Meterhohe Fassaden sind mit seinem Konterfei tapeziert, bereits am internationalen Flughafen weisen Plakate auf den prominenten Besucher aus der Schweiz hin: Tennisspieler Roger Federer gastiert an diesem Wochenende in der Neun-Millionen-Stadt Hangzhou, gelegen an der Mündung des Qiantang-Flusses im Osten Chinas. Das Programm ist dicht gedrängt: Am Samstag bestritt der 38-Jährige an der Seite des Deutschen Alexander Zverev ein Doppel gegen die Gebrüder Bryan.
Roger flew red-eye flight from Dubai to Shanghai, just arrived. A couple of Chinese die-hard #Federer fans waited at the airport overnight just to get a glance of him and welcome him back to China💗.
— Scarlett (@Scarlett_Li) December 27, 2019
(📹 via Wendy Xing) pic.twitter.com/5fr2GvujeS
Am Sonntag misst sich der Schweizer – wie schon in Lateinamerika – mit Zverev, der bei seiner Agentur Team 8 unter Vertrag steht. Schauplatz ist ein Stadion, das 10000 Zuschauer fasst, ein futuristischer Bau, das verschliessbare Dach einer Lotusblüte nachempfunden. Dazwischen schreibt Federer Autogramme, spielt mit Kindern und nimmt an einem Charity-Dinner teil.
Die Reise ist kurz und unterbricht die wichtigste Phase der Vorbereitung auf die neue Saison, die Federer im 6300 Kilometer entfernten Dubai an seinem Zweitwohnsitz am persischen Golf bestreitet. Federer sagt: «Ich spiele gerne an neuen Orten. Ich versuche, gegen Ende meiner Karriere dort hinzureisen, wo ich noch nie war und wo ich das Tennis voranbringen kann.»
Das ist die romantische Deutung. Die andere ist eine pragmatische. Wie die Reise nach Lateinamerika ist auch jene nach China geschäftlich motiviert. Mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern ist das Land der wichtigste Markt im asiatischen Raum. Wie überall auf der Welt ist Federer auch dort populär, doch sein Manager Tony Godsick sieht die Zitrone noch nicht ganz ausgepresst. Das erfordert Federers Präsenz. Höchstpersönlich, wenn auch nur für wenige Stunden.
Nicht nur für Federer selber, auch für viele seiner Sponsoren steht China vermehrt im Fokus. Das gilt nicht zuletzt für seinen japanischen Ausrüster Uniqlo, der ihn im Sommer 2018 mit einem Vertrag über zehn Jahre ausgestattet hat, der Federer laut Branchenkennern gegen 300 Millionen Dollar einbringt. 700 Läden betreibt Uniqlo in China, in den nächsten drei Jahren sollen 1000 weitere dazu kommen.
Wachsen will im autokratischen Staat auch die Zürcher Sportschuh-Firma On Running, bei der Federer im Oktober mit einem geschätzten Volumen zwischen 50 und 100 Millionen Franken eingestiegen ist. Der Vertrieb erfolgt über Büros in den USA, China, Japan, Australien und Brasilien sowie über 6000 Fachgeschäfte. Das erst 2010 gegründete Unternehmen hat sich in einem hoch kompetitiven Markt gegen global agierende Weltkonzerne etabliert.
Schon bevor Federer als Markenbotschafter einstieg, galt On als Unicorn. Als Unternehmen also, dessen Wert vor einem möglichen Börsengang auf über eine Milliarde US-Dollar taxiert wird. In diesem Jahr war On bereits zum vierten Mal in Folge die am schnellsten wachsende Laufschuhmarke der Welt. Zuletzt lag das Plus bei sagenhaften 150 Prozent.
Unbegrenzt ist Wachstum bekanntlich nicht, doch das Potenzial scheint noch nicht ausgeschöpft. Vor allem in China, wo On einen Grossteil seiner Produkteherstellen lässt. On glaubt daran. Und Federer glaubt daran. «Mit Roger, mit seiner Strahlkraft, können wir in diesen Ländern noch schneller neue Fans für unseren Schweizer Laufschuh gewinnen», sagte Mitgründer David Allemann in der «Handelszeitung». Mit Jiahui Yin sitzt seit Oktober 2018 auch eine Chinesin im Verwaltungsrat von On.
The first On assignment for @rogerfederer? An all-action run through NYC. From making an appearance on the @todayshow to setting the pace in Central Park, watch Roger beat the New York traffic on clouds.
— On (@on_running) November 26, 2019
Learn more about Roger’s new role at On: https://t.co/bBa7WjGtwg pic.twitter.com/Bh4jJFUnUr
Nicht nur On sieht in Federer einen Dosenöffner für den chinesischen Markt. Auch Lindt & Sprüngli setzt auf das blütenweisse Image des Tennisspielers. Mitte Oktober lancierte der Schokoladenhersteller eine Kampagne, in der Federer an der Seite der populären Schauspielerin Xin Zhilei chinesischen Konsumenten Schweizer Süssigkeiten schmackhaft machen soll. In weniger als einer Stunde soll das Video über zwölf Millionen Zuschauer erreicht haben. Pünktlich zu Weihnachten erschien ein zweites Video, an dessen Ende Federer in Mandarin ein gutes neues Jahr wünscht.
Jedes Rädchen in dieser gigantischen Maschinerie der Vermarktung scheint perfekt geölt zu sein. Denn auch bei Federers Sponsor Jura denkt man an die chinesische Kundschaft. In «Fresh Back in Shanghai» bittet der Baselbieter seine Nachbarin um Kaffeebohnen.
Federers Pakt mit China geht indes noch viel weiter. Für das Hangzhou Tennis Invitational hat er sich bis 2023 verpflichtet. Veranstaltet wird das Turnier von einem Tochterunternehmen der Shanghai Jiushi Group. Der Mischkonzern, der auch das Tennisturnier und das Formel-1-Rennen in Shangai durchführt, setzt jährlich 2,6 Milliarden Dollar um und befindet sich vollumfänglich in staatlicher Hand.
In der Hysterie fast untergegangen ist die Meldung, wonach sich Federer für Werbeaufnahmen für die Asienspiele einspannen lässt, die 2022 in Hangzhou stattfinden. Wie jeder grosse Sportanlass in China steht auch dieser im Verdacht, zur Imagepflege des Landes genutzt zu werden. Und wessen Gesicht wäre dafür geeigneter als jenes von Roger Federer, dem Inbegriff von Konsens, Diplomatie und Neutralität?
Blütenweiss ?
Er rennt, für meinen Geschmack, der Kohle zu offensiv hinterher.
Fehlt nur noch eine Einladung aus Saudi Arabien. Da könnte Roger locker noch weitere 50 Millionen abkassieren..