Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat am Donnerstagabend den begründeten Schiedsspruch im Fall Kamila Valieva veröffentlicht und damit einige Details ans Licht gebracht. Wie aus dem 41-seitigen Dokument hervorgeht, lag die bei der russischen Eiskunstläuferin nachgewiesene Konzentration der verbotenen Substanz Trimetazidin bei 2,1 ng/ml. Dies ist ein geringer Wert, den Valievas Vertretung mit der mittlerweile berühmten Grossvater-These erklärte.
So sagte die Mutter der Athletin vor dem CAS aus, dass Kamila Valieva von ihrem Grossvater regelmäßig zum täglichen Training gefahren und abgeholt wird. Auch in der Mittagspause zwischen zwei Einheiten bleibe er oft bei der 15-Jährigen. Während der Anhörung wurde zudem eine Videoaufzeichnung gezeigt, die nach Angaben des Rechtsbeistands vom Grossvater der Athletin gemacht wurde. Auf den Bildern sei im Auto des Grossvaters eine Packung «Trimetazidin MV» zu sehen.
Die russische Eiskunstläuferin will nun mithilfe der B-Probe ihre Unschuld beweisen. Die 15-Jährige werde die Untersuchung der B-Probe beantragen, da unter anderem ein technischer Fehler des Stockholmer Anti-Doping-Labors bei der Analyse ihres Dopingtests vorgelegen haben könne, erklärten Valieva Anwälte. Bei Dopingkontrollen geben Athleten Urin ab, der zu zwei Dritteln in eine A-Probenflasche gefüllt wird. Der Rest bildet die B-Probe.
Valieva Anwälte präsentierten zudem einen medizinischen Experten namens Andrej Scholinskij. Dieser erklärte, Trimetazidin sei verschreibungspflichtig, für Kinder verboten und könne Nebenwirkungen wie Schwindel und Gleichgewichtsstörungen hervorrufen. Eine Aufnahme durch Kontamination halte er für möglich.
Ein zweiter medizinischer Sachverständiger namens Eduard Besuglow verwies auf eine Studie über Trimetazidin-Konsum bei polnischen Athleten. Demnach führe eine einmalige Einnahme einer Dosis von 35 mg bei einer Dopingprobe am Tag darauf zu einem Wert von etwa 1.000 bis 9.000 ng/ml. Eine Konzentration von 2,1 ng/ml wie bei Valieva würde für eine einmalige Anwendung etwa fünf bis sieben Tage vor Probeentnahme sprechen.
Der Kölner Dopingexperte Mario Thevis regte am Donnerstag in einem ARD-Interview an, bei der jungen Russin eine Haaranalyse durchzuführen. «Mit der Analyse kann man möglicherweise sehr gut unterscheiden, ob es sich um eine mehrmalige Einnahme in grösseren Mengen gehandelt hat oder um eine versehentliche einmalige Gabe», sagte Thevis.
In einer Probe Valievas vom 25. Dezember war der verbotene Stoffwechsel-Modulator Trimetazidin entdeckt worden. Die Probe kam am 29. Dezember im Kontrolllabor in Stockholm an, wie aus der Urteilsbegründung des CAS hervorgeht. Ausgewertet war sie offenbar aufgrund von Coronafällen bei den Kontrolleuren aber erst am 8. Februar – einen Tag nach dem Sieg des Russischen Olympischen Komitees um Valieva im Teamwettbewerb.
Nach einigem juristischen Hickhack und Einsprüchen unter anderem des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA erteilte der CAS Valieva am Montag die Starterlaubnis unter Vorbehalt für die Einzelkonkurrenz. Das Kurzprogramm am Dienstag beendete Valieva noch auf Rang eins, nach einer Kür am Donnerstag mit zahlreichen Patzern fiel sie aber auf Rang vier zurück.
(t-online, sid)
1. Die meisten Dopingmitteln sind verschreibungspflichtig. Die Dopingmitteln werden ja meistens auch durch die Betreuer beschafft und nicht durch den Athleten selbst.
2. Ich kenne kein Kind, das "aus versehen" die Medikamenten des Grossvaters einnimmt
3. Eine solch geringe Menge kann darauf hindeuten, dass die Betreuer von einem schnelleren Abbau ausgingen.