Wardell Stephen Curry war ein begabter Basketballspieler, er gehörte 16 Jahre lang zum Inventar der NBA. Seine zwei Söhne Stephen und Seth versuchten ihm nachzueifern, er nahm sie mit zu den Trainings, den Spielen. Als sie Teenager waren und die Teams des Vaters am Ende einer Übungseinheit einen Wettbewerb veranstalteten, wer von hinter der Drei-Punkte-Linie mehr Körbe wirft, wurden sie manchmal vor NBA-Profis in die jeweiligen Equipen gewählt.
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— Stephen Curry (@StephenCurry30) June 17, 2022
Und doch war der Weg von Stephen steinig: Er hatte Mühe, ein Universitätsteam zu finden, weil er noch mit 18 aussah wie ein leichtgewichtiges Milchgesicht, wie ein 14-Jähriger. Und als er in Davidson aufgenommen wurde, spielte er erst so bescheiden, dass sein damaliger Coach Bob McKillop sagt: «Er war miserabel.»
Der Sport zeigt ja regelmässig, dass gute Gene ein recht unverlässlicher Gradmesser für Erfolg sind: Da ist einer beispielsweise der Sohn von Zinedine Zidane und kann sich nicht einmal in Lausanne durchsetzen, so wie Enzo Zidane 2018/19.
Aber bei den Currys ist es anders gekommen. Der bei den Brooklyn Nets beschäftigte Seth ist eine Offensivattraktion. Und aus Stephen ist der beste Distanzschütze in der Geschichte der Liga erwachsen. Mit viel Fleiss, Geduld und Ehrgeiz steigerte sich der heute 34-Jährige so sehr, dass er das Spiel veränderte – Dreipunkte-Würfe aus jeder erdenklichen Position sind heute in der NBA die Regel und nicht mehr die Ausnahme.
Curry hält etliche Rekorde und offenkundig ist es für die Gegner nahezu unmöglich, sich ihm zu erwehren. Curry ist der Hauptgrund dafür, dass die Golden State Warriors eine Dynastie erschaffen konnten, die gerade im vierten Titel in sieben Jahren gemündet hat. Curry wurde zum wertvollsten Spieler der Finalserie gegen Boston gewählt – es ist jene Auszeichnung, die ihm noch fehlte.
Dieser vierte Streich, in der Nacht auf Freitag mit einem 103:90-Auswärtssieg im sechsten Finalspiel gegen die Boston Celtics komplettiert, war der vermutlich bemerkenswerte Coup. Nach dem verlorenen Final gegen Toronto 2019 schien die Vorherrschaft der Warriors zu Ende, das Team wirkte wie ein zerfallendes Imperium: Der Superstar Kevin Durant verabschiedete sich in Richtung Brooklyn, der Scharfschütze Klay Thompson fehlte zwei Jahre lang verletzt und Curry schien seine Magie phasenweise ein bisschen verloren zu haben.
Doch in dieser Saison schlugen die Warriors mit Vehemenz zurück, Curry hatte wieder diese Spiele, in welchen er aus den absurdesten Winkeln jeden Wurf trifft. Und der General Manager Bob Myers, ein langjähriger früherer Spieleragent, fand die richtigen kostengünstigen Rollenspieler, die Curry zu entlasten vermochten, wenn das mal nötig war. So wie in Spiel 5 als er erstmals seit 233 Spielen keinen Dreipunkte-Wurf mehr verwandelte. Und die Warriors doch gewannen.
Auf Curry mag weniger Scheinwerferlicht abfallen als beispielsweise auf den Altmeister LeBron James, dessen Los Angeles Lakers sich nicht einmal für das Playoff qualifizieren konnten. Aber sein Vermächtnis wird mit jedem Jahr imposanter – und seine Popularität ist ohnehin ungebrochen. Er versprüht eine Leichtigkeit, die sich auf diesem Niveau nicht viele bewahren können, das ist ein nicht unwesentlicher Teil seines Reizes.
Seit drei Jahren hat Curry einen Sohn, er heisst Canon, Kanone, ein Name, der auch zum Vater gepasst hätte. Canon hat einen Korb in seinem Kinderzimmer, doch wenn Stephen ihm beibringen will, wie man richtig wirft, sagt der Knirps: «Nein, ich mache es so.» Wahrscheinlich ist das ein gutes Omen, was eine mögliche Basketballkarriere von Canon angeht – die Unbeirrbarkeit jedenfalls scheint in der Familie zu liegen.