Auch Leichtigkeit kann harte Arbeit sein. Das geht in Zeiten des Erfolgs oft vergessen. Etwa bei der Schwyzer Skirennfahrerin Corinne Suter. Viel wurde geschrieben über die neue Lockerheit der 25-Jährigen. Darüber, wie sie dank den zwei WM-Medaillen im vergangenen Winter den Knopf auftat, seither sechsmal bei Speedrennen unter die besten Drei fuhr und je eine Abfahrt und einen Super-G gewann. Vom Wandel der Trainingsweltmeisterin zur Podestfahrerin. Der mentale Klick und alles wird gut.
Damit die neue Leichtigkeit der Corinne Suter im entscheidenden Moment funktioniert, braucht es genau so Training wie für die körperliche Fitness und die Skitechnik.
Denn der ausserordentliche Ehrgeiz der Schwyzerin, der sie schon in der Schule zu Höchstleistungen trieb, der aber auch am Ursprung des selbstauferlegten Drucks stand, bleibt schliesslich ein Teil ihres Charakters. Die 25-Jährige kann ihn nur viel besser steuern.
Suter ist es in den letzten Monaten mit Hilfe ihres Mentaltrainers gelungen, zwei Verhaltensweisen elementar zu ändern: Die Gedankenkontrolle vor dem Rennen und die Verarbeitung der Emotionen nach dem Wettkampf. Zwei aktuelle Beispiele dazu. Die Absolventin der Hotelfachschule führt die Abfahrts- und die Super-G-Wertung im Weltcup an. Beide Kugeln zu gewinnen, ist als bislang einziger Schweizerin erst Michela Figini gelungen.
«Ein grosses Ziel», sagt Suter selbst. Doch anstatt sich den Weg zur Kristallkugel durch rosarote Wolken vorzustellen oder gar Gedanken an ein mögliches Scheitern aufkommen zu lassen, schaltet die introvertierte Innerschweizerin das Kopfkino im Unterschied zu früher gänzlich aus. «Dass ich in diesen Wertungen vorne liege, realisiere ich erst, wenn ich die rote Spezialstartnummer anziehe. Und das ist ein schönes Gefühl», sagt Corinne Suter.
Und nach dem Rennen? Klar gibt es derzeit wenig Gelegenheiten für Frustration. Doch auch sie kommen vor. Etwa, wenn die Speedfahrerin mit ihrer Leistung unzufrieden ist. Geschehen am vergangenen Wochenende nach der Abfahrt von Garmisch.
Doch was sie früher für Tage aus dem psychischen Gleichgewicht kippen und die Wettkampfverarbeitung zum kolossalen Energiefresser mutieren liess, kann sie heute innert Kürze abschütteln. Stinkig auf sich selber zu sein ist erlaubt, aber die Halbwertszeit des Ärgers ist auf Minuten komprimiert. «Die einzige Person, die mir im Weg stehen könnte, bin ich», sagte Corinne Suter im November in einem Interview im Bote der Urschweiz.
Noch immer hält das Sportlerleben Prüfungen für die Absolventin der Hotelfachschule bereit. Etwa bei ihren ersten Renneinsätzen im Riesenslalom. «Ich war vor dem Riesenslalom in Sölden viel nervöser als vor den Abfahrten in Lake Louise», sagt Suter. Sie nahm für sich in Anspruch, auf Anhieb in die ersten 30 zu fahren. Auch hier erkennt die 25-Jährige den Weg eines Lernprozesses. Geduld und Erfahrung sind die Schlüssel, um vielleicht in Zukunft in einer dritten Disziplin den Weg an die Spitze zu finden.
Eine besondere Herausforderung bringen auch die Heimrennen in Crans-Montana mit sich. Nie sonst würden sich so viele Freunde und Bekannte melden, bekäme sie so häufig SMS, sagt Suter. «Viele teilen mir mit, sie kämen wegen mir zu diesem Rennen. Und irgendwie hatte ich lange das Gefühl, diese Leute erwarteten von mir, dass ich Zeit mit ihnen verbringe. Das hat mich ziemlich aus dem Konzept gebracht.»
Inzwischen kann Corinne Suter auch diese Ablenkungen ausblenden. Sie ist in dieser Hinsicht egoistischer geworden, schaut mehr auf sich und nicht auf die anderen. Mit einer elementaren Ausnahme: «Nach einem erfolgreichen Rennen ist nicht die Siegerehrung auf dem Podest für mich der schönste Moment, sondern die Umarmung von meiner Familie.»