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Eismeister Zaugg: Der ZSC schlägt Bern und ist Meister bei den Frauen

Zuerichs Spielerinnen und Staff feiern den Meistertitel nach dem fuenften Eishockey Playoff Finalspiel der PostFinance Women's League zwischen dem SC Bern Frauen und dem ZSC Frauen, am Sonntag, 2 ...
Die ZSC-Frauen sind zum dritten Mal in Folge Meister.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

Meisterliche ZSC-Frauen: Klischees, gutes Hockey und erstaunliche Parallelen

Die Frauen der ZSC Lions haben mit einem 3:0 in Bern ihren zwölften Titel geholt. Die erste Saison der PostFinance Women’s Hockey League lässt sich in einem Satz auf den Punkt bringen: Oben gutes Hockey, unten eine Farce. Wo steht unser Frauen-Hockey?
25.03.2024, 02:0925.03.2024, 13:34
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Noch nie war es so einfach, polemische Vergleiche zwischen nationalem Frauen- und Männerhockey anzustellen wie am vergangenen Wochenende. Am Samstagabend treten die SCB-Männer um 20 Uhr zum Viertelfinal gegen Zug an. Weniger als 24 Stunden später spielen die SCB-Frauen am Sonntag, 13 Uhr, in der gleichen Arena gegen die ZSC Lions im fünften Final um den Frauen-Titel.

Bei Betrachtungen über Frauenhockey ist es hilfreich, ein paar Klischees beizufügen.

Ja, es stimmt, das Publikumsinteresse hält sich in einem überschaubaren Rahmen. Am Samstag ist der SCB-Tempel mit 17'031 zahlenden Frauen, Männern und Kindern bis auf den letzten Platz gefüllt. Am Sonntag werden 1891 Zuschauende gezählt. Bei Gratis-Eintritt. Das ist neuer absoluter Rekord für ein Frauenspiel. Der SCB ist also bei den Männern und Frauen Fankrösus.

Der SCB hatte viel Werbung gemacht. Am Samstagabend wird während des Spiels gegen Zug mehrmals über Lautsprecher und am Video-Würfel für den Frauen-Final vom Sonntag geworben. Es wird alles getan für einen würdigen Rahmen. Brian Abey, der bei den SCB-Männerpartien über den Stadionlautsprecher jeden einzelnen Spieler namentlich aufs Eis bittet, zelebriert dieses kultige Ritual auch bei den Frauen.

Oben auf dem Video-Würfel läuft eine Pregame-Show mit und für die Frauen. «Wir haben die vor dem Final produziert», sagt SCB-Manager Marc Lüthi. Vor dem Spiel wird – der Meisterpokal ist im Mittelkreis aufgestellt – die Nationalhymne gespielt. Marc Lüthi: «Wäre Francine Jordi am Wochenende nicht in Deutschland engagiert gewesen, hätten wir sie angefragt, die Hymne zu singen.» Der SCB-Manager war schon beim zweiten Finalspiel am Mittwoch im Stadion (die Zürcherinnen gewannen 2:1) und ist auch am Sonntag wieder da. «Ich habe diese Saison mehr als zehn Heimspiele unserer Frauen gesehen.» Er wolle sich persönlich ein Bild machen über das Investment ins Frauenhockey.

Der SCB sorgt also beim Spiel der Frauen für die gleichen Rahmenbedingungen wie bei den Männern. Und es wird den Bernerinnen und Bernern beim Anblick des Meisterpokals im Mittelkreis warm und weh ums Herz geworden sein. Ach herrje, solcherlei Wunder hatten sie zuletzt 2019 bei den Männern geschaut.

Ja, es stimmt, die Berichterstattung ist unfair. Während eines Männerfinals wäre unter den Chronisten eifrig und bedeutungsschwer über die Zusammenstellung der Linien, über Taktik und Tagesform debattiert worden. Nun geht es beim Gedankenaustausch auf der Medientribüne bloss um Grundsätzliches. Es dauert einige Zeit, bis nach mehrmaligen Nachfragen überhaupt klar ist, wie viele Ausländerinnen eigentlich eingesetzt werden dürfen: Es sind vier. Was die Herren der Schöpfung mehr interessiert: Auf dem Laptop des NZZ-Korrespondenten betrachten sie eingehend die vaterländischen Prügeleien beim Spiel Davos gegen Lausanne vom Vorabend.

