Mister Laver, Sie feierten im August ihren 81. Geburtstag, reisen aber immer noch rund um den Globus, um Tennis zu sehen, das Tennis lässt Sie nicht los, oder?
Rod Laver: Was soll ich sagen? Ich liebe das Spiel, ich habe es immer geliebt, und werde es immer lieben.
Bei den US Open überreichten Sie Sieger Rafael Nadal den Pokal. Mit welchen Eindrücken sind Sie aus New York abgereist?
Es waren zwei fabelhafte Wochen mit einem spektakulären Männer-Final zum Schluss. Medwedew spielte in den letzten drei Sätzen grossartig, aber Nadal gibt einfach niemals auf. Es war mir eine Freude, ihm den Pokal überreichen zu dürfen.
Novak Djokovic musste aufgeben, und Roger Federer verlor in den Viertelfinals. Überraschend?
Keine Sorge, sie werden zurückschlagen, wie sie das schon so oft getan haben in den letzten Jahren.
Nadal fehlt ein Grand-Slam-Sieg, um Federers Rekord von 20 einzustellen. Djokovic hat das letzte Jahrzehnt dominiert. Hands aufs Herz: Wer ist der Beste?
Es geht doch nicht nur um die Anzahl der Grand-Slam-Titel. Wir wissen ja auch nicht, wie das Rennen ausgeht – vielleicht wissen wir das erst in vielen Jahren. Ausserdem kann man auch nicht die Champions aus verschiedenen Zeiten vergleichen. Die Technologie ist eine andere. Heute wird zum Beispiel mit ganz anderen Rackets gespielt. Wer sagt, dass die Champions von früher wie ein Lew Hoad oder Pancho Gonzales nicht mit denen von heute hätten mithalten können?
Sie haben über 200 Titel gewonnen, und sind der einzige Mann, der alle vier Grand-Slam-Turniere in einem Jahr gewonnen hat – und sie schafften das gleich zwei Mal. Federer sagt, für ihn seien Sie der Beste. Einverstanden?
Das würde ich ganz bestimmt nie über mich selber sagen. Ja, ich hatte eine gute Karriere mit den beiden Grand Slams 1962 und 1969 als Höhepunkte. Bei den US Open sagte mir jemand, das sei der älteste bestehende Rekord in der Welt des Sports – das erfüllt mich natürlich schon mit Stolz.
Federer wurde im August 38 Jahre alt, ist die Nummer 3 der Welt. Bei den US Open sagte er, er könne sich vorstellen, bis 40 zu spielen. Halten Sie das für möglich?
Wenn es jemand kann, dann Roger. Es scheint ihm gut zu gehen und das ist, was zählt. Wenn man das Spiel so sehr liebt wie er, geht das gut. Ich gebe Roger auch sehr gute Chancen, im Januar in Melbourne noch einmal die Australian Open zu gewinnen. Nadal und Djokovic beenden ihre Karriere vielleicht mit mehr Titeln als Federer. Warum gilt er für viele trotzdem als Grösster? Nadal, Djokovic und Federer sind alle grosse Champions. Aber Roger überragt das Tennis, diesen Weltsport, und den Sport allgemein in einer Art und Weise, wie das vor ihm keiner in der Geschichte getan hat. Er ist der anerkannteste Sportler der Welt und ein Aushängeschild für dieses grossartige Spiel. Ich fühle mich geschmeichelt, dass er den Laver Cup aus der Taufe gehoben hat und bewundere sehr, was Roger alles tut, um die Geschichte zu ehren.
Die dritte Ausgabe des Laver Cups findet in Genf statt. Welche Beziehung haben Sie zur Schweiz?
Ich war ein paar Mal hier und spielte bei den Turnieren in Lausanne und Gstaad. Die Schweiz ist ein magisches Land, die Menschen interessieren sich fürs Tennis. Und natürlich verbindet mich Roger mit der Schweiz. Er und sein Manager Tony Godsick kamen vor vier Jahren mit der Idee des Laver Cups auf mich zu. Sie wollten meinen Namen dafür benutzen. Und bis jetzt ist es eine Erfolgsgeschichte.
Tennis ist ein Einzelsport, geprägt von Rivalitäten. Wie speziell ist es, diese Rivalen beim Laver Cup im gleichen Team zu sehen?
Es ist ein grossartiges Format – sechs Champions auf beiden Seiten, Europa gegen den Rest der Welt. Was speziell ist: Der Laver Cup kann erst am Sonntag entschieden werden. Ich glaube, das ist ein gutes Format. Es berührt mich besonders, zu sehen, wie sehr der Teamgedanke gelebt wird. Fred Stolle, ein grosser Champion aus meiner Zeit, sagte mir nach dem letzten Laver Cup in Chicago, das sei der beste Tennis-Anlass, den er in den letzten 50 Jahren besucht habe.
Können Sie sich daran erinnern, wann und wo Sie Roger Federer zum ersten Mal getroffen haben?
