Gespräche mit Gott, Jesus oder dem Heiligen Geist gehören zum Standardrepertoir vieler Freikirchen. Es gibt kaum eine Predigt, in denen die Pastoren nicht erklären, dass sie mit Gott kommuniziert oder von ihm Signale empfangen haben. Und sie erklären ihren Schäfchen, dass sie ebenfalls Zwiesprache mit Gott halten können.
Solche Botschaften sind ein wirksames Mittel der Indoktrination. Sie suggerieren den Gläubigen, dass es den christlichen Gott tatsächlich gibt. Und wenn es ihn gibt, dann enthält die Bibel sein authentisches Wort. Und wenn wir mit ihm in Kontakt treten können, ist eine persönliche Beziehung zu ihm möglich.
Dank dieser Gunst ist das Ticket in den Himmel nach dem Tod schon fast gelöst, glauben die Gläubigen. Und das ewige Leben garantiert.
Mit solchen Versprechen können Pastoren die euphorisierten Gläubigen an sich binden. Dann besuchen sie brav ihre Gottesdienste und liefern den Zehnten ab, wie es die Bibel verlangt.
Es braucht eine gehörige Portion Einbildungskraft, um Gott sprechen zu hören. Wenn er sich tatsächlich akustisch vernehmen liesse, müsste es längst Beweise für seine Existenz geben.
Verfolgt man Predigten von Pastoren im Internet, bekommt man den Eindruck, dass Gott mit vielen Zungen spricht. Frei nach dem Motto: Jeder Pastor predigt seinen eigenen Gott. Und jeder fromme Christen zimmert sich sein eigenes Gottesbild.
Da stellt sich die Frage, ob Geistliche auch mit dem Satan in Kontakt treten können. Die allermeisten Gläubigen würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und ausrufen: «Behüte Gott!», mit dem Gehörnten will ich nichts zu tun haben, er könnte mich in Versuchung führen.
Es gibt aber eine Glaubensgemeinschaft, die behauptet, eine brisante Botschaft des Leibhaftigen abgefangen zu haben. In dieser verrät er vermeintlich seine Tricks und Taktiken, wie er Menschen in seinen Bann ziehen kann.
Dieses religiöse Kunststück ist angeblich der sektenartigen christlichen Gemeinschaft St. Michaelsvereinigung geglückt, die den Hauptsitz in Dozwil TG hat. Gegründet wurde sie vom ehemaligen Gärtner Paul Kuhn in den 1960er-Jahren. Sein Medium Maria Gallati empfing angeblich authentische Botschaften aus dem Himmel.
1988 kündeten die himmlischen Wesen die Apokalypse an und erklärten, Raumschiffe würden die Kinder der Gläubigen abholen. Diese sollten vor den bevorstehenden Endzeitqualen geschützt werden.
Das Ereignis warf in den Medien lange Schatten voraus. Am Tag der Wahrheit erschienen aber keine Ufos, sondern viele Schaulustige und Töffgangs, die für Randale und handgreifliche Auseinandersetzungen sorgten.
Paul Kuhn starb 2002, doch die grosse Gemeinschaft lebte erfolgreich weiter. Sie gründete unter anderem eine Schule und ein Spital.
Nun haben die Nachfolger von Paul Kuhn die satanische Gegenwelt ausspioniert und angeblich eine sensationelle Entdeckung gemacht: Demnach hat der Teufel eine weltweite Versammlung mit seinen Dämonen organisiert.
Bei der Eröffnungsrede soll der Teufel wörtlich gesagt haben: «Wir können die Christen nicht davon abhalten, in die Gemeinden oder Kirchen zu gehen. Wir können sie auch nicht davon abhalten, in der Bibel zu lesen, wodurch sie die Wahrheit erkennen. Wir können sie aber davon abhalten, dass sie eine persönliche Beziehung zu Jesus entwickeln.»
Der Satan hat angeblich Angst, seine Macht zu verlieren. Sein Auftrag an die «Engel der Unterwelt»: Stehlt ihnen ihre Zeit, damit sie keine Beziehung zu Jesus aufbauen und nicht in die Messe gehen können.
Wie soll das geschehen? Beherrscht ihre Gedanken, riet der Satan. Verleitet die Menschen dazu, sich zu vergnügen und zu konsumieren. All das werde ihre Gedanken vergiften und die Einheit und Verbundenheit mit Jesus zerstören.
Zusammengefasst enthält die angebliche Rede des Satans alle weltlichen Ideen und Aktivitäten, die die prüde und weltfremde Glaubensgemeinschaft für gefährlich hält und als Sünde betrachtet: Ferien, Vergnügen aller Art, Medienkonsum von Zeitungen bis zum Fernseher.
Der Satan soll weiter gesagt haben: «Schickt sie in Vergnügungsparks, in Sportveranstaltungen, ins Kino, in Rock-, Pop- und Open-Air-Konzerte und lasst sie dort jeglichen Spass, Lust- und Sinnesfreuden erleben. (…) Dann haben wir Einfluss und können ihnen auch neue Geschlechtermodelle plausibel machen. (...) Überredet die Ehefrauen, sich ganz auf ihre Erwerbstätigkeit zu konzentrieren.»
Die angeblichen Aussagen des Satans verraten wohl mehr über das fundamentalistische Weltbild und die rigide Moral und Lehre der St. Michaelvereinigung als über die Absichten des Satans. Fazit: Die christliche Gemeinschaft treibt ihren Gläubigen den letzten Funken Lebensfreude aus.
Zu glauben, dass man eins zu eins mit Gott kommunizieren kann, ist eine Anmassung, die an religiöse Arroganz grenzt und eine sektenhafte Verblendung verrät. Zu glauben, dass man wortwörtliche Botschaften des Satans «abfangen» und auf Papier festhalten kann, ist nur noch absonderlich.
Es ist schon erstaunlich, was alles unter dem Label «christlich» durch die Religionslandschaft fliegt.