Penalty, Corner, Offside – dass Engländer den Fussball ab etwa 1850 in die Schweiz gebracht haben, wirkt bis heute nach. Während die Deutschen von Elfmeter, Eckstoss und Abseits sprechen, sind bei uns immer noch die englischen Bezeichnungen gebräuchlich. Dass die Schweiz den Fussball aber nicht nur importiert, sondern ihn häufig auch ausgeführt hat, ist weniger bekannt.
Am geläufigsten ist die Geschichte von Hans Max Gamper. Geboren in Winterthur, aufgewachsen in Zürich, ein sportliches Multitalent mit Erfolgen im Radsport und in der Leichtathletik. Und einer ganz grossen Liebe: Fussball.
«Hans Gamper war ein Macher und ein wahnsinnig sportbegeisterter Mensch, der auch selber sehr aktiv war», sagt Sporthistoriker Michael Jucker. Es sei keine Überraschung, dass der FC Zürich, den er mitbegründet hatte, zu Gampers Zeiten ein polysportiver Verein war. Er habe beispielsweise auch das erste Leichtathletik-Meeting in Zürich organisiert. «Gamper war angetrieben vom Gedanken, dass der Sport auch einen gesellschaftlichen Wert hat und dass die Gesundheit wichtig ist», so Jucker. Heute ist dem Pionier für seine Verdienste die Gamperstrasse in Zürich, am Rand des Langstrassenquartiers, gewidmet.
Im Herbst 1899 erscheint eine kurze Meldung in der Zeitung «Los Deportes». Hans Gamper hat es nach Barcelona verschlagen, wo er sesshaft wird. Nun sucht er Mitstreiter für seine Lieblingsbeschäftigung. Fussball heisst in dieser Meldung «Foot-Vall» und Hans Gamper wird als «Kans Kamper» geschrieben. Vielleicht ist die schwierige Aussprache seines Namens für Katalanen mit ein Grund dafür, dass er sich künftig Joan nennen wird, die einheimische Form von Johannes.
Der frühere Schweizer Meister, heisst es auf den acht Zeilen, wünsche auch in Barcelona einige Partien zu organisieren. Wer diesen Sport auch möge, solle sich bei ihm melden oder jeweils am Dienstag- oder Freitagabend auf der Redaktion vorbeikommen.
Es ist diese Notiz, die den Ball am 22. Oktober ins Rollen bringt. Fünf Wochen und einige Treffen später wird am 29. November 1899 der «Foot-ball Club Barcelona» gegründet. Das Präsidium übernimmt mit Walter «Gualteri» Wild ein anderer Schweizer, Gamper selber ist Captain der Mannschaft.
Kurios ist die erste Partie, welche der neue Klub nur rund eine Woche darauf gegen eine Auswahl in Barcelona wohnhafter Engländer bestreitet. Zwar schiesst mit Arthur Witty ein Barça-Spieler den einzigen Treffer – aber Witty läuft für den Gegner auf, damit beide Teams jeweils zu zehnt spielen konnten und es so fairer ist, als wenn elf gegen neun antreten.
Ein Mythos ist es, dass Barcelona in Rot-Blau spielt, weil Hans Gamper die Farben vom FC Basel übernommen hat. Es existieren verschiedene Theorien darüber, wie es zu dieser Farbwahl gekommen ist. Einmal wird der FC Excelsior Zürich ins Spiel gebracht, ein Vorläufer des FCZ, ein anderes Mal waren Bleistifte (Gamper arbeitete als Buchhalter) rot-blau, ein anderes Mal liess er sich vom Tessiner Kantonswappen inspirieren, weil eine Schwester dort lebte.
Vielleicht haben auch die englischen Witty-Brüder Arthur und Ernest die Farben des Rugbyteams von Merchant Taylor übernommen, der Schule, an der sie studierten. Und möglicherweise ist nichts davon wahr, wenn man Otto Maier glaubt. Der deutsche Stürmer gehörte zu den Klubgründern und soll bis zu seinem Tod 1965 steif und fest behauptet haben, er kenne das Geheimnis: Barcelona habe deshalb rot-blaue Trikots, weil das die Farben einer schwäbischen Firma Hartmann seien.
Sporthistoriker Michael Jucker verweist auf die Klubhistoriker des FC Barcelona. Diese hätten vor rund zwei Jahren dargelegt, dass die Farbwahl wohl mit dem englischen Rugbyteam zu tun hat. «Die Theorie klingt sehr plausibel», findet Jucker und wendet mit einem Lächeln ein: «Aber vielleicht kommt in zwei Jahren wieder jemand anders und bringt eine neue Variante ins Spiel.» Einen möglichen Bezug zum FC Basel hält der Historiker indes für sehr unwahrscheinlich.