Das war 2006 in Melbourne bei den Australian Open, zu Beginn der zweiten Woche. Mein heutiger Manager und Tony Roche, ein guter Kumpel von mir und damals Rogers Trainer, haben das Treffen arrangiert. Wir wurden also quasi verkuppelt. Es hat sofort klick gemacht, und wir haben uns sofort verstanden. Danach trafen wir uns nach jedem seiner Spiele, bis zum Final. Ich hatte dann die Ehre, ihm den Pokal in der Rod Laver Arena zu überreichen. Das war für uns beide ein sehr emotionaler Moment.
Rod Laver ist nicht nur Namensgeber, sondern hat massgeblichen Anteil an der Ernennung der beiden Captains, John McEnroe und Björn Borg. In Paris erzählte er, dass niemand geglaubt hatte, dass die beiden sich für dieses Amt zur Verfügung stellen würden. «Aber ich kenne John gut und fragte ihn, und er kam.» Für Team Europa schlug Federer seinen ehemaligen Trainer, Stefan Edberg, vor. Doch McEnroes grosser Rivale war mit Björn Borg ein anderer Schwede. Rod Laver sagt: «Ich brachte ihn ins Spiel – und wieder zweifelten alle. Der mache das nie! Ich sagte, gebt mir mal ein Telefon und es hat geklappt. John und Björn sind wundervolle Captains.»
Europa stellt mit Nadal, Federer, Thiem, Zverev und Tsitsipas fünf Top-Ten-Spieler. Jeder Europäer ist besser klassiert als der Beste aus dem Team Welt. Ein Problem?
Das denke ich nicht. Das Team Welt hat in beiden Laver Cups im Doppel brilliert und auch im Einzel den einen oder anderen grossen Sieg gefeiert. Ich erwarte, dass es spannend wird.
Mit Novak Djokovic fehlt der derzeit beste Spieler der Welt. Wie sehr schmerzt Sie das?
Novak spielte ja im letzten Jahr, während Nadal nicht konnte. Diesmal ist es eben umgekehrt. Der Laver Cup ist ein Anlass, der jährlich stattfindet und ich erwarte, dass Djokovic beim nächsten Mal wieder dabei sein wird.
Stan Wawrinka, der aus der Region stammt, fehlt ebenfalls. Er spielt in St. Petersburg, weil sich der Laver Cup und sein Management nicht einigen konnten.
Das ist natürlich schade. Stan ist ein grossartiger Champion, Gewinner von drei Grand-Slam-Turnieren in Australien, bei den French Open, bei den US Open. Ihm schaue ich immer sehr gerne zu. Er kann alles, aber vor allem seine einhändige Rückhand, dieses Timing, diese Kraft – das ist schon beeindruckend. Ich hoffe wirklich sehr, dass er bald einmal dabei ist. Beim Team Welt ist ihr Landsmann Nick Kyrgios eine der schillerndsten Persönlichkeiten. Er sorgt immer wieder für Ärger. Wie beurteilen Sie seine Situation? Als Spieler hat Nick alles, vielleicht den besten Aufschlag der Welt. Beim Laver Cup habe ich ihn persönlich als wundervollen Teamkameraden gesehen. Im Laver Cup hat er jeweils unglaubliches Tennis gespielt.
Sie forderten in australischen Medien eine Sperre gegen Kyrgios, weil alle anderen Massnahmen nicht gefruchtet hätten. Er wäre damit auch für den Laver Cup nicht zur Verfügung gestanden. Was bedeutet seine Anwesenheit?
Das habe ich nicht gesagt, ich wurde vom «Sydney Morning Herald» falsch zitiert. Das wurde dann von anderen falsch übernommen und machte die Runde, ohne dass jemand mit mir gesprochen hätte, um diese Aussage zu verifizieren. Richtig ist, was ich gegenüber «FOX Sports» gesagt habe: Ich sagte, Nick sollte nicht gesperrt werden. Wie schon gesagt: Nick war bei beiden Laver Cups herausragend – als Spieler und als Teamkollege.
Sie gewannen fünf Mal den Davis Cup, als dieser ähnlich bedeutend war wie die Grand-Slam-Turniere. Wie beurteilen Sie dessen Verlust an Bedeutung und die Veränderungen im Tennis generell?
Tennis muss sich immer entwickeln, und ich verfolge die Entwicklungen in unserem Sport mit grossem Interesse, sei es im Davis Cup oder mit anderen Innovationen. Eines ist sicher, dem Tennis geht es gut – auf allen Ebenen.
Hinweis: Rod Laver beantwortete die Fragen schriftlich. Gerne hätten wir von ihm gewusst, was er zum Vorwurf sagt, der Laver Cup habe den Niedergang des Davis Cups mitverantwortet. Und wie er die politischen Dissonanzen zwischen Novak Djokovic auf der einen Seite und Roger Federer und Rafael Nadal auf der anderen zur Zukunft des Tennis und jener des scheidenden ATP-Präsident Chris Kermode sieht. Die Fragen dazu blieben leider unbeantwortet.