In der Regenschlacht von Silverstone fuhr Nico Hülkenberg im Kick-Sauber sensationell hinter den beiden McLaren-Piloten Lando Norris und Oscar Piastri auf den 3. Platz. Und dies, obwohl Hülkenberg nur vom 19. Platz aus in das Rennen startete.
«Wir sind zu langsam, wir haben keine Chance, wenn uns nicht die äusseren Umstände entgegenkommen. Ja, für ein gutes Resultat brauchen wir fremde Hilfe», sagte ein frustrierter Hülkenberg nach dem Qualifying.
Diese ersehnte Unterstützung kam von oben. Bereits nach der Einführungsrunde gingen die ersten Fahrer zum Boxenstopp und wechselten von Regen- auf Trockenreifen. Auch Hülkenbergs Teamkollege Gabriel Bortoleto ging in die Boxengasse, schied allerdings bereits in der Startphase aus. Der Deutsche kam in der zehnten Runde in die Box und wechselte auf neue Intermediate-Pneus.
Eine perfekte Entscheidung, denn kurz darauf kam ein neuer Regenschauer und es mussten alle anderen Fahrer wieder zum Reifenwechsel. Plötzlich stand Hülkenberg auf Platz 5.
Als sich Weltmeister Max Verstappen nach einer Safety-Car-Phase beim Restart drehte, konnte Hülkenberg einen weiteren Platz gutmachen und das Podium schien tatsächlich endlich zum Greifen nah. Doch noch musste Hülkenberg am Kanadier Lance Stroll im Aston Martin vorbei und von hinten kam Lewis Hamilton mit seinem Ferrari immer näher.
Als in der 34. Runde DRS freigegeben wurde, nutzte der 37-Jährige seine Chance und überholte Stroll in der Hangar-Gerade. Nur wenige Kurven später zog auch Hamilton an Stroll vorbei und blieb an Hülkenberg dran.
Mit dem ersten Formel-1-Podestplatz der langen Karriere vor Augen behielt Hülkenberg bei abtrocknender Strecke einen kühlen Kopf. Nach 42 von 52 Runden zog es den siebenfachen Weltmeister Hamilton erneut zu einem Reifenwechsel und er entschied sich für die weichen Trockenreifen. Die Strecke war allerdings weiterhin nicht ganz trocken. Der Brite hatte mit den Soft-Reifen deutlich zu kämpfen. Eine Runde später entschieden sich auch Hülkenberg und sein Team für die trockenen Reifen, allerdings für die mittlere Mischung.
Diese Entscheidung sorgte dafür, dass Hülkenberg seinen Vorsprung ausbauen konnte und das Podium nicht mehr in Gefahr geriet. Der 37-Jährige selbst glaubte lange Zeit kaum, was gerade passierte: «Ich konnte es wohl bis zum letzten Boxenstopp nicht glauben. Als ich dann hörte, dass die Lücke zu Lewis mit der zusätzlichen Runde deutlich grösser geworden war, dachte ich: Okay, das ist gut, etwas Spielraum.»
Dann war es endlich so weit, das «überfälligste Podium der Formel-1-Geschichte», wie es Sauber-Teamchef Jonathan Wheatley nannte, war Tatsache. So lange wie Hülkenberg musste bisher kein Fahrer in der Königsklasse des Motorsports auf einen Podestplatz warten.
Die Karriere von Hülkenberg schien vor sechs Jahren bereits beendet. Nach der Saison 2019 erhielt der Deutsche beim damaligen Rennstall Renault (heute Alpine) keinen neuen Vertrag und hatte 2020 keinen Platz mehr in der Formel 1. In den folgenden drei Jahren arbeitete Hülkenberg unter anderem als TV-Experte bei RTL und Servus TV. Doch immer wieder kam er in der Formel 1 zu einzelnen Einsätzen, als einzelne Fahrer aufgrund einer COVID-19-Infektion nicht teilnehmen konnten.
Erst 2023 erhielt Hülkenberg wieder einen Stammplatz und absolvierte die letzten zwei Saisons bei Haas. Auf dieses Jahr hin folgte nun der Wechsel zum Schweizer Rennstall Sauber – bereits im ersten Rennen fuhr «Hulk» in die Punkte. Vor dem Rennen in Barcelona wurden beim Boliden aus Hinwil einige Updates vorgenommen und die zeigten durchaus Wirkung. Seither ist Hülkenberg in jedem Rennen in die Punkte gefahren. Doch weder beim Fahrer noch beim Rennstall war ein Podestplatz Thema.
Die Hinwiler selbst befanden sich ebenfalls auf einer langen Durststrecke. Den letzten Podestplatz fuhr Sauber 2012 in Suzuka ein, als der Japaner Kamui Kobayashi beim Grand Prix im eigenen Land hinter Sebastian Vettel und Felipe Massa Dritter wurde. Dass es vor dem nächstjährigen Einstieg von Audi bei Sauber tatsächlich wieder einmal mit einem Platz in den ersten drei klappen würde, kam so unerwartet, dass das Team nicht einmal Champagner für die Feier dabeihatte. Zum Glück half Konkurrent Mercedes-Benz aus.
Es wird wohl kaum einen Fan oder Fahrer geben, welcher Hülkenberg diesen Erfolg nicht gönnt. In einem Video nach dem Rennen ist auch zu sehen, wie sich Verstappen mit Hülkenberg freut, und dies, obwohl der Niederländer ein Rennen zum Vergessen erlebte.
This is how a true champion should behave: Max Verstappen had a terrible race, but he’s genuinely thrilled for Nico Hülkenberg.
— Marc🏎 (@433_marc) July 6, 2025
Max is so happy for Nico, it’s as if he won the race himself 🧡💚
pic.twitter.com/ikaQFAmAt1
Auf einem weiteren Video ist zu sehen, wie die Tochter von Hülkenberg vor dem Fernseher freudig herumhüpfte, als ihr Vater die lang ersehnte Trophäe erhielt. Noch besser für die dreijährige Noemi Sky ist es, dass der Pokal aus Lego-Steinen besteht. «Meine Tochter kann dann auch damit spielen», verriet Hülkenberg im Interview mit Auto, Motor und Sport.
NICOS DAUGHTER 😭😭😭😭😭😭😭 pic.twitter.com/Zclr6srLlU
— Laura 🦋 (@formuLau16) July 6, 2025
Bis Hülkenberg realisiert hat, was er an diesem regnerischen Sonntag in Silverstone geleistet hat, wird es noch einige Tage dauern. «Es war ziemlich surreal – ich bin mir gar nicht sicher, wie das alles passiert ist. Natürlich waren es verrückte Bedingungen, Mischbedingungen, ein Überlebenskampf für den Grossteil des Rennens», beschreibt Hülkenberg seine Gefühlslage. «Wir waren einfach richtig gut drauf, mit den richtigen Entscheidungen, die richtigen Reifen zum richtigen Moment.»
Durch den dritten Platz steht Hülkenberg in der Fahrerwertung auf dem neunten Platz und auch Sauber konnte in der Konstrukteurswertung Plätze gutmachen und ist neu Sechster. Das nächste Rennen findet Ende Juli im belgischen Spa statt.