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Zwei Schweizer als Titanen eines Weltsportes. Das haben wir bis heute erst einmal erlebt. In den frühen 1950er Jahren. Im Radrennsport. Hugo Koblet gegen Ferdy Kübler. Die Parallelen zu Roger Federer und Stan Wawrinka sind erstaunlich.
Hugo Koblet gewinnt 1950 als erster Ausländer den Giro. Ferdy Kübler als erster Schweizer die Tour de France. 1951 triumphiert Hugo Koblet in der Tour de France und Ferdy Kübler wird Strassen-Weltmeister. Der Radrennsport ist in diesen Jahren populär wie nie zuvor. Während der Tour de France steht die Sportwelt still. Die grossen Zeitungen engagieren für die Tour Schriftsteller. Um den Lesern das grandiose Geschehen in würdigen Worten zu schildern. Das wird heute nicht einmal mehr zu Ehren von Roger Federer und Stan Wawrinka gemacht.
Im Vergleich zur globalen Ausstrahlung der Erfolge von Ferdy Kübler und Hugo Koblet und von Roger Federer und Stan Wawrinka verblassen selbst die Rivalitäten zwischen Bernhard Russi und Roland Collombin, Tom Lüthi und Dominique Aegerter oder die kurze Zeit gemeinsamer Auftritte von Jo Siffert und Clay Regazzoni in der Formel 1 zu Episoden der Sport-Weltgeschichte.
Hugo Koblet ist für eine kurze Zeit der «Roger Federer des Radsportes.» Der grosse französische Sportjournalist Gaston Bénac schreibt nach Koblets Sieg bei der Tour de France unter anderem: «Der Mann dominiert über seine Rivalen durch seine Klasse und seine Intelligenz. Sein Stil ist von erhabener Reinheit. Er gibt nie das Letzte und selbst in vollem Kampf scheint er nicht zu leiden. Man tendiert dahin, ihn als einen der grössten aller Zeiten zu bezeichnen. Ich rufe meine Erinnerungen wach und finde keinen, der mit einer so selbstverständlichen Leichtigkeit, mit einem derart wundervoll weichen Tritt und einer derartigen Realisationskraft die Tour gewann. Koblet ist zweifelsohne ohne Beispiel.»
Mit diesen Worten liesse sich auch Roger Federer würdigen. Die Franzosen verehren Hugo Koblet als «Pédaleur de charme». Sein Sieg in der Tour von 1951 mit exakt 22 Minuten Vorsprung auf Raphael Geminiani ist einer der grössten Schweizer Sporterfolge aller Zeiten. Hugo Koblet lässt alle Titanen seiner Zeit hinter sich. Gino Bartali, Fiorenzo Magni, Fausto Coppi, Louison Bobet, Raphael Geminiani. So viel globale Strahlkraft wie dieser Triumph werden mehr als 50 Jahre später erst wieder Roger Federers Siege haben.
Ferdy Kübler spielt eher die Rolle von Stan Wawrinka. Er ist mehr Kämpfer als Stilist. Er fasziniert das Publikum nicht durch Eleganz. Sondern durch einen schier unglaublichen Willen und seine Härte gegen sich selbst. Die Franzosen bewundern ihn als «Le fou pédalant.» Seinen ersten ganz grossen Triumph (Australien Open 2014) feiert Wawrinka auch, weil sein Finalgegner Rafael Nadal nicht mehr fit ist. Bei seinem ersten ganz grossen Triumph (Tour-Sieg 1950) profitiert Ferdy Kübler davon, dass die italienischen Titanen nach einem Zwischenfall heimkehren. Kübler erbte das gelbe Trikot von Fiorenzo Magni.
Die goldenen Jahre des Schweizer Radsportes dauern bei weitem nicht so lange wie die goldenen Jahre des Schweizer Tennis. Es sind im Grunde nur fünf Jahre. Von 1949 bis 1954. Ferdy Kübler tritt 1957 zurück, Hugo Koblet beendet seine Laufbahn 1958. Beide können nach 1954 nicht mehr an ihre grossen Triumphe anknüpfen. Bis wieder ein Schweizer in der Tour de France um den Sieg pedalen wird, dauert es mehr als 40 Jahre (Alex Zülle kommt 1995 auf Platz 2).
Anders als zwischen Roger Federer und Stan Wawrinka ist die Rivalität zwischen Ferdy Kübler und Hugo Koblet eine erbitterte. Ja, sie spaltet die Schweiz. Es gibt kaum Kübler- und Koblet-Anhänger. Es gibt nur Kübler- oder Koblet-Anhänger. Man ist entweder im einen oder im anderen Lager. Und zwischen den beiden Lagern besteht mehr als nur eine sportliche Rivalität. Es herrscht teilweise sogar offene Feindschaft.
Ferdy Kübler und Hugo Koblet vergessen zwar im Wettkampf die Fairness nie, sie machen aber auch kein Geheimnis daraus, dass sie sich nicht mögen. Die Reporterlegende Sepp Renggli schildert einmal die wohl dramatischste Szene dieser Rivalität: «Ich erinnere mich einer Episode anlässlich einer Tour-de-Suisse-Passage am Gotthard. Koblet wich nicht von Küblers Rad und Kübler wich nicht von Koblets Rad. Es war mörderisch heiss und Ferdy schrie nach Flüssigkeit. Da pedalte Koblet an Küblers Seite, zeigte ihm seinen vollen Bidon Tee, sagte zu Ferdy «Ich habe überhaupt keinen Durst» und leerte vor Küblers Augen den Bidoninhalt auf die Strasse. Das war der kalte Krieg Koblet – Kübler, den beide mitunter bis zum Exzess aufführten». Man stelle sich vor, welches Tosen, Sausen und Brausen durch alle Kanäle der Medienlandschaft des 21. Jahrhunderts ginge, wenn es zwischen Roger Federer und Stan Wawrinka eine ähnlich intensive Rivalität gäbe.
Aber unversöhnlich waren die beiden «Velo-Titanen» nicht. So wie sich Roger Federer und Stan Wawrinka ab und zu verbünden (Olympisches Doppel, Davis Cup), so waren auch Hugo Koblet und Ferdy Kübler hin und wieder bei Paarzeitfahren und beim Zürcher Sechstagerennen ein Team.
Roger Federer ist im Werbebusiness, in der Vermarktung seiner Erfolge, zweifelsfrei erfolgreicher als Stan Wawrinka. Ja, er ist der bestverdienende Schweizer Sportler aller Zeiten. Bei den beiden «K» war es umgekehrt: Ferdy Kübler war der bessere Geschäftsmann als der charismatischere Koblet.
Inzwischen nehmen wir die grandiosen Leistungen von Roger Federer und Stan Wawrinka fast als Selbstverständlichkeit und vergessen beinahe, dass wir Zeitzeugen einer der glanzvollsten Epochen des Schweizer Sportes sind. Vielleicht müssen wir mehr als ein halbes Jahrhundert auf das nächste sportliche Wunder mit diesen Dimensionen, auf zwei Schweizer Titanen in einem Weltsport warten. So lange wie wir seit den Zeiten der beiden «K» auf Roger Federer und Stan Wawrinka warten mussten.