Aus, vorbei! Die Schweiz fliegt nach der dramatischen 0:1-Niederlage im Achtelfinal gegen Argentinien in der Verlängerung nach Hause. Vier Spiele absolvierte das Team von Ottmar Hitzfeld in Brasilien. Vier völlig unterschiedliche, mit Höhen und Tiefen.
Unterschiedlich fielen auch die Leistungen der Natispieler aus. Von Top bis Flop, alles war dabei. Hier eine Bilanz zu den wichtigsten Schweizer Protagonisten an dieser WM mit ihrer denkwürdigsten Szene im Gif.
Ricardo Rodriguez hat in Brasilien eindrücklich bewiesen, dass er zu Höherem berufen ist. Der Aussenverteidiger vom VfL Wolfsburg spielt überragend, ist hartnäckig und zweikampfstark. Das kriegt auch Lionel Messi zu spüren, der aus den Duellen mit Rodriguez meist als zweiter Sieger hervorgeht. Ebenfalls mustergültig: Sein langer Pass auf Josip Drmic vor dem 3:0 gegen Honduras.
Blerim Dezmaili hat das Pech, dass ihm mit Gökhan Inler und Valon Behrami zwei andere Sechser vor der Sonne stehen. Gegen Frankreich kriegt der Edelreservist eine Chance und nützt sie. Dzemaili spielt stark und schiesst sogar ein Tor. Trotzdem sitzt er danach wieder auf der Bank. Gegen Argentinien kommt er in der 113. Minute für Admir Mehmedi, muss den Gegentreffer mit ansehen und vergibt in der Nachspielzeit den Ausgleich, als sein Kopfball an den Pfosten fliegt.
Stephan Lichtsteiner hat sich bei Juventus Turin dank seinem starken Zweikampfverhalten und der unermüdlichen Laufarbeit den Ruf, einer der besten Aussenverteidiger der Welt zu sein, erarbeitet. An der WM ist davon wenig zu sehen, wo bleiben seine Rushes? Der Luzerner bleibt deutlich unter seinen Möglichkeiten und leitet mit einem Ballverlust an der Mittellinie den Untergang bei der 0:1-Niederlage gegen Argentinien ein.
Xherdan Shaqiri wird vor dem letzten Gruppenspiel gegen Honduras für die für seine Verhältnisse bescheidenen Leistungen gegen Ecuador und Frankreich harsch kritisiert. Gegen die Honduraner platzt der Knoten nach sechs Minuten mit einem Traumtor in den Winkel. Shaqiri trifft noch zweimal und wird zum 50. Hattrick-Schützen der WM-Geschichte. Auch im Achtelfinal gegen Argentinien spielt er stark, das erlösende Tor will ihm aber nicht gelingen.
Gökhan Inler glänzt zwar nicht in Interviews, dafür auf dem Platz. Der Captain ist der Kopf der Mannschaft, führt, dirigiert und gibt mit klugen Pässen den Takt vor. So auch beim 3:0 gegen Honduras, als er den zweiten Treffer mit einem öffnenden Pass in die Tiefe herrlich vorbereitet.
Valon Behrami spielt keine überragende WM, ein Moment wird aber für immer in Erinnerung bleiben. Wie er in der Nachspielzeit gegen Ecuador zu einem Sturmlauf ansetzt, sich selbst durch ein Foul nicht von seinem Weg abbringen lässt und so den Siegestreffer erzwingt, ist schlicht und einfach grandios. Daran wird man sich noch lange erinnern.
Admir Mehmedi wird im Startspiel gegen Ecuador nach der Pause für Valentin Stocker eingewechselt und ist sofort eine Bereicherung. Er ist zwei Minuten auf dem Platz, als er den wichtigen 1:1-Ausgleich gegen Ecuador erzielt. In den restlichen Gruppenspielen zeichnet sich der linke Flügel durch seinen unermüdlichen Einsatz aus. Immer wieder geht er weite Wege und hilft in der Defensive aus.
