Wie die Zeit vergeht! Die 30-jährige Bernerin ist in Eugene die älteste Athletin im Schweizer Team – und die erfolgreichste. An den letzten Weltmeisterschaften 2019 in Doha gab es Bronze über 200 m, an der Hallen-WM im Februar in Belgrad feierte Kambundji im 60-m-Sprint sogar ihren ersten Titel auf Weltniveau.
Die Bernerin hat drei Chancen auf Edelmetall: über 100 m, über 200 m und mit der Staffel (separater Text). Dass die Form stimmt, bewies Mujinga Kambundji mit zwei Schweizer Rekorden im Juni. Das macht sie zur schnellsten Europäerin auf beiden Sprintstrecken, aber nicht automatisch zu einer Favoritin. Über beide Distanzen liefen acht Konkurrentinnen 2022 schon schneller. Doch Kambundji ist stets da, wenn es zählt.
100 m, Halbfinal: Montag, 18. Juli, 02.33 Uhr
Final: Montag, 18. Juli, 04.50 Uhr
200 m, Halbfinal: Mittwoch, 20. Juli, 03.05 Uhr
Final: Freitag, 22. Juli, 04.35 Uhr
Was war das für ein Satz in Götzis! Sage und schreibe 8.45 m flog der Appenzeller Simon Ehammer durch die Luft. Das ist Weitsprung-Weltrekord im Rahmen eines Zehnkampfs. Gelingt ihm an der WM ein ähnlicher Exploit, dann ist der Weg aufs Podest für den 22-Jährigen kurz. Denn nur Olympiasieger Miltiadis Tentoglou (8.55 m) sprang heuer schon weiter als Ehammer. Am 2022 noch ungeschlagenen Griechen kam auch der Appenzeller noch nie vorbei. Und Miltiadis fehlt in seiner beeindruckenden Titelsammlung nur noch WM-Gold.
Für Simon Ehammer ist der Final kein Selbstläufer. Zuerst muss sich das Multitalent als einer von zwölf Athleten für den Final qualifizieren. Bei 27 Springern, die in diesem Jahr schon 8.10 m oder weiter flogen, eine Herausforderung für sich. Schafft Simon Ehammer diese Hürde, dann liegt für den ultimativen Wettkampftypen alles drin.
Qualifikation: Samstag, 16. Juli, 03.00 Uhr
Final: Sonntag, 17. Juli, 03.20 Uhr
Bei den letzten beiden Auftritten behaupteten sich die drei grossen Sprintnationen Jamaika, USA und Grossbritannien vor der Schweiz. Nun scheint die Zeit reif für die erste Medaille der Frauenstaffel. Bemerkenswert: Mit der formstarken Zugerin Géraldine Frey hat es gar eine WM-Débutantin auf Anhieb ins prestigeträchtigste Quartett der Schweizer Leichtathletik geschafft. Sie läuft mit dem bewährten Trio Mujinga Kambundji, Salomé Kora und Ajla Del Ponte.
Die neu formierte Staffel gab beim Meeting in Stockholm Ende Juni mit dem klaren Sieg in Jahresweltbestzeit von 42.13 Sekunden schon mal eine Duftmarke ab. Der erste Lauf unter der 42-Sekunden-Marke ist realistisch – und damit auch der Sprung aufs Podest. Denn die Britinnen scheinen weniger stark als bei Olympia und selbst die US-Sprinterinnen sind Wundertüten. Aber aufgepasst: Auch Deutschland glaubt an Edelmetall.
Vorlauf: Samstag, 23. Juli, 02.40 Uhr
Final: Sonntag, 24. Juli 04.30 Uhr
Disziplinen mit einer beschränkten Anzahl von Versuchen haben stets auch einen starken mentalen Aspekt. So gewinnt etwa im Hochsprung nicht zwingend jener Athlet, der am Tag X die besten Beine hat. Sondern jener, der sein Nervenkostüm am besten im Griff hat. Und es gibt Hochspringer, die wunderbar fliegen, aber an Grossanlässen regelmässig in der Qualifikation scheitern.
Der Waadtländer Loïc Gasch hat in den vergangenen 14 Monaten in Bezug auf Sprungvermögen und Nervenstärke eine beeindruckende Entwicklung erlebt. Mit dem Schweizer Rekord von 2.33 m im Mai 2021 katapultierte sich der 27-Jährige in die obere Hubraumklasse der Hochspringer. Mit dem Gewinn von WM-Silber in der Halle im Februar in Belgrad (2.31 m) hat er sich bei einem Grossanlass bewährt. Wieso nicht auch in Eugene? Erst fünf Gegner sprangen 2022 schon höher als er.
Qualifikation: Freitag, 15. Juli, 19.10 Uhr
Final: Dienstag, 19. Juli, 02.45 Uhr
Er ist erst 23 Jahre alt, kann an guten Tagen aber bereits mit den Allerbesten mithalten – etwa im vergangenen Jahr als Zweiter beim Diamond-League-Meeting in Lausanne. Bei 13.12 Sekunden liegt Jason Josephs Schweizer Rekord. In diesem Jahr lief mit US-Star Devon Allen erst ein Hürdensprinter unter 13 Sekunden. Der Abstand zur Weltspitze ist also gering.
