Spätestens seit 2016 herrscht eine immer grössere Uneinigkeit in der Frage, wie viel Geld die Organisatoren der Lauberhornrennen von Swiss-Ski für die Durchführung des traditionsreichen Anlasses im Berner Oberland erhalten sollen. Während beispielsweise die Hahnenkammrennen in Kitzbühel sich selber vermarkten dürfen - und dabei eine enorme Summe lösen -, ist das den Wengenern seit Mitte Neunzigerjahren nicht mehr erlaubt. Der Verkauf der Marketing- und TV-Rechte erfolgt in der Schweiz mittlerweile zentral durch Swiss-Ski und dessen Tochterfirma Swiss-Ski Weltcup-Marketing AG.
Alle Schweizer Weltcup-Organisatoren erhalten aus diesem zentralen Vermarktungstopf eine Entschädigung, abgestuft nach Wichtigkeit und Renommee des Anlasses. Im Fall von Wengen, das seit Anbeginn dem Ski-Weltcup angehört, beträgt die Abgeltung etwas mehr als zwei Millionen Franken. Doch gerade aufgrund des Beispiels Kitzbühel vermutet das Lauberhorn-OK um Präsident Urs Näpflin, dass seine Rennen wohl deutlich höher abgegolten werden müssten. Damit wäre auch gewährleistet, dass es in Wengen nicht mehr zu einer defizitären Rechnung käme, wie es zuletzt trotz idealen (Wetter-)Bedingungen des öfteren geschehen ist.
Aus dieser latenten Verärgerung - und der fehlenden Aussicht auf eine baldige Besserstellung - riefen die Wengener Mitte 2018 wie im Streitfall vertraglich vorgesehen den Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne an. Mitte März nun ist in dieser Causa das CAS-Zwischenurteil den beiden betroffenen Parteien zugestellt worden. Die Einschätzung des Sportschiedsgerichts ist mehrschichtig und sieht weder die Wengener Organisatoren noch die Verbandsführung von Swiss-Ski als K.o.-Sieger. Allenfalls gibt es einen Sieger nach Punkten, um in der Boxsprache zu bleiben. Da die streitenden Parteien Stillschweigen vereinbart haben, ist das richterliche Zwischenurteil allerdings öffentlich nicht im Detail belegt.
Nun geht der Streit in die nächste Runde - trotz vorhandenem CAS-Zwischenurteil, aber vorerst ohne Aussicht auf eine gütliche Einigung. Um in diesem seit einiger Zeit bestehenden Disput mit den Organisatoren im Berner Oberland «die Risiken zu minimieren» (Swiss-Ski), hat der nationale Skiverband am Mittwoch an der Online-Sitzung des FIS-Subkomitees Alpin durch seinen Vertreter Tom Stauffer (Männer-Cheftrainer) beantragt, dass der Weltcup-Klassiker in Wengen ab der Saison 2021/22 aus dem provisorischen und längerfristigen Rennkalender des Weltverbands gestrichen wird.
Das Lauberhorn mit dessen einmaliger Kulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau sowie den Schlüsselstellen wie Hundschopf, Minschkante und Ziel-S könnte stattdessen bei anhaltenden Meinungsverschiedenheiten durch Rennen an einem anderen Schweizer Ort ersetzt werden, so die Absicht von Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann und -Geschäftsführer Bernhard Aregger. Infrage käme als Ersatzort wohl am ehesten Crans-Montana, das über grosse finanzielle Mittel verfügt, für die WM 2025 kandidiert und in dessen Kandidaturkomitee auch Lehmann als Vizepräsident prominent Einsitz nimmt.
Für den kommenden Winter ist der Kalender hingegen schon definitiv vom FIS-Vorstand abgesegnet und kann Wengen - das wichtigste und bekannteste Skirennen der Schweiz - aus solchen Gründen nicht mehr aus dem Programm gekippt werden. Was in den darauffolgenden Jahren passiert, liegt in den Händen des FIS-Vorstands. Dieser kann bestimmen, wie viele Rennen in welche Länder vergeben werden.
Der Weltcup-Kalender ist dabei historisch gewachsen. Gian Franco Kasper, aufgrund der Coronavirus-Pandemie und des verschobenen Kongresses noch länger als vorgesehen FIS-Präsident, hatte allerdings schon im Januar klar betont, dass die FIS Wengen als Weltcup-Austragungsort «sicher nicht verlieren will. Das Lauberhorn ist eines unserer grössten und bekanntesten Rennen. Alles andere ist Blödsinn.»
Dieser immer erbitterter geführte Streit schwelt seit gut vier Jahren, erst seit Anfang Jahr ist er öffentlich bekannt. Es geht dabei insbesondere auch um die Einnahmen aus nationalen und internationalen Fernsehrechten. Seit dem nicht öffentlichen Zwischenurteil des CAS kommunizieren die zwei streitenden Parteien vorwiegend über Anwälte.
Bekannt ist, dass das CAS die Berner Oberländer Organisatoren wie auch Swiss-Ski in die Pflicht nahm, sich doch nochmals gemeinsam an einen Tisch zu setzen und als langjährige Partner zum Wohle des Anlasses und des Sports eine gütliche Einigung auszuarbeiten. In einer Medienmitteilung lässt das Wengener OK nun wissen, dass aus seiner Sicht «mit etwas gutem Willen eine einvernehmliche Lösung möglich wäre». Gleichzeitig beklagt das OK um Präsident Näpflin aber eine fehlende «materielle Reaktion von Swiss-Ski» in den letzten zwei Monaten.
Die nun erfolgte Streichung im Rennkalender ab übernächstem Winter wird bei Swiss-Ski eher als eine Formalität angesehen, da man sich schliesslich mit den Wengenern im immer intensiveren Clinch befindet und man das finanzielle Risiko begrenzen muss. Denn mit jeder weiteren Austragung erhöht sich der (Millionen-)Betrag, den Urs Näpflin und seine Mitstreiter vom Verband als zusätzliche Abgeltung fordern. Der Wengener OK-Präsident empfindet den Streichungs-Antrag vom Mittwoch als «ein Affront und eine Frechheit sondergleichen». Sie seien gesprächsbereit, so Näpflin, «doch Swiss-Ski weigert sich, sich mit uns an den Tisch zu setzen, den CAS-Zwischenentscheid zu besprechen und eine Lösung zu finden».
Swiss-Ski-Geschäftsführer Aregger spricht davon, dass Swiss-Ski die vom OK in Wengen gestellten finanziellen Forderungen «sicher nicht erfüllen könne und auch nicht wolle», da dies sonst den ganzen Verband gefährden könne. Weil es sich um ein laufendes Verfahren vor dem CAS handle, kann die Verbandsführung momentan keine weiteren Auskünfte erteilen. (abu/sda)
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