Was ist Sport? Die philosophische Antwort ist ausufernd lang, die nüchterne Antwort lautet: eine Ansammlung von Zahlen.
Kaum eine Karriere ist so prädestiniert, sie auf Zahlen herunterzubrechen, wie jene von Ole-Einar Björndalen. Der Norweger ist der erfolgreichste Wintersportler der Geschichte:
Davon nicht weniger als 8 x Gold
Davon nicht weniger als 20 x Gold
Und mehr als 100 weitere Podestplätze
Alle seine Erfolge erringt Ole-Einar Björndalen als Biathlet. Alle? Nicht ganz. Der mittlerweile 46-Jährige dominiert nicht nur seinen Sport während mehr als einem Jahrzehnt. Er schafft es am 18. November 2006 auch, ein Rennen im Langlauf-Weltcup zu gewinnen.
Im schwedischen Gällivare tritt Björndalen zum Wettkampf über 15 Kilometer in der freien Technik an. Er habe sich noch nie so gut in Form gefühlt wie in diesen Tagen, wird er nach dem Rennen zu Protokoll geben. Björndalen startet verhalten, dreht dann aber auf. Mit 23 Sekunden Vorsprung gewinnt er vor seinem Landsmann Tore Ruud Hofstad – die Sensation ist perfekt.
Die Spezialisten mussten sich vorkommen wie Schulbuben. Zwar ist Björndalen zu jener Zeit als weltbester Langläufer der Biathleten anerkannt – aber er ist eben ein Biathlet und keiner, der tagein tagaus nur mit schmalen Ski über die Loipen jagt.
Mit Lukas Bauer, Alexander Legkov, Pietro Piller Cottrer, Axel Teichmann und Tobias Angerer lässt Björndalen namhafte Konkurrenz hinter sich. Um die Schweizer zu finden, muss man in der Vor-Cologna-Ära weit nach hinten schauen in der Rangliste: Remo Fischer ist als 37. ihr Bester, er verliert mehr als eineinhalb Minuten auf Sieger Björndalen.
Der «Kannibale der Loipe» gilt als trainingsverrückt, er ordnet sein Leben komplett dem Sport unter. Sein Motto lautet «Ein Tag ohne Training ist ein verlorener Tag» und einst gab er ehrlich zu: «Alles andere als ein Sieg ist scheisse.» Um seine Ziele zu erreichen, setzt er als erster Biathlet (mit grossem Erfolg) auf einen eigenen Schiesstrainer, arbeitet schon früh mit einem Mentalcoach zusammen.
Als Skijäger hat Ole-Einar Björndalen in seiner Karriere alles erreicht, was es zu gewinnen gibt. Als Langläufer bleibt eine Lücke offen: an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen blieb ihm ein Medaillengewinn versagt. Angesichts seines proppenvollen Trophäenschranks wird er es verschmerzen.