Und die Geschichte lehrt uns: In einem Hürdenfinal ist stets alles möglich. Schon oft gerieten Favoriten im wahrsten Sinne des Wortes ins Straucheln. Auch Joseph hatte es in der Vergangenheit bei wichtigen Rennen mit den Nerven. So schied er sowohl bei der WM in Doha wie auch bei Olympia in Tokio im Halbfinal aus und blieb zeitlich beide Male unter seinen Erwartungen. Rechtzeitig für Eugene scheint Josephs Form aber zuletzt auf WM-Niveau zu steigen. Vielleicht überspringt der Baselbieter nun erstmals die Halbfinal-Hürde.
Halbfinal: Montag, 18. Juli, 02.05 Uhr
Final: Montag, 18. Juli, 04.50 Uhr
Das Hürdenfinale von Tokio wird bisweilen als das grösste Rennen der Geschichte betitelt. Der Fabelweltrekord von Karsten Warholm (45.94) und die pulverisierten Bestzeiten durch die Medaillengewinner Rai Benjamin und Alison dos Santos. Was passiert an der WM? Bei den Frauen lief Sydney McLaughlin, die beste Hürdenläuferin der Geschichte, heuer schon Weltrekord (51.41).
Männer: Mittwoch, 20. Juli, 04.50 Uhr.
Frauen: Samstag, 23. Juli, 04.50 Uhr
Eine technische Disziplin, die nach dem Fabelweltrekord von 1996 (98.48 m) für zwei Jahrzehnte kaum auf Beachtung stiess, fesselte zuletzt Leichtathletik-Fans rund um den Globus. Einerseits, weil auf einmal ein halbes Dutzend Athleten über 90 Meter weit werfen kann. Andererseits, weil die zwei letzten Grossanlässe für Medaillengewinner aus fünf Ländern von vier Kontinenten sorgten. Mit Neeraj Chopra gewann erstmals ein Inder Leichtathletik-Gold bei Olympia, mit Julius Yego wirft ein Athlet der Läufernation Kenia den Speer ziemlich weit und mit Anderson Peters tritt ein Sportler aus Grenada als Titelverteidiger an. Als Beilage die üblichen Verdächtigen aus Deutschland und Tschechien.
Final: Sonntag, 24. Juli, 03.35 Uhr
Sie war die beste 800-m-Läuferin der Welt, gewann zweimal Olympiagold und dreimal bei Weltmeisterschaften. Bis ihr der Weltverband im Jahr 2019 den Stecker zog. Die Südafrikanerin Caster Semenya ist intergeschlechtlich, hat weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale. Weil sie auf natürliche Weise zu viel Testosteron produziert, hat man sie und andere Athletinnen von Strecken zwischen 400 m und einer Meile verbannt. Nun steht die 31-Jährige erstmals über 5000 m am Start, wo sie gegen die Weltbesten nicht mithalten kann. Dafür ist Caster Semenya längst zur Ikone jener Menschen geworden, die den Sport nicht länger nach traditionellen Kategorien Mann und Frau einteilen wollen.
Final: Sonntag, 24. Juli, 03.25 Uhr
Wer ist der schnellste Mensch der Welt? Die Entscheidung über 100 m gehört in der Leichtathletik per se zu den grossen Höhepunkten. In diesem Jahr haben drei Dinge beeindruckt: Die Dominanz der US-Sprinter, die gleich vier Medaillenanwärter stellen. Die Zeiten, welche deren Leader Fred Kerley gelaufen ist. Bei sieben Starts blieb der frühere 400-m-Läufer immer unter 10 Sekunden. Zuletzt waren es bei den US-Meisterschaften 9.76 Sekunden. Und der WM-Titel in der Halle von Olympiasieger Marcell Jacobs als Bestätigung der Sensation von Tokio. Der Italiener kam zwar im Freien wegen Verletzungssorgen nicht vom Fleck – aber was heisst das bei ihm schon?
Final: Sonntag, 17. Juli, 04.50 Uhr
Der Sport lebt von charismatischen Ausnahmekönnern. Mondo Duplantis ist ein solcher Typ. Extrovertiert, witzig, einmalig. Der 22-jährige Schwede, der in den USA aufgewachsen ist, fliegt in Höhen, die kein anderer Stabhochspringer annäherend erreicht. An der Hallen-WM schraubte der Showman mit stetem Schalk im Gesicht seinen eigenen Weltrekord auf 6.20 m. Beim letzten Auftritt vor Eugene überquerte er in Stockholm mit 6.16 m eine Höhe, die im Freien noch nie übersprungen wurde. Für die WM kündete er an, «etwas Spezielles» vorzuhaben. Für einen Weltrekord gibt es eine Prämie von 100'000 Dollar. Bei aller Brillanz: Weltmeister war Duplantis noch nie.
Final: Montag, 25. Juli, 02.25 Uhr