Per SMS werden nicht nur Liebschaften beendet, Termine fixiert oder Grüsse übermittelt. Per SMS wird auch ein dramatisches Kapitel helvetischer Töffgeschichte geschrieben.
Vor ziemlich genau einem Jahr hat Dominique Aegerter vom hohen Ross herab per SMS den unterschriftsreifen Zweijahres-Vertrag (!) mit dem Team von Jarno Janssen abgelehnt. Er wollte Geld kassieren und nicht Geld bringen. Aber Piloten mit seiner sportlichen Kragenweite müssen halt einen Teil der Sponsoreneinnahmen in die Teamkasse abliefern. An Stelle des Schweizers hat Jarno Janssen den holländischen Nachwuchsfahrer Bo Bendsneyder engagiert.
Mit dieser verhängnisvollen SMS hat Dominique Aegerter (28) versehentlich die Karriere von Jesko Raffin (23) gerettet. Und die eigene gefährdet. Im GP-Geschäft geht es halt manchmal zu und her wie in einem hölzernen Himmel.
Der Zürcher steht im Herbst 2017 auf der Strasse. Seine Zulassung für die Moto2-WM 2018 wird vom zuständigen Selektionskomitee abgelehnt. Angeblich wegen fahrerischen Mängeln. In Tat und Wahrheit, weil Teamchef Fred Corminboeuf die Nenngebühr von 20 000 Euro nicht bezahlt hatte.
Jesko Raffin muss einen Grundsatzentscheid fällen: den Sport aufgeben oder irgendwie weitermachen? Er sagt rückblickend. «Ich hatte so viel in den Rennsport investiert. Diese ganzen Jahre und all die Arbeit konnten doch nicht umsonst gewesen sein und ich wusste, dass ich gut genug für die Moto2-WM bin.»
Also entscheidet er sich, im Geschäft zu bleiben. Er ist 2018 als Experte für das Schweizer Fernsehen vor Ort und bestreitet als Ersatzfahrer in einem spanischen Team die sechs letzten Rennen. Mit einem 8. Platz als Bestresultat.
Trotzdem bekommt er für 2019 keinen Platz in der Moto2-WM. Und er verliert auch noch seinen Job als TV-Experte. Unser staatstragendes Fernsehen mag die Spesen und ein angemessenes Honorar nicht mehr zahlen. Jesko Raffin sagt: «Ich bin sozusagen ein Sparopfer geworden…»
Im Herbst 2018 steht er wieder vor einem schicksalsschweren Entscheid. Aufhören oder Weitermachen? Er macht weiter. Diese Saison fährt er die WM der Elektro-Töffs und steht als Ersatzfahrer zur Verfügung. Er verdient wenig. Aber entscheidend ist etwas anderes: Er ist vor Ort. Im Geschäft. «Die WM mit den Elektro-Töffs würde ich nicht fahren, wenn sie ausserhalb der GP-Szene stattfinden würde. Aber es ist eine Gelegenheit, den Fuss in der Türe zu haben.» Das Weitermachen hat sich gelohnt.
Er hat diese Saison als Ersatzfahrer für den verletzten Steve Odendal die ersten drei Rennen bei seinem künftigen Arbeitgeber bestritten. Jarno Janssen sagt: «Da hat er uns sowohl als Persönlichkeit als auch fahrerisch beeindruckt.»
Hätte Dominique Aegerter vor einem Jahr Jarno Janssens Offerte akzeptiert, wäre für nächste Saison kein Platz für Jesko Raffin. Seine SMS-Absage ist das Glück, ja die Karriere-Rettung für den Zürcher. Jarno Janssen stimmt dieser polemischen Interpretation mit einem süsssauren Lächeln zu: «Ja, so kann man das sagen.»
Das ist die gute Neuigkeit vom GP von Österreich: Jesko Raffin kann nächste Saison seine Karriere neu starten. Die weniger gute: Dominique Aegerter zittert im italienischen «Bastelteam» MV Agusta um die Fortsetzung seiner Karriere.
Ein SMS hat Töffgeschichte geschrieben.