Ja, stimmt, eine Spielanalyse wie bei den Männern gibt es nicht unter den Chronisten, die sich für einmal an ein Frauenspiel verirrt haben. Immerhin wird konstatiert: Die Zürcherinnen sind physisch stärker, grösser und ihr Spiel ist geradliniger. Bei den Männern würde wahrscheinlich irgendwann das Wort «Rumpelhockey» fallen. Bei den Frauen sind Checks nicht erlaubt. Wenn schon, dann ist raues Frauenhockey «Schubser-Hockey».

Eigentlich ist es nicht fair, ja unsinnig, im Hockey direkte Vergleiche zwischen Männern und Frauen anzustellen. Dem Frauenhockey fehlt das zentrale, das archaische Element des Männerhockeys: die Aggressivität im Zweikampf und die damit verbundenen Elemente wie Einschüchterung und Provokation. Oder anders erklärt: Männerhockey ist wie ein Hardrock-Konzert. Frauenhockey wie gute klassische Musik. Zum Hardrock-Konzert passen nun mal keine harmonischen Geigenklänge und bei den Philharmonikern würden Schlagzeuger und harte Elektrobässe stören.

Das bedeutet: Wer sich von allen Klischees löst, stellt bald einmal fest: Frauenhockey vermag mit Schnelligkeit, verblüffenden Spielzügen, Emotionen und Spannung, ja sogar mit einem Hauch von Eleganz ebenso zu faszinieren und zu begeistern. Der Frauenfinal wird auf hohem Niveau ausgetragen und die Meisterschaft der Frauen hätte wahrlich mehr Fans im Stadion und Medienpräsenz verdient.

Womit wir bei erstaunlichen Parallelen sind: Die PostFinance Women’s League leidet unter ganz ähnlichen Fehlentwicklungen wie die National League der Männer: Gutes, oft sehr gutes Hockey oben im Scheinwerferlicht und unten eine Farce. Bei den Männern ist der Auf-/Abstiegskampf längst zur Operettenveranstaltung verkommen. Kein Playout. Keine Liga-Qualifikation. Kein Aufsteiger und kein Absteiger. Bei den Frauen ist es ähnlich: Lugano hat auf eine Liga-Qualifikation gegen Zug, den Sieger der zweithöchsten Liga, verzichtet und ist unter chaotischen Umständen freiwillig abgestiegen. Weil es nicht mehr möglich war, genügend Spielerinnen zu finden.

Die ZSC Lions haben über die Jahre dominiert, weil sie seit Jahren, länger als jede andere Organisation, Spielerinnen ausbilden. Sie sind richtigerweise Rekordhalterinnen. Der aktuelle Titel ist der dritte in Serie und insgesamt die neunte Meisterschaft für die Zürcherinnen. Aber nun haben die anderen Klubs auf diese Saison hastig die Geldspeicher für die Frauen einen Spalt breit geöffnet, um ihr Image mit Frauenhockey aufzuhübschen. Einige wohl in der Hoffnung, über das Frauenhockey durch den Einstieg der Postbank neue Werbemärkte erschliessen und die Mehreinnahmen ins Männerteam investieren zu können.

Der SCB ist diese Saison neu dabei. Marc Lüthi hat einfach ein komplettes Team aus Thun aufgekauft, mit Transfers verstärkt – und die Bernerinnen sind gleich in den Final vorgerückt. Zug hat es noch dreister getrieben und bei der Konkurrenz die besten Spielerinnen abgeworben und ist mit dem zusammengekauften «Geld-Team» in die zweithöchste Liga eingestiegen – und hat ohne Niederlage mit einem Torverhältnis von 444:9 den Aufstieg geschafft. Der EV Zug dürfte nächste Saison ob diesen Umständen mit ziemlicher Sicherheit das unpopulärste Team in der Geschichte unseres Frauenhockeys haben.

