
Sag das doch deinen Freunden!
Gut zehn Skifahrer stehen am Pistenrand und scheinen auf uns zu warten. Einige haben ihre Smartphones schon gezückt. Sie wissen genau: Hier wird's gleich lustig. Für sie.
Nina und ich rollen mit unserem Fatbike-Tandem auf eine wirklich steile Stelle der Abfahrt zu. Unten dreht der Weg nach rechts weg. Wir wissen genau: Hier wird's gleich nicht lustig. Für uns.
Wir befinden uns auf der zweiten Etappe des Snow Bike Festivals, einem dreitägigen Rennen durch das Saanenland. Fatbikes sind Velos für den Schnee. Die superbreiten Reifen sorgen für Grip. Bei Cracks sieht das dann etwa so aus:
Bei uns nicht ganz. Wir wurden nach der «Tour dur d'Schwiiz» im November angefragt, ob wir als einziges Tandem-Team starten möchten. Erst im Dezember testeten wir erstmals ein (Strassen-)Tandem, vor einer Woche absolvierten wir zwei Testfahrten mit dem Fatbike-Tandem. Jetzt befinden wir uns mitten im Rennen.
Tag 1 startete bei Minus 10 Grad, die Finger froren schon fast ab, bevor wir richtig gestartet waren. Unterwegs sollen es bis Minus 15 Grad gewesen sein. Der Kuhnagel sorgte für schmerzende Hände. Wie es wohl den diversen Teilnehmern aus Südafrika oder Spanien erging? Oder Kuii aus Thailand? Erst vor zwei Tagen sah er erstmals Schnee. Jetzt fährt er als «Pink Panther» farblich zu uns passend mit:
«Very cold», meint Kuii. Aber er lächelt. Genauso wie Valenti. Der Spanier begleitet die nächsten Tage vor allem eine Sorge: Wie halte ich meine Finger warm? Er wird nach den ersten beiden Tagen jeweils ein Video drehen. Die Titel der gedrehten Clips: «Tiefgefrorene -15 Grad» und «Grosse Leiden».
Trotz der extremen Kälte meistern wir alle die drei Tagesabschnitte auf Winterwanderwegen, am Rand von Skipisten, Langlaufloipen oder schneebedeckten Seitenstrassen gut. Wir radeln am Lauenensee vorbei, rasseln eine Schlittelpiste runter und fahren quer durch einen Kuhstall.
Die wirkliche Herausforderung stellt sich aber am zweiten Tag: Die bereits erwähnte Abfahrt. Zunächst strampeln wir die Schlittelpiste hoch, dann vernichten wir auf der roten Skipiste auf zwei Kilometern Distanz 600 Höhenmeter. Weil wir auf dem Tandem weniger kontrolliert «sliden» können, wissen wir schon beim Bergpreis: Da kommen wir wohl nicht heil runter. Immerhin schaffen wir es auf den ersten Metern sturzfrei. Doch dann kommt die heikle Stelle mit den oben erwähnten wartenden Skifahrern.
Wir sehen die Spuren der vor uns gestürzten, können förmlich fühlen, wie die Zuschauer uns fixieren und wagen uns in den Steilhang. Alles läuft gut – zumindest auf den ersten fünf Metern. Dann rutscht es nur noch. Ich fliege vorne über den Lenker, Nina legt sich hinten quer in den Schnee. Die Skifahrer lachen und schwingen sich gekonnt den Berg hinunter (falls einer dieser Zuschauer dies liest: Für allfällige Videoaufnahmen des Sturzes wären wir dankbar).
Keine Frage, so kommen wir nie heil unten an. Wir müssen uns was überlegen. Ab sofort interpretieren wir den Tandem-Begriff etwas breiter und setzen unsere Abfahrt so fort:
«Manchmal fährst du das Velo und manchmal fährt das Velo dich», sagt ein anderer Teilnehmer nach dem Rennen lachend. Bei uns war es während dieser Abfahrt eher Zweiteres. Trotzdem machten die Tage grossen Spass. Die Spitzenfahrer absolvierten die verhältnismässig kurzen Strecken zwar jeweils fast eine Stunde schneller – was für uns noch immer kaum vorstellbar ist –, aber immerhin konnten wir uns am letzten Tag gerade noch einen Platz in den Top 60 herausfahren.