Es ist ein Befreiungsschlag. Platz drei für Dominique Aegerter in Mugello. Nach den Rängen 15, 18, 13, 16 und 10 in den ersten fünf Rennen. Wie ist dieses wundersame Comeback möglich?
Rennfahrer sind harte Jungs. Sie schwingen sich nach fürchterlichen Stürzen gleich wieder in den Sattel. Aber ihr Selbstvertrauen kann zerbrechlich sein wie Glas. Sie reagieren oft sensibel wie Rennpferde auf Veränderungen im Umfeld.
Dominique Aegerter hat Monate gebraucht, um mit der Präsenz von Tom Lüthi in seinem Team und mit den hohen Erwartungen nach der traumhaften letzten Saison fertig zu werden. Die Krise hat ihn umso härter getroffen, weil er vorher nie einen Rückschlag erlitten hatte. Bisher war immer alles nach Programm gelaufen. Der Erwartungsdruck nach der grandiosen letzten Saison mit dem ersten GP-Sieg lähmte den coolen Asphaltcowboy.
Erst seit er alle Titelhoffnungen abgeschrieben hat und sich nur noch Klassierungen in den «Top 10» zum Ziel setzt, ist er ruhiger und schneller geworden. Noch fehlen ihm die Konstanz und die Sicherheit auf höchstem Niveau, die ihm 2013 und 2014 den Aufstieg in die Weltklasse ermöglicht haben.
Aber dieses Comeback im Mugello hat gezeigt: Töff und Talent waren nie das Problem. Die Bremse war in seinem Kopf. Nun brennt das Licht des Selbstvertrauens wieder. Aber es flackert noch ein wenig. In zwei Wochen in Barcelona braucht er erneut ein Spitzenresultat. Sonst erlischt es erneut.
Manchmal kann das Selbstvertrauen auch hart sein wie Panzerglas. Beispielsweise bei Tom Lüthi. Er hat durch den Sturz wohl den zweiten Saisonsieg und die erste Verfolgerposition im WM-Gesamtklassement verschenkt. Er ärgerte sich darüber sehr. Aber verunsichert ist er keineswegs.
Anders als Dominique Aegerter hat Tom Lüthi schon viele Krisen durchgestanden. Und so wirkte er in Mugello trotz seines Missgeschickes gelassener und selbstsicherer als Dominique Aegerter nach dem Podestplatz. Es braucht mehr als ein selbst verschuldeter Sturz um Tom Lüthi aus dem inneren Gleichgewicht zu bringen. Aber in Barcelona braucht auch er wieder ein Spitzenresultat. Sonst werden nicht nur seine nach wie vor guten Titelchancen arg reduziert. Das Panzerglas des Selbstvertrauens könnte sonst Risse bekommen.
Dominique Aegerter (90 Starts) und Tom Lüthi (92 Starts) sind die beiden erfahrensten Moto2-Piloten. Sie sind seit der ersten Moto2-Saison (2010) dabei. Die Chancen für den ersten Titel eines Schweizers in der zweitwichtigsten Töff-WM waren noch nie so gross wie jetzt.
Unser «Töff- Dreamteam» hat zwei Fahrer, die fähig sind, aufs Podest zu fahren. Aber einer (Aegerter) hat nach dem miserablen Saisonstart keine Titelchancen mehr. Wenn sich Tom Lüthi keinen «Nuller» mehr leistet, dann kann er im Herbst um den Titel fahren – und er wird einen «Edelhelfer» haben, der dazu in der Lage ist, jederzeit direkt hinter Lüthi die Konkurrenten auf Distanz zu halten. Dominique Aegerters Comeback beschert Tom Lüthi eine historische Titelchance.
Das macht den Sturz des Emmentalers in Mugello so ärgerlich. Mit einem Sieg hätte er mit ziemlicher Sicherheit den Abstand zu WM-Leader Johann Zarco auf elf Punkte reduziert. Aber jetzt sind es 41 Punkte. Die sind aufzuholen. Es sind erst 6 von 18 Rennen gefahren. Aber Tom Lüthi kann sich im Gegensatz zu seinen Rivalen keinen «Nuller» mehr leisten.