Belinda Bencic ist die Vielspielerin an diesen Olympischen Spielen. Sowohl im Einzel als auch im Doppel an der Seite von Viktoria Golubic hat sich die Schweizerin bis ins Finale gespielt. Vor ihrem Halbfinal gegen Jelena Rybakina hat Bencic seit dem 24. Juli bereits 724 Minuten gespielt. Das sind 12 Stunden und 4 Minuten körperliche und mentale Belastung – bei Temperaturen, von denen andere Athleten sagen, dass sie dabei sterben könnten.
Bencics heutige Gegnerin Rybakina kam auf nicht mal die Hälfte dieser Spielzeit, ging also schon deutlich frischer in die Partie und hatte nicht noch im Hinterkopf, dass am gleichen Tag noch das Halbfinale im Doppel ansteht.
Doch Bencic lässt sich von der Belastung nicht unterkriegen: «Andere sagen, dass der Rummel im Dorf ihnen Energie entzieht, bei mir ist das Gegenteil der Fall», sagt Bencic. Die Erfolge im Einzel würden ihr im Doppel helfen – und umgekehrt. Auch deshalb zeigt Bencic trotz des strengen Programms keine Ermüdungserscheinungen. «Es sind Olympische Spiele, ich bin Athletin, nun mache ich den Job jetzt fertig.»
Der Start in die Partie verläuft nach Wunsch, schnell führt Bencic bereits mit Break 2:1. Danach dreht Rybakina aber auf, gewinnt vier Games in Folge, der erste Satz ist bloss noch Formsache. Doch Bencic kämpft sich zurück, bringt ihren Service durch und kann die Kasachin ein weiteres Mal zum 4:5 breaken.
Bencic könnte bei eigenem Aufschlag zum 5:5 ausgleichen, gerät aber in Rücklage. Rybakina kommt gleich zu zwei Satzbällen, Bencic kann jedoch beide abwehren und holt sich schliesslich das Game doch noch.
Rybakina kann in der Folge bei eigenem Service wieder vorlegen. Bencic serviert zum dritten Mal in Folge gegen den Satzverlust. Wieder returniert Rybakina hervorragend. Diesmal kommt die Kasachin sogar zu vier Break- und zugleich Satzbällen. Erneut behält Bencic die Nerven, wehrt sämtliche Satzbälle ab und kann sich in extremis ins Tiebreak retten.
In der Kurzentscheidung zeigt Bencic ihr bestes Tennis. Die Schweizerin dominiert, führt beim Seitenwechsel bereits 5:1, gewinnt das Tiebreak schliesslich überlegen mit 7:2 und holt sich damit den ersten Satz, der mehrfach verloren schien, doch noch.
Bencic führt im zweiten Satz mit Break 2:0. Doch dann spielt Rybakina «alles oder nichts». Von nun an dominiert die Kasachin, schlägt überragend auf, returniert stark und holt sich schliesslich den Satz verdient mit 6:4.
Auch im dritten Satz startet Rybakina stark, sie hat Bencic nun im Griff und legt mit Break 2:0 vor. Die Schweizerin wirkt niedergekämpft und muss gegen die starke Aufschlägerin Rybakina (14 Asse) ein Break aufholen. Doch die Schweizerin findet erneut einen Weg zurück. Sie holt sich das Break und gleicht zum 2:2 aus.
Rybakina bleibt hartnäckig. Sie zermürbt Bencic weiter und holt sich erneut ein Break im dritten Satz. Nun führt sie mit 3:2 und hat die Vorteile wieder auf ihrer Seite.
Wie geht Bencic mit dem erneuten Rückschlag um? Genau, mit dem umgehenden Rebreak. Rybakina führt bei eigenem Service mit 40:15, aber Bencic schafft es auch diesmal heranzukommen und der Kasachin den Aufschlag erneut abzunehmen.
Dann kann Bencic bei eigenem Aufschlag endlich zum 4:3 vorlegen und damit Druck auf Rybakina erzeugen. Prompt zieht diese ein schwaches Aufschlagspiel ein, Bencic nutzt dies zum erneuten Servicedurchbruch.
Bencic hat nun die Chance zum Sieg, zum Finale, zur sicheren Medaille, zu ihrem grössten Erfolg, zu ihrem Goldmatch aufzuschlagen. Und was macht sie? Sie tut das mit wahnsinniger Souveränität. Ihren ersten Matchball verwertet sie schliesslich mit einem Servicewinner. Nach der Partie erklärt sie: «Beim Matchball konnte ich beinahe nicht zur Grundlinie laufen. Dann sagte ich zu mir: ‹Für solche Momente spiele ich doch.› Dann ging es irgendwie.»
Als wäre der grossartige Effort nicht schon beeindruckend genug, legte Bencic wenige Stunden später im Doppel mit Viktorija Golubic gleich noch mit einer mentalen Meisterleistung nach. Gegen die Brasilianerinnen Laura Pigossi und Luisa Stefani lagen die Schweizerinnen im ersten Satz mit Doppelbreak 0:4 zurück. Doch Bencic und ihre kongeniale Partnerin schafften auch hier die Wende und gewannen den Satz noch mit 7:5. Im zweiten Satz haben die Schweizerinnen den Finaleinzug mit einem 6:3 dann klargemacht.