Das Töff-Hochzeitsfest war schon mal nicht schlecht – aber wie lange hält der Frieden?
Circuito de Jerez de la Frontera im November 2014. Die Motoren schweigen. Die weiteren Tests fallen buchstäblich ins Wasser und werden vom Winde verweht. Die am ersten Tag erzielten Rundenzeiten (Tom Lüthi 4. in 1:43,470, Aegerter 14. in 1:44,653, Mulhauser 19. in 1:45,519) werden am zweiten und dritten Tag nicht mehr erreicht.
Der Wind treibt Regenwolken über Jerez. Dominique Aegerter und Tom Lüthi sind am Donnerstag keinen Meter gefahren und bleiben wohl auch heute Freitag weitgehend in der Box und reisen am Abend ab. Es sind gar Regenstürme angekündigt. Klimawandel halt. Aber die vom Wetter erzwungene Pause verschafft uns interessante Einblicke ins Innenleben des neuen Teams.
Fachsimpelei in der Box
Szene am Donnerstag: Draussen weht der Wind, hin und wieder regnet es. Die Piste trocknet einfach nicht ab. Testfahrten machen jetzt keinen Sinn mehr. Tom Lüthi und Dominique Aegerter sind in der Box in ein Gespräch vertieft. Miteinander reden statt gegeneinander rasen.
Die Körpersprache verrät, dass sie sich offenbar intensiv über Schräglagen, Bremspunkte und technische Details ihrer neuen Höllenmaschinen unterhalten. Weil wegen des garstigen Wetters nicht mehr gefahren werden kann, kommen sich die beiden neben der Rennpiste näher. Der neutrale Beobachter denkt: Die zwei haben sich zusammengerauft und werden sich 2015 gegenseitig zu Höchstleistungen aufputschen.
Ich hoffe, dass es so sein wird. Aber dieser erste gemeinsame Auftritt war erst das Hochzeitsfest. Es waren die drei ersten Tage im Leben der neuen Töff-Ehe. Im Leben des neuen, teuersten und konkurrenzfähigsten Teams unserer Töff-Geschichte. Aus dem richtigen Leben wissen wir: Ehen werden im Himmel geschlossen aber auf Erden gelebt (und gelegentlich mit Karacho geschieden).
Wird es diese Harmonie von Jerez auch dann noch geben, wenn im nächsten Frühjahr der Alltag beginnt? Wenn bei jedem Training und jedem Rennen einer teamintern ein Sieger oder ein Verlierer sein wird? Nach Jerez im November 2014 ist klar: Dieses Team hat das Potenzial zum WM- Titel. Aber eben nur, wenn es Teammanager Fred Corminboeuf gelingt, einen Konflikt zwischen seinen beiden sensiblen Alphatieren und vor allem deren Entourage zu vermeiden. Harmonisch zum WM-Titel, zerstritten ins Debakel.
Dominique Aegerter, Tom Lüthi und Robin
Mulhauser hat seinen Sitz in der Industriezone
von Signes, einem Weiler gleich neben der
legendären Rundstrecke von Le Castellet in
Südfrankreich.
Hier hat das Team eine gut
ausgebaute Werkstadt mit mehreren Büros
und einer kleinen Cafeteria gemietet. Für Tests
wird gleich nebenan die Rennstrecke genutzt
und in der nahe gelegenen Ferienanlage
können jederzeit Zimmer zu Spezialpreisen
belegt werden. Zwischen den Rennen und
während der Winterpause sind hier
regelmässig mindestens vier Techniker an der
Arbeit.
Das «Dream Team» wird pro Saison rund 4
Millionen Franken kosten. 23 Männer und 2
Frauen arbeiten nächste Saison bei den
Europa-GP für die drei Schweizer Piloten. Neben Teammanager
Fred Corminboeuf sind es die drei
Cheftechniker Gilles Bigot (für Aegerter),
Alfred Willecke (für Lüthi) und neu Didier
Langouët (für Mulhauser).
Dazu kommen
insgesamt sechs Mechaniker, zwei Reifen-,
drei Computer- und zwei
Stossdämpferspezialisten, zwei
Kommunikationsexperten, eine administrative Teamkoordinatorin, die sich um die
Organisation der Reisen kümmert und ein
Fotograf. Ein Koch und zwei Kellner sowie ein
tschechisches Fotomodell (die kluge Julia) werden sich für das Wohl und
die Betreuung der Gäste auf dem Rennplatz sorgen.
Bei den Übersee-GP (in Katar, in den USA,
Argentinien, Japan, Australien und Malaysia)
wird nur das technische Personal dabei sein.
Die offizielle Teamsprache ist Englisch. Alle
Verträge sind in englischer Sprache abgefasst
und die Bezahlung erfolgt für alle in Euro.
Insgesamt sind im Team sechs Länder
vertreten: Die Schweiz, Italien, Deutschland,
Frankreich, Tschechien und Holland.
Es ist das konkurrenzfähigste und teuerste
Team unserer Töff-Geschichte. Teammanager
Fred Corminboeuf hat die Zielsetzung klar und
eindeutig formuliert. „Bei jedem Rennen
fahren Tom Lüthi und Dominique Aegerter um
einen Podestplatz. Wenn das gelingt, sind wir
auch im Kampf um den WM-Titel dabei.“
