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Cologna und Podladtchikov: zwei Olympiasieger, zwei Welten

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der asket und der popstar

Cologna und Podladtchikov: zwei Olympiasieger, zwei Welten

Von Dario Cologna bis Iouri Podladtchikov – innert 48 Stunden gab es in Sotschi alles Wissenswerte über die Schweizer Kulturgeschichte zu sehen.
12.02.2014, 01:1812.02.2014, 06:14
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Dario Cologna, Asket aus dem Tal hinter den sieben Bergen und Iouri Podladtchikov der Popstar aus Zürich: Ein grösserer Gegensatz ist nicht denkbar. So grandios ist die Vielfalt der Schweiz auf der grossen Weltbühne noch nie gezeigt worden.

Dario Cologna, der am Sonntag mit der Kraft, Eleganz und Geschmeidigkeit eines Wolfes durch eine sonnige Winterwunderland zu olympischen Gold stürmt. Mit militärisch kurzem Haarschnitt. Wie eine Verkörperung der Kraft der Berge. Wie aus einem Tourismus-Prospekt. Eine Lichtgestalt der Postkartenschweiz. Des klassischen olympischen Sportes des 20. Jahrhunderts.

Dario Cologna könnte man durchaus auch als Postkarte verschicken.
Dario Cologna könnte man durchaus auch als Postkarte verschicken.Bild: X00102

Moskauer Bergler mit Zürcher Migrationshintergrund

Iouri Podladtchikov, mit langen Haaren, der fliegende Mensch, der im Scheinwerferlicht immer und immer wieder in den Himmel zu springen scheint und am Schluss doch auf sicheren Brettern landet, ist in Moskau geboren, hat in Holland gelebt ist in den Bergen zur Schule gegangen (Davos).

Aber er ist inzwischen Zürcher mit Migrationshintergrund geworden und repräsentiert die urbane Schweiz – und den modernen, den neuen Sport des 21. Jahrhunderts. Die olympische Männerrunde um Baron Pierre de Coubertin, dem Gründer der modernen Spiele, hätte sich einen Champion wie Iouri nicht vorstellen können.

Dieser Olympiasieger repräsentiert die moderne und urbane Schweiz.
Dieser Olympiasieger repräsentiert die moderne und urbane Schweiz.Bild: KEYSTONE

Die Unterschiede könnten nicht grösser sein

Iouri Podladtchikov und Dario Cologna. Skilanglauf und Halfpipe. Hier Risiko und hochkonzentrierte, atemberaubende Artistik, atemlose Spannung, der Wettkampf komprimiert auf Sekunden. Vorgeführt in einer Anlage, die einen fremdländischen Namen trägt (Halfpipe) und eigentlich halbe Röhre heisst. Dort Kraft und Ausdauer und Verausgabung bis fast zur Erschöpfung in der winterlichen Postkartenlandschaft. Hier pure Lebensfreude, Showtalent, im Wesen und Wirken eher Popstar als Athlet, dort die ruhige Bescheidenheit und Selbstsicherheit des Berglers.

Eine glückliche Fügung lässt das Hockeyturnier erst am Mittwoch beginnen und so habe ich diese so gegensätzlichen Champions live erlebt. Ihren sportlichen Triumph, ihren ersten Auftritt vor den Weltmedien. In so kurzer Zeit, in nur zwei Tagen, zwei so völlig verschiedene Sportwelten zu erleben – es war wohl eine Jahrhundert-Gelegenheit. Sozusagen die ganze Schweizer Kulturgeschichte in 48 Stunden. Eine Vielfalt, die sich halt bisweilen auch in hitzigen Abstimmungen zeigen kann.

Zwei Medienkonferenzen wie Tag und Nacht

Dario Colognas Medienkonferenz war ein strukturiertes, freundliches, ordentliches und ruhiges Frage-und-Antwort-Spiel. Auch er hat eine schier unglaubliche Geschichte zu erzählen. Sein Comeback nach der Verletzung, die das Saisonende hätte sein können.

Iouri Podladtchikovs Medienkonferenz ist eine Show, die er gestaltet. Aber keine billige. Ein junger Mann, der den ganzen Raum für sich einnimmt. Mit Sinn für Humor, aber doch nie flippig. Ein junger Mann auch, der eine Geschichte zu erzählen hat, mit der er alle in seinen Bann zieht. Er begrüsst die Anwesenden in russischer Sprache, parliert in fliessendem Englisch und zwischendurch in Schweizerdeutsch. «Russisch ist schliesslich meine Muttersprache.»

Iouri Podladtchikov nimmt alle für sich ein.
Iouri Podladtchikov nimmt alle für sich ein.Bild: KEYSTONE

Er wird gefragt, was es bedeute, dass er ausgerechnet hier in Russland diesen Triumph feiern darf. «Ich habe Heimweh nach der Schweiz» sagt er. «Aber auch Russland bedeutet mir so viel. Hier sind bei mir Kindheitserinnerungen wach geworden. An meine Grossmutter, die Sachen kochte, die meine Mutter nicht kochen konnte.»

Iouri Podladtchikov hat mit unhelvetischem Selbstvertrauen diesen Sieg nach dem 4. Platz vor vier Jahren in Vancouver angestrebt, ja angekündigt. Wohl wissend, dass er den amerikanischen Titanen Shaun White besiegen muss. Und dass White beim Versuch scheiterte, den «Spezial-Trick» des Schweizers nachzuahmen, macht die Geschichte noch besser. 

Der Vater hat ihn zum Champion gemacht

Der olympische Champion spricht über seinen Vater. Die Gespräche in der Nacht und dann noch am Vormittag des Wettkampftages seien so wichtig gewesen. Sein Vater habe ihn zum Champion gemacht. «Er hat mir keine Ruhe gelassen. Silvester ist ein wichtiges Familienfest für uns. Aber mein Vater sagte mir am letzten Silvester: Du hast noch gar nichts zu feiern.» Sein Vater habe ihn auf diesen Moment vorbereitet. «Er hat mir klar gemacht, dass hier an diesem Tag alles, alles zusammenkommen wird – und er hatte mit jedem Wort recht, das er mir in den letzten vier Jahren gesagt hat.»

Iouri Podladtchikov sagt, die schwierigste Phase des Wettkampfes sei die Qualifikation gewesen. «Als ich da durch war, hatte ich keine Zweifel mehr, auch nicht nach dem ersten Durchgang. Es ging auf einmal so leicht, ich musste nicht kämpfen, es ging wie von selbst.»

Iouri Podladtchikov hat alles, um eine Schweizer Sport-Ikone zu werden. Dario Cologna war Schweizer des Jahres 2013. Iouri Podladtchikov muss der Schweizer des Jahres 2014 werden.

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