Sieg bei den Australian Open, Triumph bei den French Open, Titelhalter in Wimbledon. Die Frage nach dem besten Tennisspieler der Gegenwart ist schnell beantwortet: Novak Djokovic. In Wimbledon strebt der 34-jährige Serbe seinen sechsten Titel an, es wäre der 20. Grand-Slam-Titel – gleich viel wie Roger Federer und der abwesende Rafael Nadal. Auch neben dem Platz legt Djokovic einen unverändert grossen Gestaltungswillen an den Tag.
Drei Tage, bevor er im Südwesten Londons erstmals im Einsatz steht, sorgt Novak Djokovic mit der von ihm gegründeten Spielergewerkschaft PTPA (Professional Tennis Players Association) für Aufsehen.
Die ATP-Tour, die Profi-Organisation der Männer, will während der ersten Woche von Wimbledon über ein Massnahmenpaket für die nächsten 30 Jahre abstimmen. Novak Djokovics Gewerkschaft will das verhindern und fordert ein Mitspracherecht der Spieler und Antworten darauf, wie sich diese Massnahmen auf die Rechte, die Gesundheit und das Einkommen der Sportlerinnen und Sportler auswirken. Aus diesem Grund hat die PTPA einen Fragenkatalog mit 30 Fragen formuliert. Die ATP lässt ausrichten, die Reform, die 2023 in Kraft treten würde, den Spielern zugutekommen: Die Umsätze der Turniere würden zur Hälfte an die Spieler gehen.
Djokovic konnte am Freitag die Besetzung einer Schlüsselposition in seiner Gewerkschaft verkünden: Adam Larry, der früher der Spielervereinigung der National Hockey League (NHL) vorgestanden war, wurde zum Executive Director berufen. Zudem wurde ein fünfköpfiger Beirat ins Leben gerufen, dem auch die promovierte Juristin Katarina Pijetlovic angehört. Nachdem Novak Djokovic 2020 im Halbfinal der Australian Open Roger Federer bezwungen hatte, schrieb Pijetlovic in den sozialen Medien: «Did you hear that, Federer, you punk! You are playing a guy that beat the c*** out of you 27 times and whom you haven’t beaten at a Grand Slam since 2008 (richtig ist 2012, Anm. d. Red.). Bow to the true legend!»
Pijetlovic doziert an der Manchester Metropolitan University zum Thema Sportrecht und ist zudem Autorin des Buchs «EU Sports Law & Breakaway Leagues in Football». Das klingt nicht nach Kollaboration, sondern nach Konfrontation, an deren Ende die Spaltung der Tennis-Welt stünde.
⚽️ “This is not a new issue.”
— The Debate – France 24 (@F24Debate) April 19, 2021
After plans for a European #SuperLeague created a massive backlash, Katarina Pijetlovic explains how we got to this point.
Full #F24Debate: https://t.co/yl7AQ2Wj0G pic.twitter.com/3Zsm0bLj3m
Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für das, was Djokovic vorschwebt: Er will mit den vier Grand-Slam-Turnieren, der ATP, der WTA (Profi-Organisation der Frauen) und dem Tennisweltverband ITF zusammenarbeiten. Doch diese sind an einem Dialog nicht interessiert.
Männer- und Frauentour (ATP, WTA), der Tennisweltverband (ITF) und die vier Grand-Slam-Turniere verurteilten im letzten Herbst die Gründung der PTPA in einer gemeinsamen Erklärung scharf und betonten, jetzt sei es Zeit für eine «weiterreichende Zusammenarbeit». Auf den Fragenkatalog geht die ATP nicht ein, stattdessen wirft sie Novak Djokovic und seinen Mitstreitern vor, die Tennis-Gemeinde zu spalten. Bereits jetzt hätten die Sportlerinnen und Sportler ein Mitspracherecht und hätten zahlreiche Möglichkeiten, ihre Anliegen einzubringen, unter anderem im Spielerrat, dem Djokovic zuvor während fast eines Jahrzehnts angehört hatte.
Doch die Arbeit dort habe er als zermürbend und frustrierend empfunden, sagt Djokovic. «Oft hatte ich das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. Wir machten nur kleine Schritte und dann wieder Rückschritte.» Er habe nicht den Eindruck, dass die Mitglieder des ATP-Spielerrats die Interessen der Spieler vertreten hätten. Es ist auch eine Kritik an Roger Federer, Rafael Nadal und Andy Murray, die von den Spielerkollegen ins Gremium gewählt worden waren, während Djokovic sich nicht mehr zur Verfügung stellte.
Djokovics Forderungen sind unumstritten: Eine stärkere Beteiligung am Umsatz, den die Grand-Slam-Turniere erwirtschaften, eine gerechtere Verteilung der Preisgelder, um auch schlechter klassierten Spielern ein Einkommen zu ermöglichen, und mehr Mitspracherecht. «Momentan können nur die besten hundert von unserem Sport leben. Das versuchen wir zu ändern. Wir möchten, dass mehr Spieler die Kosten decken und ein anständiges Leben führen können. Ich tue das, weil mir dieser Sport am Herzen liegt», umriss Djokovic schon Anfang 2020 seine Visionen.
Novak Djokovics Ideen sind weder neu, noch besonders radikal. Unter den Spielern geniessen sie breite Akzeptanz. Sie monieren, ihre Interessen würden nicht ausreichend repräsentiert. Das ist unbestritten und liegt an der Struktur der ATP, die vom Board of Directors geführt wird. Dieses Gremium besteht aus sieben Mitgliedern: dem Präsidenten, drei Turniervertretern, drei Spielervertretern, die vom ATP-Spielerrat berufen werden. Dessen Entscheidungen haben für die Spielervertreter aber nur konsultativen Charakter. Das letzte Wort hat immer der Präsident: Andrea Gaudenzi. Ein System, das Stillstand statt Fortschritt begünstigt.
Novak Djokovic hatte die Gewerkschaft mit dem Kanadier Vasek Pospisil gegründet, nun informierte er über den Stand. Demnach sollen Hunderte Spieler und Spielerinnen Mitglied sein. Djokovic sagt, er habe sich zuletzt in Paris mit Serena Williams ausgetauscht, die Australierin Ashleigh Barty, die aktuelle Nummer 1 der Frauen, hingegen sagte, es habe keinen Dialog mit Djokovic gegeben.