In der 56. Minute wird Leila Wandeler im gestrigen Gruppenspiel beim Stand von 0:0 gegen Island eingewechselt. Die 19-Jährige kommt somit auf einer der grössten internationalen Bühnen überhaupt zum ersten Pflichtspieleinsatz für das Schweizer Nationalteam. Es ist erst ihr zweiter Einsatz in der Nati (der erste war das letzte Testspiel vor der EM gegen Tschechien), doch die junge Stürmerin zeigt eine fantastische Leistung.
In den knappen vierzig Minuten Einsatzzeit (inklusive Nachspielzeit) bereitet Wandeler gleich drei grosse Chancen vor, unter anderem auch das 2:0. Dank dieses Treffers reicht der Schweiz im abschliessenden Gruppenspiel ein Unentschieden gegen Finnland, um das Viertelfinale zu erreichen.
Nach dem Sieg zeigte sich Wandeler im Interview völlig begeistert und lobte die gesamte Mannschaft: «So viele Emotionen, es war wirklich verrückt. Ich bin sehr stolz auf das Team. Ich habe von meinen Mitspielerinnen immer Unterstützung gehabt und sie haben es für mich heute einfach gemacht.» Besonders ihre Unbekümmertheit war erstaunlich und mit ihren starken Dribblings brachte sie die Isländerinnen immer wieder in Gefahr.
Wandeler selbst verpasste in der 80. Minute nur knapp das 2:0. Nach einem schönen Schlenzer ausserhalb des Strafraums traf sie die Latte. Die 19-jährige Stürmerin setzte um, was sich Nati-Trainerin Pia Sundhage von ihr wünschte, wie die Spielerin von Olympique Lyon selbst sagte: «Pia Sundhage will von uns Einwechselspielerinnen, dass wir mutig sind, schiessen, alles probieren und das habe ich gemacht.»
Von der Cheftrainerin erhielt Wandeler völlig verdient ein grosses Lob für ihr erstes Pflichtspiel im Dress der Schweizerinnen: «Es ist grossartig, Spielerinnen wie Leila Wandeler oder Alayah Pilgrim bringen zu können. Wir haben ein tolles Team und alle sind bereit, den Unterschied zu machen. Ich bin glücklich für sie und alle jungen Spielerinnen.» Dass Wandeler an der Heim-EM überhaupt dabei ist, hat sie der mutigen Entscheidung von Sundhage zu verdanken.
Ohne zuvor ein Spiel für das Nationalteam absolviert zu haben, wurde die ehemalige Juniorin von YB für das definitive EM-Kader nominiert. Zwar wurde sie bereits im Juni 2024 nach ihrem Profi-Debüt bei Olympique Lyon ein erstes Mal für die A-Nati aufgeboten. Allerdings musste Wandeler aufgrund einer Hüftverletzung passen und kam in der gesamten vergangenen Saison nur zu einem Einsatz in der Liga für die erste Mannschaft vom französischen Meister, doch in diesem traf sie direkt. Auch im U19-Nationalteam brillierte die Westschweizerin bereits und erzielte gegen Schottland einen Doppelpack.
Das Aufgebot für die Europameisterschaft im eigenen Land war auch für die junge Stürmerin, welche erst im letzten Testspiel vor der EM zum ersten Nati-Einsatz kam, eine grosse Überraschung, wie sie gegenüber SRF zu Wort gab: «Das war schon eine Überraschung für mich. Hier dabei zu sein ist top für mich, eine EM im eigenen Land ist schon crazy, vielleicht einmalig im Leben.»
Im Vorbereitungscamp überzeugte Wandeler den Staff und Sundhage besonders durch ihre Vielfalt. «Egal, wo wir sie aufgestellt haben, hat sie Leistung gezeigt. Sie ist technisch stark und anpassungsfähig», sagte Sundhage über die überraschendste Nomination im Schweizer EM-Kader. Schon im abschliessenden Testspiel beim 4:1-Sieg gegen Tschechien bereitete Wandeler einen Treffer vor und traf einmal den Pfosten.
Auch die Mitspielerinnen zeigen sich beeindruckt von der Freiburgerin. Die wenige Monate jüngere Nati-Kollegin Sydney Schertenleib lobte ihre Kameradin bereits vor dem Turnier: «Sie hat grosses Potenzial im Abschluss, schiesst die Tore, wenn sie die Chance dazu kriegt. Das hat sie im Training mehrfach gezeigt.»
Das grosse Karriereziel von Wandeler ist es, den Ballon d'Or zu gewinnen. Zunächst einmal wird der Fokus allerdings auf den Donnerstag gerichtet. Dann trifft die Schweiz im alles entscheidenden Gruppenspiel auf Finnland und Wandeler darf sich nach ihrer überragenden Pflichtspielpremiere berechtigte Hoffnungen auf einen weiteren Einsatz machen.