Die Erwartungen waren riesig, die Enttäuschung gross. Der Tessiner Noè Ponti musste an den Olympischen Spielen in Paris über 100 m Delfin mit Rang 4 vorliebnehmen.
Das Rennen fand am Samstagabend statt. Nun ist Mittwoch und es kursieren Videos, die den Anschlag seines Gegners Joshua Liendo sezieren. In der Zeitlupe und auf Standbildern ist deutlich zu erkennen: Der Silbermedaillengewinner aus Kanada schlägt zuerst mit der linken Hand an, erst danach mit rechts.
Die Regel 5.0.4 der Regeln der Fina für Wettkampfschwimmen besagt, dass der Anschlag im Delfin mit beiden Händen gleichzeitig erfolgen muss:
Weshalb das Tessiner Fernsehen den Medaillengewinn des Kanadiers Liendo nun in Frage stellt und Swiss Aquatics, der Schweizer Verband, in Absprache mit Swiss Olympia die möglichen nächsten Schritte bespricht.
Es dürfte sich um einen Sturm im Wasserglas, Pardon: im Olympiabecken, handeln. Denn das Reglement sagt auch, dass ein Protest innert einer halben Stunde nach dem Wettkampf eingereicht werden muss. Und wer den Lauf in Originalgeschwindigkeit sieht, kann nachvollziehen, dass die Schwimmrichter keinen Verstoss feststellten, obwohl ihr Auge geschulter ist als das eines Laien.
Natürlich ist es sehr ärgerlich für Noè Ponti, dass dieser Tatsachenentscheid gegen ihn ausfiel. Womöglich wäre Liendo tatsächlich für den Fehler bestraft worden, wäre dieser auf der Stelle bemerkt worden.
Aber wo kämen wir hin, wenn jetzt noch gehandelt würde? Wo kämen wir hin, wenn Tage nach einem Wettkampf das Resultat wegen eines Tatsachenentscheids geändert würde?
Es reicht, dass viele Sportarten einen VAR (Videoschiedsrichter) haben, der unmittelbar allfällige Regelverstösse prüft und ahndet. Würden Athleten und Verbände künftig die Möglichkeit haben, tagelang intensiv Videos zu prüfen und anschliessend zu rekurrieren, wäre das nicht im Sinne des Sports. Und bei aller Tragik für Direktbeteiligte: Der Sport lebt nicht zuletzt auch von Fehlern.
Aus Schweizer Sicht ist es schade. Aber es ist der einzig richtige Entscheid, wenn sich am Klassement des Rennens über 100 m Delfin nichts mehr ändert.