Joan Gamper war nicht der einzige Schweizer, der half, den Fussball in anderen Ländern zu etablieren. So waren Schweizer massgeblich daran beteiligt, dass sich einige Mitglieder von der AC Milan loslösten und den FC Internazionale – Inter Mailand – gründeten. «Alleine in Italien gehen rund 20 Klubgründungen auf Schweizer Mitgründer zurück», weiss Jucker. Auch in französischen und spanischen Städten kam das Spiel dank Schweizer Fussballern auf.
Die Schweiz habe sehr gute Verbindungen nach England gehabt, führt der Wissenschaftler aus, viele Schweizer Kaufleute seien dort tätig gewesen. «Sie kehrten in die Heimat zurück, brachten den Fussball mit und prägten ihn hierzulande. Nach einer Phase vieler Klubgründungen im späteren 19. Jahrhundert zogen aber auch Kaufleute und Studenten ins Ausland und nahmen den Sport wiederum mit. Nebst den Zuckerbäckern war der Fussball im ausgehenden 19. und angehenden 20. Jahrhundert ein Schweizer Exportprodukt.»
Davon, ein Arbeitersport zu sein, war der Fussball in seinen Anfangstagen noch weit entfernt. «Das war er ursprünglich auch in England nicht», betont Michael Jucker. Fussball wurde an Eliteschulen gespielt, auch in der Schweiz anfänglich zumeist in Internaten und an Gymnasien. «Das Image vom Arbeitersport wurde dem Fussball erst später angedichtet. Es hängt mehr mit der Attraktivität für die Zuschauer zusammen und auch damit, dass seine Ausübung relativ günstig ist und damit für Arbeiter attraktiv.» Jucker nennt noch einen weiteren Grund, den man unter anderem in Zürich beobachten könne. «Die Stadien wie die Hardau, der Utogrund, aber auch der Letzigrund und der Hardturm, wurden alle in Industriequartieren oder am Stadtrand angesiedelt. Auch darum bekam der Fussball sein Image als Arbeitersport.»
Der gebildete Hans Gamper war bezüglich seiner sozialen Schicht also nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Allerdings gehörte er mit seinem Einsatz für jene Sportart, die zur beliebtesten der ganzen Welt aufsteigen sollte, einer Minderheit an. Gerade auf dem kontinentalen Festland war der Fussball zunächst verpönt. «Er war zunächst fremd, und er ist auch ein eher roher Sport. Die katholische Kirche verteufelte den Fussball beinahe», erläutert Historiker Jucker. «In der Innerschweiz etwa erhielten junge Männer, die trotzdem spielten, am Sonntag beim Gottesdienst keine Hostie.»
Auch Joan Gamper machte unliebsame Erfahrungen mit der Kirche. 1903 musste der Reformierte seinen Verein verlassen, da die spanische Verfassung als Religion nur den Katholizismus erlaubte. Fünf Jahre später und wohl dank der Heirat der katholischen Freiburgerin Maria Emma Pilloud war der Schweizer wieder genehm, so dass er 1908 Präsident des FC Barcelona wurde. Der Gründer musste nun zum Retter werden, denn finanziell ging es dem Klub sehr schlecht.
Unter Gamper gelang die Wiederauferstehung. Seiner Umtriebigkeit und teils seinem eigenen Geld war es zu verdanken, dass 1909 ein eigenes Stadion mit Platz für 5000 Zuschauer eingeweiht werden konnte. Bis heute ist der Stolz Kataloniens mit seinem Gründer verbunden: In der Saisonvorbereitung im Sommer spielt Barça gegen renommierte Gegner um die Joan-Gamper-Trophäe.
Gampers Zeit in Barcelona endete jedoch traurig. Als er 1925 ein Freundschaftsspiel gegen eine englische Auswahl organisierte, wurden vor dem Anstoss die beiden Hymnen gespielt. Weil die katalonischen Zuschauer die spanische laut ausbuhten und bei der britischen klatschten, wurde Gamper zum Rücktritt gezwungen. Was wohl noch schwerer wog: Jeglicher Kontakt zum FC Barcelona, seinem Lebenswerk, war ihm fortan untersagt.
Am 30. Juli 1930 zückte Hans Max «Joan» Gamper in seinem Haus an der Carrer de Girona 4 eine Waffe und nahm sich das Leben. In der Weltwirtschaftskrise im Jahr zuvor hatte er angeblich sein gesamtes Vermögen verloren, nun war er verzweifelt und mit den Nerven am Ende. Gamper wurde 52 Jahre alt. Das Herz seines FC Barcelona schlägt unvermindert weiter.
Der argentinische Zauberfloh Lionel Messi hat in seiner Zeit bei «Barça» unzählige Bestmarken an sich gerissen. Doch einen Klubrekord besitzt bis heute Joan Gamper: Als einziger Barcelona-Spieler gelangen ihm neun Tore in einem Spiel. Und das gleich drei Mal.
Habe immer an die Theorie geglaubt dass der Fc Barcelona den Fc Basel als Vorbild hatte. Nicht nur wegen den Clubfarben sondern auch wegen dem Ball der sich im Logo befindet.