger Festsieger wird.
Das Eidgenössische wird bereits am Freitag eröffnet. Der Fahnenempfang findet um 13 Uhr auf dem Landsgemeindeplatz in Zug statt, dann marschiert der Festumzug zum Festgelände. Um 15 Uhr werden die Einteilungen für den 1. Gang bekanntgegeben.
Samstag, 24. August:
Sonntag, 25. August:
Am «Eidgenössischen» messen sich nicht nur die besten Schwinger des Landes, sondern auch die besten Steinstösser in drei verschiedenen Kategorien. Diese Wettkämpfe finden auf der Leichtathletik-Anlage statt. Nur die fünf besten Steinstösser mit dem 83,5 Kilogramm schweren Unspunnenstein werden am Sonntagnachmittag den Finalwettkampf in der Schwingarena bestreiten können.
Um den Gegner zu bezwingen, gibt es über 300 Variationen von Griffen und Schwüngen. Hier die gebräuchlichsten.
Der Kurzzug ist der am meisten verwendete Schwung. Man macht eine Körperfinte nach links, um anschliessend mit dem linken Bein zwischen die Beine des Gegners zu gelangen. Mit festem Griff folgt eine Drehung nach rechts. Spezialisten: Matthias Glarner, Samuel Giger, Joel Wicki, Pirmin Reichmuth.
Das eigene Bein geht sprungartig hinter das diagonal liegende Bein des Gegners. Danach wird der Oberarm fixiert und mit wuchtigem Druck nach vorne vervollständigt. Bei korrekter Ausführung ist dieser Schwung ein Garant für Maximalnoten. Spezialisten: Armon Orlik, Joel Wicki.
Der Brienzer ist eine der effektivsten Waffen für Schwinger mit körperlichem Nachteil. Der Angreifer fasst Griff über die Schulter am Gurt des Gegners. Er hängt mit dem Bein beim Gegner ein, packt mit der anderen Hand dessen Oberarm. Er hebt das Bein an und leert nach vorne rund ab.
Mit einer ruckartigen Bewegung des eigenen Gesässes nach links wird der Gegner über das eigene Hinterteil auf den Rücken gedreht. Wichtig zur Fixierung bei diesem Schwung ist der Griff mit der linken Hand an den rechten Oberarm des Gegners. Spezialisten: Kilian Wenger, Armon Orlik.
Der Bur ist der am häufigsten angewandte Schwung im Bodenkampf. Mit dem linken Bein wird das Knie des Gegners fixiert. Anschliessend wird mit der rechten Hand im Spalt bis zum Gurt an der Schwingerhose gegriffen, wodurch die Bewegungsfähigkeit des Gegner eingeschränkt wird. Danach wird der Gegner mit Hilfe der rechten Hand, verbunden mit einer Drehbewegung, am Boden überdrückt.
Der Angreifer hakt entweder mit seinem linken Bein am rechten des Gegners oder umgekehrt ein. Mit gleichzeitigem Vorwärtsdruck aus dem Oberkörper wird der Gegner rücklings aus dem Gleichgewicht gebracht und auf den Boden gedrückt. Der Nachteil des Gammen: Die Knie werden sehr stark belastet – Spezialisten leiden oft an Knieverletzungen. Spezialisten: Christian Stucki, Daniel Bösch.
Der Angreifer attackiert den Gegner mit einem Gammen, klemmt dann das gegnerische Bein mit den eigenen Beinen ein und hakt nachher übers Kreuz mit dem anderen Bein ein. Dadurch ist der Gegner in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und kann sich kaum mehr ausdrehen. Spezialisten: Bernhard Kämpf, Christian Schuler.
Der Fussstich ist ein Überraschungsschwung und wird meist angewandt, wenn man dem Gegner körperlich unterlegen ist. Zunächst wird eine Drehung angetäuscht, anschliessend stellt man mit dem rechten Fuss beim Gegner an und dreht mit viel Kraft nach hinten ab. Spezialisten: Pirmin Reichmuth, Armon Orlik.
Schwinger erhalten keine Preisgelder, sondern können sich bei den Lebendpreisen oder am Gabentisch bedienen. Traditionellerweise stehen Braunvieh, Pferde, Treicheln, Bauernmöbel und landwirtschaftliche Geräte zur Auswahl. Mittlerweile gibt's aber auch Motorroller, Laptops oder iPhones zu gewinnen.
Der Gabentempel hat einen Gesamtwert von rund einer Million Franken. Die 400 Preise haben einen Einzelwert von zwischen 1'500 und 30'000 Franken.
» Hier geht's zu den Lebendpreisen 2019
Für den Zweit-und Drittplatzierten gibt es je ein Rind. Auf den Sieger wartet traditionsgemäss ein prächtiger Stier als Lebendpreis. Diesmal «Kolin». Meist behält der König ihn allerdings nicht, sondern verkauft ihn weiter. Fast wichtiger als der «Siegermuni» ist in den letzten Jahren ohnehin eine andere Belohnung geworden: Die lukrativen Werbeverträge, die auf den Schwingerkönig warten.
(mit Material von SDA, Wikipedia, schlussgang.ch und Emmentaler Switzerland)
Bort?
Der Kolin ist ein ganz schoener Brummer...letztes WE bestaunt. Kommentar von kleinen Besuchern "der hat aber ein komisches Euter" :-D
In diesem Sinne "Auf gehts PIRI" !
Glenn Quagmire
Korrekt