«Es war kein besonders hoch stehendes, dafür aber ein intensives Spiel.» Im Radio hörte Peter Knäbel, der Technische Direktor des Schweizerischen Fussballverbands diese Aussage, am Morgen nach einer Partie zwischen dem FC Zürich und dem FC Basel. Knäbel ärgerte sich über die Einschätzung und fragte sich: «Woher will der Reporter wissen, ob das Spiel intensiv war?»
Knäbel überzeugte die Swiss Football League von der Wichtigkeit, die Spiele und die Akteure genau unter die Lupe zu nehmen. So, wie es in den ausländischen Top-Ligen schon lange der Fall ist. Entstanden ist ein Pilotprojekt, dessen Ergebnisse am Freitagnachmittag in Bern vorgestellt wurden.
Nicht jedes einzelne Spiel wurde analysiert, sondern in der kürzlich zu Ende gegangen Saison pro Runde eines, insgesamt also 36. Das erlaubt Tendenzen, nicht aber abschliessend gültige Urteile über die Qualität der Super League.
Drei spezielle Kameras wurden zur Aufzeichnung jeweils in den Stadien aufgestellt. Herausgekommen ist, dass die Spieler hierzulande topfit sind. Der Vergleich mit den Top-Ligen, deren Zahlen auf vielen Websites zugänglich sind, belegt: Nirgends wird mehr gelaufen als in der Schweiz, mit Abstand. Hier liegt die Super League deutlich vor der Premier League und auch klar vor der Bundesliga.
Wirft man aber einen zweiten Blick auf die Zahlen, so sieht man: Quantität ist auch in diesem Fall nicht unbedingt gleich Qualität. Denn es wird zwar mehr gelaufen in der Super League als im Ausland, doch die Anzahl der Sprints und auch deren Länge ist vergleichsweise tief. Zudem sind die Spieler in der Schweiz auch weniger lange unterwegs, wenn sie in Ballbesitz sind. Festgestellt wurde zudem eine hohe «Leerlaufzeit», während der der Ball einer Kugel im Flipperkasten ähnlich unkontrolliert herumspickt. Und es gibt verhältnismässig viele Einwürfe.
Das alles führt zu einer tieferen Nettospielzeit als im Ausland. Während 54 Minuten und 24 Sekunden ist der Ball in der Super League durchschnittlich auch wirklich kontrolliert im Spiel.
Aufholbedarf hat die Schweizer Liga auch bei der Fehlpass-Quote. Und es werden relativ viele lange Pässe geschlagen – oft ein Beleg für Einfallslosigkeit oder Hilflosigkeit bei einem Rückstand. Dafür fallen vergleichsweise viele Tore nach Standards, vor allem nach Cornern. «Etwas, das für Brasilien hoffen lässt», blickt Knäbel in Richtung Weltmeisterschaft.
«Diese Art der Spielanalyse steckt in der Schweiz noch in den Kinderschuhen», sagt der Deutsche, der seit vielen Jahren im Schweizer Fussball tätig ist. Dabei gehöre sie heutzutage einfach dazu, «denn die Gegner schlafen nicht.» Seine Hoffnung ist es, dass mit der umfassenden Auswertung der Partien die Spieler besser werden und die Spielqualität grundsätzlich zunimmt. «Das soll den Schweizer Fussball weiter bringen.»
Ein Land wie Brasilien oder Argentinien könne es sich leisten, auf die schiere Masse ihres Potenzials zu setzen – ein Land wie die Schweiz eben nicht. «Wir brauchen eine hohe Prognose-Qualität. Bei welchem Talent lohnt es sich, zu investieren?», fragen sich Knäbel und die anderen Ausbilder beim SFV.
Gelohnt hat es sich mit Sicherheit bei Josip Drmic. Vom hoffnungsvollen Talent ist er zum Bundesliga-Bomber und WM-Fixtarter gereift. Wobei man bei allem Glauben an die statistischen Werte trotzdem auch realistisch bleiben muss.
«Vor drei Jahren habe ich Drmics Testergebnisse auf dem Tisch gehabt und FCZ-Präsident Ancillo Canepa gesagt: ‹Das ist Gold!›», erinnert sich Knäbel. Dennoch sei seine Entwicklung letztlich auch Glückssache. «In Zürich und anfangs auch in Nürnberg spielte er eher am Flügel, das Vorrücken in den Sturm war eher in der Not geboren.»
Detaillierte Angaben zu den Teams und Spielern der Super League veröffentlichen Liga und Verband nicht. Die einzelnen Klubs hingegen erhalten die Daten sehr wohl.
So sehen die Trainer, wo ihre Spieler noch Verbesserungspotenzial aufweisen. Und vor allem haben die Coaches Werte in der Hand, um jungen Talenten aufzuzeigen, wie weit ihr Weg an die Spitze noch ist und in welchen Bereichen sie noch zulegen müssen.
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