Tja, im Frauenhockey ist es durch die auf diese Saison erfolgte Umwandlung der höchsten Liga in die PostFinance Women’s Hockey League definitiv vorbei mit der Romantik. Nur noch verklärte Erinnerung sind die guten alten Zeiten, als Frauenhockey in der Provinz mit Herzblut und Leidenschaft, aber ohne Geld und Kommerz zelebriert wurde und Lyss (Titelgewinne 1993, 1995, 1996, 1997), Langenthal (1994, 2008) oder Reinach (2001, 2002, 2003) das Mass aller Dinge waren.

Wie im Männerhockey durch die Aufstockung von 12 auf 14 Teams gibt es auch im Frauenhockey durch die Erweiterung der höchsten Liga von 7 auf 8 Teams zu wenig Spielende. Weder bei den Männern noch bei den Frauen stehen die obersten Ligen auf einem soliden Fundament. Das Männer- und das Frauenhockey sind aus dem Gleichgewicht geraten. In der höchsten Liga zu viele Teams und zu viel Geld, und in der zweithöchsten Liga zu wenige Teams und zu wenig Geld.

Ein Geschäft ist das Frauenhockey auch als PostFinance Women’s League nicht – und wird es wohl auch nie sein. Bei den ZSC Lions ist das Frauenhockey in die Nachwuchsorganisation integriert (auf den unteren Altersstufen spielen Mädchen und Buben im gleichen Team) und ZSC-Manager Peter Zahner rechnet durch die hohen Investitionen in die Ausbildung mit Vollkosten von über 500'000 Franken pro Saison. Der Eigenfinanzierungsgrad sei weniger als 30 Prozent. Wie die Rechnung beim SCB aussehen wird, vermag Marc Lüthi noch nicht zu sagen. Die juristisch als Verein geführte SCB-Frauenabteilung operiert mit einem Budget von gut 200'000 Franken.

Die Hoffnung auf die Aussicht auf ein wenig Kommerz und politische Imagekorrektur durch Engagement für die Sache der Frauen ist sowieso wichtiger als grundsätzliche Überlegungen über eine nachhaltige Entwicklung. Soeben hat Verbands-Ausbildungschef Markus Graf – ein fähiger Mann – ein Jubelpapier über die Entwicklung unseres Frauenhockeys verfasst: Etwas mehr als 2000 lizenzierte Spielerinnen. Ein Plus von sage und schreibe 64 Prozent seit der Saison 2015/16. Aber es gibt ein Problem: Die Infrastruktur für mehr Mädchen- und Frauenteams fehlt. Inzwischen sind sogar Kunsteisbahnen aus Kostengründen von der Schliessung bedroht.

Es gäbe noch viel zu diskutieren und zu räsonieren über beunruhigende infrastrukturelle, kommerzielle und verbandspolitische Fehlentwicklungen, die ganz oben nicht zu sehen sind, aber an der Basis unser Hockey schon mittelfristig schwächen werden. Viel vom Glanz in den Meisterschaften der Männer und der Frauen funkelt als Trompetengold.

Immerhin ist der Titelgewinn der ZSC-Frauen ganz und gar ein Triumph der Frauen: Die von Angela Frautschi gecoachten Zürcherinnen besiegen die von Thomas Zwahlen, einer Legende im regionalen Männerhockey, und von Sportchef Jakob Kölliker, eine Spieler-, Trainer- und Sportcheflegende des Männerhockeys, gecoachten und gemanagten Bernerinnen.

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30 Kommentare
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Iwan THE Zar
25.03.2024 09:14registriert Februar 2014
Ich war am Samstag am Spiel und habe selbst Eishockey gespielt. Das Problem ist in erster Linie, dass das Niveau immer noch bedenklich tief ist, vergleichbar mit dem Frauenfussball vor 15 Jahren. Es gibt für Fans dieser Sportart halt wirklich keinen einzigen Grund, regelmässig solche Spiele zu schauen. Das mag sich dereinst ändern, momentan ist es so, wie es ist.
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