Steve von Bergen ist mit seiner Schnelligkeit und Routine enorm wichtig für die Schweizer Abwehr. Gegen Ecuador verhindert er in der ersten Halbzeit Schlimmeres. Das zweite Gruppenspiel gegen Frankreich ist für den Innenverteidiger bereits nach sechs Minuten zu Ende. Bei einem Zusammenprall mit Olivier Giroud zieht er sich einen Bruch des Augenhöhlenbodens in der linken Gesichtshälfte zu und fällt für den Rest der WM aus. Er wird in der Folge schmerzlich vermisst.
Johan Djourou erbt auf die WM hin den zweiten Platz in der Innenverteidigung des schwächelnden Fabian Schär. Neben Steve von Bergen gibt der HSV-Söldner noch eine einigermassen gute Vorstellung ab, doch nach dessen Verletzung wird er immer mehr zum Unsicherheitsfaktor. Steht Djourou im Mittelpunkt des Geschehens, wird es immer brenzlig. Gegen Honduras hat die Schweiz gleich mehrfach Glück, dass die Aussetzer des Innenverteidigers nicht mit dem Anschlusstreffer bestraft werden.
Josip Drmic ist in der Schweizer Offensive der unermüdliche Läufer, nur der Torerflog bleibt ihm verwehrt. Warum ihn Ottmar Hitzfeld im zweiten Gruppenspiel gegen Frankreich auf die Ersatzbank verbannt, bleibt ein Rätsel. Gegen Honduras bereitet der Neo-Leverkusener zwei Shaqiri-Treffer vor und erntet zu Recht den Dank des Torschützen. Zweimal zeigt Shaqiri nach seinen Toren auf Drmic.
Granit Xhaka läuft viel an dieser WM, zeigt sich engagiert, stellt sich in den Dienst der Mannschaft. Offensiv bleibt der Mittelfeldspieler aber blass und nimmt zu wenig Einfluss aufs Spiel. Ab dem Spiel gegen Honduras muss er seinen Platz im Zentrum an Xherdan Shaqiri abtreten. Seine beste Szene hat Hitzfelds heimlicher Liebling, als die Schweiz gegen Frankreich schon hoffnungslos 1:5 zurückliegt. Ein herrliches Zuspiel von Inler verwertet er per Direktabnahme.
Haris Seferovic kommt im Schweizer Startspiel gegen Ecuador nach 75 Minuten für den ausgepumpten Josip Drmic und erzielt in der Nachspielzeit den vielumjubelten 2:1-Siegestreffer. Gegen Frankreich spielt er als Lohn von Beginn an, bleibt aber blass und muss sich wieder mit der Jokerrolle begnügen.
Diego Benaglio hält, was er halten muss und noch mehr. Gegen Argentinien rettet der Wolfsburg-Keeper die Schweiz dank mehreren Glanzparaden in die Verlängerung und ist dort beim Gegentor von Angel Di Maria chancenlos. Nur ein grober Schnitzer unterläuft ihm: Das 0:2 gegen Frankreich Blaise Matuidi muss er auf seine Kappe nehmen, er wird in der nahen Ecke, der «Torhüterecke», erwischt.
Philippe Senderos kommt beim Debakel gegen Frankreich wegen des frühen Ausscheidens von Steve von Bergen auch an seiner dritten WM seit 2006 zu Einsatzminuten. An der Seite seines Jugendfreundes Johan Djourou kann er jedoch nicht überzeugen. Als Nummer 4 nach Brasilien gekommen, packt er seine Chance nicht.
Fabian Schär übernimmt ab dem letzten Gruppenspiel gegen Honduras wieder seinen verlorenen Platz in der Schweizer Innenverteidigung. Der Ostschweizer spielt fehlerlos und macht damit seinen Anspruch auf einen Stammplatz in der Zukunft mehr als deutlich. Konnte offensiv aber weniger bewirken als bei den Auftritten mit dem Nationalteam vor seiner Verletzungspause.
Valentin Stocker steht beim ersten Gruppenspiel in der Startelf. Wie das ganze Team zieht er rabenschwarze 45 Minuten ein. Auf dem linken Flügel ist der FCB-Topskorer quasi unsichtbar. Hitzfeld ersetzt ihn in der Pause durch Mehmedi. Der schiesst per Kopf den 1:1-Ausgleich und bleibt für den Rest der WM erste Wahl. Stocker spielt keine Minute mehr.
Nicht beurteilt: Gelson Fernandes, Michael Lang